Von Waffen und Gewehren
14.01.2025 Region Unterfreiamt, VillmergenGelungener Auftakt zur dritten Staffel der Gesprächsreihe «Villmärgerle» des Kulturkreises
Der eine trifft mit dem Gewehr ins Schwarze. Der andere ist als Berichterstatter vor Ort, wenn mit Waffen auf Menschen geschossen wird. Auf den ersten Blick ...
Gelungener Auftakt zur dritten Staffel der Gesprächsreihe «Villmärgerle» des Kulturkreises
Der eine trifft mit dem Gewehr ins Schwarze. Der andere ist als Berichterstatter vor Ort, wenn mit Waffen auf Menschen geschossen wird. Auf den ersten Blick haben Rafael Bereuter und Samuel Schumacher nur wenig gemeinsam. Doch im Gespräch mit Moderator Jörg Meier verstehen sie sich bestens.
Chregi Hansen
Ein Wohler befragt während einer Stunde zwei mehr oder weniger prominente Villmerger über ihr Leben und ihre Erfahrungen. Dies ist das simple Konzept der Talkshow «Villmärgerle». Damit wird die erfolgreichen Radiosendung «Persönlich» auf die lokale Ebene heruntergebrochen. Und das mit Erfolg. Diesen Sonntag fand der Auftakt in die dritte Staffel statt, nachdem die Idee ursprünglich bloss für ein Jahr angedacht war.
An diesem Vormittag stellen sich zwei Männer den Fragen von Jörg Meier, die sich aus ihrer Jugendzeit zwar noch kennen, die sich aber an diesem Tag zum ersten Mal seit 20 Jahren wieder gesehen haben. Wobei die Begegnungen früher nicht nur positiv waren. «Er hat mir einmal die Luft aus dem Velo gelassen», erinnert sich Samuel Schumacher an die Taten des um ein Jahr älteren Rafael Bereuter. Dieser hat eher weniger Erinnerungen an sein Gegenüber. «Als Jugendlicher war ich viel in den Beizen unterwegs, oft bis morgens früh. Viele dieser Lokale gibt es heute leider nicht mehr», schaut er auf frühere Zeiten zurück.
Auf Papas Spuren – oder eben auch nicht
Unterschiedlich ist auch ihr Werdegang. Der 39-jährige Bereuter ist dem Weg seines Vaters gefolgt, sowohl beruflich wie sportlich. Er machte eine Ausbildung zum Schreiner, das Schützenhaus war sein zweites Daheim, und er hat mit zehn Jahren die ersten Schüsse mit dem Sturmgewehr abgegeben. «Ich glaube, damals landete kein Schuss auf der Karte», erzählt er lachend. Doch sein grosses Talent wurde früh sichtbar und gefördert. Schumacher hingegen, dessen Eltern beide als Ärzte tätig waren, wollte nie in deren Schuhstapfen treten. «Für mich war dieser Beruf mit Blut verbunden. Und als Kind konnte ich kein Blut sehen», berichtet er. Später musste er sich daran gewöhnen, als Kriegsreporter hat er viel Leid gesehen. Umgekehrt konnte er dank seinem Weg seine Leidenschaft fürs Schreiben ausleben.
Einladung zum Schiessen
Beiden gemeinsam ist die Tatsache, dass sie für ihre Tätigkeiten Mut, Überzeugung, Hartnäckigkeit, Ruhe sowie Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten benötigen. Und dass in ihrem Leben Waffen eine gewisse Rolle spielen. Auch wenn Rafael Bereuter für seinen Sport lieber den Begriff Gewehr benutzt und Schumacher in seinem Leben nur einmal eine Waffe abgefeuert hat, als er mit einem Freund mit dem Luftgewehr aus dem Fenster auf Pilze im Garten geschossen hat. Das könnte sich aber bald ändern. Denn Bereuter, der heute Betriebsleiter der Schiessanlage Buchs ist, lud seinen Gesprächspartner zum Probeschiessen ein. Und Schumacher, der heute mit seiner Familie in Aarau und damit unweit der Anlage lebt, nahm gerne an.
Dabei kann er von einem der Besten lernen. Bereuter, der heute in Buttwil lebt, war 2015 Eidgenössischer Schützenkönig und später auch Vizeweltmeister. Dazu kommen viele weitere Titel und Medaillen und ein Rekord, den ihm niemand mehr nehmen kann. An den Schweizer Meisterschaften schoss er einst das Maximum von 600 Punkten. «Es herrschten damals optimale Verhältnisse. Und ich habe schon am Morgen zu meinem Nationalmannschaftskollegen gesagt, dass der Sieger heute ganz sicher 600 Punkte brauchen wird», erinnert er sich. Dass er diese Marke schaffen wird, wusste er noch nicht. Aber diese Leistung war nötig für den Titel, da hinter ihm gleich drei Schützen auf 599 Punkte kamen.
