«Richtige Freiämter Nudel»
22.07.2025 Region Oberfreiamt, KallernSommerserie «Auf den Punkt» mit Sabrina Huber aus Kallern
Sabrina Huber ist Coiffeuse. Sie liebt das Freiamt und geht nur in der Schweiz in die Ferien. Ihre grosse Liebe ist das Springreiten, doch ihre Krankheit hat sie über Jahre davon abgehalten. Sie ...
Sommerserie «Auf den Punkt» mit Sabrina Huber aus Kallern
Sabrina Huber ist Coiffeuse. Sie liebt das Freiamt und geht nur in der Schweiz in die Ferien. Ihre grosse Liebe ist das Springreiten, doch ihre Krankheit hat sie über Jahre davon abgehalten. Sie erzählt, warum sie nie aus Kallern wegziehen würde und wie sie zum Springreiten zurückfinden will.
Verena Anna Wigger
Die junge Frau mit dem langen Zopf und den kurzen Haaren öffnet die Tür zum Coiffeur Sky in Kallern. Eigentlich traf der Pfeil die Strasse etwas südlicher. Da diese Nachbarn in den Ferien weilen, heisst es Ausschau halten, welche Geschichten der Pfeil hier bietet.
Sabrina Huber wohnt im Haus nebenan und hat dort auch ihr Geschäft. Seit ihrer Geburt wohnt sie, mit einem Unterbruch von 20 Jahren, in Kallern. Nach der Trennung der Eltern zog die Mutter mit beiden Töchtern in verschiedene Orte rund um Muri, erzählt Huber. Der Tod des Vaters war einschneidend für sie, «da habe ich das Elternhaus übernommen und dort mein Coiffeurgeschäft eingerichtet».
Mädchen und Pferde
Ihre Leidenschaft, das Springreiten, hat Sabrina Huber von ihrer grossen Schwester Melanie übernommen. Bereits als Kinder haben die beiden Mädchen alle Geschenke geopfert, um genügend Geld geschenkt zu bekommen, damit sie in Uezwil Pony reiten können. «Melanie hat immer dafür gekämpft», erklärt Sabrina. Sie durfte dann mit. Doch die Leidenschaft und die Freude am Reiten ist auch bei Sabrina Huber im Blut. Mit sieben Jahren hat sie ihr Springreiter-Brevet abgelegt und anschliessend alle Concours gewonnen.
Das Springreiten wird für Sabrina Huber zur Passion. 15 Jahre gehen sie und Melanie täglich zum Privatstall, in dem vier Pferde aus dem Ausland stehen. Diesen soll das Gewollte beigebracht werden. Der Sohn vom Hof ritt damals bereits Concours. So betreuten sie dessen Pferde und hatten selbst ein Pflegepferd für sich. «Wir durften sie pflegen, mit an die Wettkämpfe gehen, sie betreuen und einreiten. So kamen wir zum Springen», erinnert sich Sabrina Huber. «Wir waren jung, aber gute Reiterinnen», erzählt die passionierte Springreiterin.
Auf diesem Hof arbeiteten die jungen Frauen 15 Jahre. Nach acht Jahren erreichte eines der Pferde im Stall das Alter, an dem es die Schweizer-Meisterschafts-Höhe nicht mehr überspringen konnte. Dieses Pferd konnten sich Sabrina und Melanie teilen und damit an Concours in ihrer Kategorie starten. Der Hofbesitzer fuhr sie zu den Wettkämpfen, und als ein weiteres Pferd nicht mehr im Leistungssport eingesetzt werden konnte, hatte jede Schwester ihr eigenes Pferd.
Unfall der Schwester prägt
Anschliessend eröffnete Huber in Muri einen Coiffeursalon und hat Angestellte. Schwester Melanie kaufte sich ein Pferd, welches von Huber mitgepflegt wurde. Wegen einer Meinungsverschiedenheit zog sich Huber zurück. Sie setzte voll aufs Geschäft und unterbrach ihre Reiterkarriere, während Melanie weiter mit dem Pferd arbeitete. Sabrina Huber beschreibt den Charakter der Stute als eher schwierig. Als Melanie kurz darauf stürzt, sich am Rücken verletzt und nicht mehr reiten kann, ruft sie ihre Schwester an und sagt: «Jetzt musst du das Ross reiten.»
