Sommerserie «Influencer»: Der Villmerger Kevin Lütolf ist einer der einflussreichsten Influencer der Schweiz

Ein Star vom Lande: Zwei Millionen Menschen folgen dem Freiämter Kevin Lütolf auf Instagram. Der 34-Jährige ist Model, Ambassador, Influencer – und neu auch Schauspieler. Er jettet um die Welt. Wer jetzt denkt, das sei ein Leben in Saus und Braus, der täuscht sich. «Es ist harte Arbeit», wie er sagt.

Stefan Sprenger

«Wie kam ich hierhin?» Vor wenigen Monaten hat Kevin Lütolf ein Buch rausgebracht. 233 Seiten. Eine Autobiografie, die sein Leben aufzeigt, seine Gedanken, seinen Weg. «Die Geschichte eines Mannes aus einem kleinen Dorf, der in die Welt hinauszog und eine Inspiration für so viele Menschen wurde», fasst eine Leserin das Buch mit dem englischen Titel «How did I get here» zusammen.

«Lieben Gruss» aus Mexiko

Und wahrlich braucht man ganz viele Wörter, um das Leben von Kevin Lütolf zu beschreiben. Es ist komplex, manchmal luftig, manchmal intensiv, immer aussergewöhnlich. Irgendwo zwischen High Society, Stars und Sternchen – und trotzdem Bodenständigkeit. Er arbeitet mit namhaften (Luxus-)Marken wie Bvlgari, Aston Martin, Gerald Charles oder Nespresso zusammen. «Im Lifestyle-Bereich», wie er meint. Bei Dutzenden weiteren Marken und Agenturen ist er enorm gefragt. «Ich durfte mir ein internationales Netzwerk in den letzten Jahren aneignen», sagt er weiter.

Und so lebt er hauptsächlich aus dem Koffer, wohnt fast ausschliesslich im Hotel in Metropolen wie Kapstadt, Los Angeles, Miami, London, Paris – und so weiter. Als ihn die Redaktion am letzten Wochenende erreicht, war er gerade zu Gast am Open Air Frauenfeld (wo er für Coca-Cola unterwegs war). Schon am Montag schickt er per Whatsapp einen «lieben Gruss in die Heimat» aus Mexiko.

Heimat ist ihm heilig

Die Heimat. Sie ist ihm wichtig. Im Gespräch mit ihm geht es schnell um sein Zuhause. Denn seine Verbundenheit ist gross zu Villmergen respektive Hilfikon. Dort wuchs er auf. «Ich hatte eine wundervolle Kindheit und bin bodenständig aufgewachsen. Das ist heute umso wichtiger, als ich dadurch demütig geblieben bin», erklärt Lütolf. Seine Wurzeln sind ihm heilig, egal wo er auf der Welt ist. Nach wie vor hat er viele Freunde und die Familie in der Region Wohlen und Villmergen. Gerne und oft reist er in die Schweiz – oft auch mit Kunden. «Ich vermisse manchmal meine Leute. Aber das nehme ich in Kauf, um diesen Job auszuführen». In Villmergen besucht er die Primar- und Sekundarschule. Die Ausbildung macht er als technischer Kaufmann, wo er nach der Lehre acht Jahre lang arbeitet. So weit, so normal.

Doch dann folgt das Jahr 2014. «Als vieles auf den Kopf gestellt wurde», wie Lütolf sagt. Die Frau seines Cousins ist Fotografin und knipst aus Spass professionelle Bilder von ihm. Schnell wird klar, dass sein Potenzial vor der Kamera gross ist. «Einfach mal so» schickt er die Bilder einer Modelagentur – und wird aufgenommen. Er schlägt ein und hat schnell Erfolg. Er kündigt seinen Job, zieht nach Zürich (wo auch heute noch sein Hauptwohnsitz ist) und startet mit täglichen Fotoshootings. «Es war nie mein Ziel, Model zu werden. Es ist einfach passiert. Ganz zufällig, ohne Erwartungshaltung», erklärt er. Übrigens, sein Vater – Villmergens Gemeindeammann Ueli Lütolf – sagte einst augenzwinkernd: «Seine Schönheit hat er vermutlich nicht von mir, sondern eher von seiner Mutter.»

«Ganzes Business läuft über Instagram»

In den Anfangszeiten war Durchhaltewillen gefragt. In den ersten Jahren fuhr er teilweise mit fast leerem Tank zu den Shootings. «Keine einfache Zeit», wie er sagt. Doch es geht stetig bergauf. Kevin Lütolf glaubt an sich selbst und kommt in der Werbewelt bestens an. Er arbeitet als Ambassador, als Model. Und auch in den sozialen Medien wird er aktiv. Sein Instagram-Account war einst als kleiner Nebenerwerb gedacht, um in Kontakt mit Menschen und potenziellen Kunden zu treten. Doch auch hier hat er riesigen Erfolg. 2021 hat er 1 Million Follower auf Instagram. Heute, drei Jahre später, sind es doppelt so viele.