Den zweifachen Familienvater, dessen Frau eine der besten Schützinnen des Landes ist, fasziniert an seinem Sport das Zusammenspiel von Körper und Geist. Man müsse das Adrenalin stets unter Kontrolle halten, dazu verhelfen ihm auch Atemtechniken und Konzentrationsübungen. Und ja, das Schiessen auf diesem Niveau sei Spitzensport, auch wenn man sich kaum bewege. «Das ist auch körperlich sehr anstrengend, das unterschätzen viele», sagt er. Das Erfolgsrezept für einen guten Schützen hingegen sei sehr einfach. «Einfach immer in die Mitte treffen», so Bereuter lachend.
Der verflixte letzte Schuss
Er selbst haderte oft mit dem letzten Schuss. «Den Kopf frei zu bekommen, wenn man weiss, dass sich jetzt alles entscheidet, ist nicht einfach», erklärt er. Da sei der Puls auch mal 30 Schläge schneller als normal. So hat er an den Weltspielen 2019 eine Medaille vergeben, als er im letzten Schuss nur eine 7 erzielte. «Ich wollte es möglichst schnell hinter mich bringen, habe mir zu wenig Zeit gelassen. Und schon beim Abdrücken gemerkt, dass der nicht passt.» Trotzdem ist die Reise nach Südkorea für ihn bis heute unvergesslich, vor allem auch wegen des Abstechers an die Grenze zu Nordkorea. «Im Süden ist alles wieder aufgebaut und bewaldet, im Norden noch alles kahl und grau», berichtet er.
Aussergewöhnliche Momente hat auch Samuel Schumacher viele erlebt. Erst als Kriegsberichterstatter. Heute als Auslandskorrespondent für den «Blick». Doch warum verlässt er immer wieder die sichere Schweiz und reist in die Krisengebiete der Welt? «Ich bin in einem behüteten und privilegierten Umfeld aufgewachsen. Ich finde es wichtig, auch die andere Seite des Lebens kennenzulernen», sagt der 38-Jährige. Wobei er bei seinen Einsätzen durchaus an Grenzen kommt. So reiste er 2022 in die wieder befreiten Gebiete der Ukraine. Und dies unmittelbar, nachdem er erfahren hat, dass er erstmals Vater wird.
Wenig Hoffnung für Ukraine
Was solche Erlebnisse mit einem machen, wisse man erst, wenn man da ist, fügt er an. Für ihn sei das Schreiben über die Schrecken wie eine Therapie. Wobei sich als inzwischen zweifacher Vater vieles verändert. «Bilder von toten Kindern, wie ich sie im Gaza-Konflikt gesehen habe, will ich mir in Zukunft nicht mehr antun müssen.» Ansonsten findet er wichtig, dass man Bescheid wisse, was in der Welt passiert. Dadurch werde einem bewusst, wie gut man es in der Schweiz hat.
Für die Ukraine hat der Villmerger, der mehrfach in das Land gereist ist, wenig Hoffnung. «Europa ist nicht in der Lage, sich gegen einen bösartigen Tyrannen zu wehren», so seine traurige Feststellung. Gespannt ist er, was in Amerika unter Präsident Trump passiert. Schumacher war zuletzt zwei Monate in den USA unterwegs und hat den Wahlkampf hautnah verfolgt. Der Sieg von Trump hat ihn nicht überrascht, «ich habe bei Wetten mehrere Flaschen Whisky gewonnen», erzählt er schmunzelnd. Auch wenn ihn der Ausgang der Wahl nicht überrascht, so zeigt er sich erschreckt darüber, wie gespalten die amerikanische Bevölkerung ist. Wer nicht gleicher Meinung sei, wird sofort zum Feind deklariert. «Es ist wichtig, aus solchen Krisen zu lernen», findet er. So findet er es elementar, immer mit allen im Gespräch zu bleiben.
Wiedersehen an Fasnacht
Viele Themen wurden in der viel zu kurzen Stunde gestreift. Aber natürlich ist keine Gesprächsrunde in Villmergen möglich, in der es nicht um die Fasnacht geht. Auch hier gibt es Unterschiede. Bereuter war und ist ein begeisterter Fasnächtler, der sich schon aufs Güüggen freut. Schumacher hat hingegen wenig Bezug dazu, wird aber am Güüggen teilnehmen – falls seine Jahrgänger irgendwann mal den Verein gründen. Spätestens bei der Chnebelübergabe von den 86ern zu den 87ern werden sich die beiden also wiedersehen. Falls es vorher nicht zu einem Treffen auf der Schiessanlage kommt. Für dieses Treffen hat Schumacher grosse Pläne. «Eine 7 soll es dann schon werden», schaut er nach vorne.