Huber erinnert sich, dass der Unfall sie prägte. «Ich habe Angst vor dem Tier bekommen», weiss sie noch. Diese Angst hat sie dafür genutzt, um sich mit dem Pferd auseinanderzusetzen und so ein neues Vertrauensverhältnis aufzubauen. «Wenn sie beim Striegeln zur Seite ging», wich Huber aus, erinnert sie sich. Carmela III, wie die Stute heisst, fasst Vertrauen zur neuen Besitzerin. Als es Melanie besser geht und sie Kinder bekommt, entscheidet sich Sabrina Huber, Carmela III zu kaufen. Sie stellt fest, dass es der Stute guttut, wenn sie gefordert wird, und beginnt wieder mit Concours-Reiten. Auf Anhieb gewinnen sie jedes Springen.
Vereine verändern sich
Seit sie in Benzenschwil zu reiten begonnen hat, gehört sie dem Reitverein Muri-Bremgarten an. Sie erinnert sich: «Früher führte der Verein Vereinsspringen durch.» So auf dem Holzerhof, in der Fohlenweid in Bremgarten oder im Weihölzlihof in Merenschwand. Heute führt der Verein noch Patrouillenritte durch. Die Bereitschaft, den Aufwand auf sich zu nehmen, einen dreitägigen Anlass durchzuführen, ist über die Jahre geschwunden. In dieser Zeit lässt sie Carmela III decken und mit Vegas zieht sie ein Fohlen gross.
Im Jahr 2010, während sie gegen dreissig geht, holt sie sich die Lizenz für die nächsthöhere Stufe im Springreiten. Dies, nachdem man sie gebeten hat, «den Kindern nicht alle Preise wegzugewinnen», erzählt sie lachend.
Das Leben und seine Geschichte
Das alles nimmt ein jähes Ende, als bei Sabrina Huber eine Krankheit festgestellt wird, die es ihr unmöglich macht, den Alltag zu bewältigen, zu reiten, Auto zu fahren oder ihren Salon in Muri weiterzuführen. Sie muss die Pferde verkaufen, den Führerschein abgeben und zuerst wieder gesund werden. Heute steht Carmella III auf einer Weide im Berner Oberland. Aus der Not hat die Spezialistin für Haarfarben eine Tugend gemacht und bei sich zu Hause einen kleinen Salon eingerichtet, in dem sie ihre langjährige Kundschaft weiter bedient.
Sabrina Huber hat sich nicht unterkriegen lassen und kämpft sich Schritt für Schritt zurück ins Leben. Dabei helfen ihr auch ihre langjährigen Kollegen, welchen sie dafür dankbar ist. Wann immer sie Hilfe braucht, bekommt sie diese. Dass sie so gute Kollegen hat, freut Sabrina Huber. Für sie ist klar: «Hier ziehe ich nie weg.» Überhaupt liebt sie ihre Heimat, denn Ferien gibt es für Sabrina Huber nur in der Schweiz. «Ich bin eine richtige Freiämter Nudel», scherzt sie. Jetzt, da es ihr besser geht, reitet sie wieder, zweimal die Woche. Eine Freundin aus Dintikon fährt sie jeweils. Doch ihr Ziel ist, das Autobillett zurückzubekommen, genügend Kraft für den Alltag zu gewinnen, um ein Pferd pflegen und reiten zu können. Die 43-Jährige geht Schritt für Schritt auf ihr Ziel zu, das Springreiten wieder zurückzugewinnen. Für sie ist klar: «Es ist schon alles da.»
Die Serie
In der Sommerserie «Auf den Punkt» werfen die Redaktoren dieser Zeitung einen Dartpfeil auf die Karte einer Gemeinde und begeben sich an den getroffenen Ort. Dort wird dann nach spannenden Geschichten gesucht.