Auftritt in Netflix-Drama

Lütolf wird auf Instagram von Marken und Unternehmen engagiert, produziert mit ihnen Videos und veröffentlich diese auf seinen Kanälen. Er erhält im Gegenzug eine Entlöhnung. Mit seinen 2 Millionen Followern gehört er zu den einflussreichsten Influencern der Schweiz. «Eine zeitintensive Arbeit. Mein ganzes Business läuft über Instagram. Dort kann ich kreativ sein und tolle Inhalte generieren. Morgens, wenn ich aufwache, checke ich als Erstes meinen Instagram-Account und verbringe mehrere Stunden pro Tag am Handy», sagt er. Er muss immer dranbleiben.

Model, Ambassador, Influencer. Lütolf bietet auch Coachings an und hat eine eigene Firma namens «Lutolf Media» gegründet. Und neuerdings wird auch die Schauspielerei ein Thema. Er nahm Schauspielunterricht, wirkte auch schon bei einigen Projekten mit. Ein Beispiel ist das Netflix-Drama «Influencer Girl», in dem er einen kurzen Auftritt hat. Für den Film «Bloody Rose» hat er selbst das Drehbuch geschrieben und Regie geführt. Der Kurzfilm wird aktuell an einigen Filmfestivals gespielt – und erhielt schon Auszeichnungen. «Ich bewege mich Richtung Schauspiel, deshalb wird Los Angeles immer wichtiger für mich.» Es mache ihm grossen Spass und «ich will schauen, wo es hinführt». Vermutlich zu etwas Gutem. Denn es scheint, als würde alles, was Kevin Lütolf anpackt, auch funktionieren.

Schon sein Vater Ueli Lütolf sagte vor drei Jahren passend: «Mein Sohn hat Erfolg bei dem, was er tut. Es ist sein Leben. Kevin macht das topseriös und er soll sein Ding machen, solange es ihm Spass bereitet.» Es bereitet ihm nach wie vor Spass. Und er hat nach wie vor Erfolg.

Kevin Lütolf – der sich nach eigenen Aussagen gesund ernährt und täglich Sport macht – weiss zu schätzen, was er alles erleben darf. «Ich bin viel unterwegs auf der Welt. Ich darf spannende Menschen kennenlernen. Das ist einfach toll», sagt er. Doch sein Lifestyle, seine Arbeit, sein Leben, es hat auch Nachteile. «Ich bin viel am Arbeiten, muss immer dranbleiben. Das ist der Preis, den ich bezahlen muss.» Lütolf behält einige Dinge wie seinen Beziehungsstatus («Das bleibt strikt geheim») oder seine Verdienste («Da bin ich schweizerisch still») für sich. Er sagt aber: «Als Selbstständiger ist man selbst und ständig. Es gibt nicht viel Zeit zum Durchatmen.» Denn eines haben die Jobs als Model, Schauspieler oder Influencer gemeinsam: Sie sind alle sehr schnelllebig. Auf die faule Haut liegen kann er sich nicht erlauben. «Ich will und muss aus jedem Tag das Maximum herausholen», sagt er. Und bislang gelingt ihm das sehr gut. Sein Erfolg ist auch Fleissarbeit.

In seinem Buch lautet ein Satz: «Ich musste meine Komfortzone verlassen und in eine Welt eintauchen, in der ich ein absoluter Niemand war.» Der Freiämter Kevin Lütolf folgte mutig seinen Träumen. Er glaubte stets an sich selbst und seine Fähigkeiten. Er arbeitete hart für seinen Erfolg. Und er ist heute kein Niemand mehr in jener Glitzerwelt.

Sommerserie Influencer

Influencer sind Personen, die in den sozialen Medien (Instagram, Facebook, Tiktok usw.) eine grosse Reichweite haben. Der Begriff «Influencer» kommt vom englischen Verb «to influence» (zu Deutsch: beeinflussen). Viele Influencer nutzen ihren Bekanntheitsgrad, um Informationen zu verbreiten oder um Unternehmen zu bewerben, zum Beispiel als Marken- oder Produktbotschafter. Einige können davon leben. Auch die Region Freiamt hat einige spannende Influencer. In dieser Sommerserie porträtiert die Redaktion diese Menschen und erzählt ihre Geschichte. --red