Mit dem Landammann per Du
26.01.2024 Abtwil, Region OberfreiamtMarkus Dieth am Stammtisch im Gasthaus zum Weissen Kreuz in Abtwil
Mit den Leuten in Kontakt treten, hören, was sie bewegt. Und das in allen Regionen des Kantons. Darum geht es Landammann Markus Dieth an seinen Stammtischen. Der Anfang erfolgte in Abtwil und war in ...
Markus Dieth am Stammtisch im Gasthaus zum Weissen Kreuz in Abtwil
Mit den Leuten in Kontakt treten, hören, was sie bewegt. Und das in allen Regionen des Kantons. Darum geht es Landammann Markus Dieth an seinen Stammtischen. Der Anfang erfolgte in Abtwil und war in Sachen Besucherzahl und Stimmung ein Erfolg.
Annemarie Keusch
Noch eine Stunde. Und drei Tische verbleiben. Markus Dieth lächelt. Flurina Hoffmann, die Leiterin Kommunikation seines Departements Finanzen und Ressourcen, ebenso. «Sie wird mich durchpeitschen, damit ich mit allen in Gespräch kommen kann», meinte Dieth vorher. Und tatsächlich. Die Diskussionen an den einzelnen Tischen waren derart angeregt, dass Hoffmanns Hinweis immer wieder nötig war. Eng wurde es zeitlich aber auch, weil derart viele Leute den Weg ins Gasthaus zum Weissen Kreuz in Abtwil gefunden hatten.
Hier, wo eigentlich schon 2020 der erste Landammann-Stammtisch mit Markus Dieth hätte stattfinden sollen. Die Pandemie verhinderte das damals. Dieth versprach, er hole das nach. Und da sitzt er nun, am Stammtisch, hebt die Stange Bier, prostet den anderen zu. Elf solcher Stammtische plant er in seinem Landammann-Jahr, in jedem Bezirk einen. «Von Aarau her dauerte es schon ein Weilchen, bis ich hier war. Auch der Weg nach Hause nach Wettingen wird dauern. Umso wichtiger war es mir, auch in solche Gemeinden, in solche Gaststätten zu reisen», betonte Dieth. Denn der Aargau sei der Kanton der Regionen. Der Regionen, die allesamt anders seien. «Es gilt, diese Vielfalt zur Einheit zusammenzuschweissen.»
Gegenüber versuchen zu verstehen
Wohl im Wissen darum, dass gerade für die Leute in den obersten Freiämter Gemeinden Aarau ganz weit weg ist, überbrachte Dieth auch einen kleinen Werbespot. «Ich habe Aarau schätzen gelernt, die Altstadt vor allem. Es ist eine schöne Hauptstadt.» Und dennoch will Dieth mit seinen Stammtischen die Leute auch in den entferntesten Regionen des Aargaus abholen, etwa in Abtwil. «Wenn die Komplexität der Themen laufend zunimmt, ist Vertrauen immer wichtiger. Wenn man einander zuhört, einander mit Respekt begegnet und versucht, das Gegenüber zu verstehen, dann kann ein solches aufgebaut werden.»
Also machte Markus Dieth alle Tische im Gasthaus zum Weissen Kreuz in Abtwil zum Stammtisch. So konnten ihm alle über 50 Gäste Fragen stellen. Und das per Du. «Am Stammtisch duzt man sich», findet auch Dieth. Mangel an Fachkräften, vor allem im Bereich der Medizin, Bau- und Nutzungsordnungs-Themen, die vor allem die anwesenden Lokalpolitiker ansprechen, aber auch der Umgang mit Nachbarkantonen. Ganz viele Themen beschäftigen. In Grenzgemeinden, wie Abtwil eine ist, Letzteres ganz besonders. «Zunehmender Verkehr und Siedlungsdruck aus Luzern, Zug und Zürich, kantonsübergreifender Ausbau des öffentlichen Verkehrs», nennt der Abtwiler Gemeinderat Pius Engel Themen. «Wir sind im Austausch mit anderen Kantonen, pf legen gerade mit Luzern, Zug und Zürich enge Kontakte», versicherte Dieth. Diese gingen über Regierungs- und Direktorenkonferenzen hinaus.
Einheitspolizei gehe nur mit regionaler Verankerung
Intensiv wurde auch über Sicherheit diskutiert. Natürlich ging es dabei um die Einheitspolizei, die im Aargau ein grosses Thema ist. Ob er dafür oder dagegen ist, das liess sich der Landammann nicht deutlich entlocken. «Die Einheitspolizei müsste regional verankert sein. Das wäre aus meiner Sicht ein ideales Modell.» Diese regionale Verankerung zu erreichen, sei aber eine Herausforderung. «Das heisst nicht, dass es nicht ginge.» Es sei aber auch weiterhin wichtig, die Sicherheit in den Regionen sicherzustellen. Wie sich eine Einheitspolizei gegenüber dem jetzigen dualen System mit Kantons- und Regionalpolizei auswirke, das bezeichnete Abtwils Gemeinderat Pius Engel als «Kaffeesatzlesen». Zum Abtwiler Ammann Stefan Balmer gerichtet, meinte Dieth: «Jetzt zahlt ihr die Regionalpolizei.»
Davor, dass die Organisation noch grösser werde, etwa nicht mehr kantonal geregelt, sondern als Nordwestschweiz, das müsse aber niemand befürchten. «Dass sich davon nicht alle Leute abgeholt fühlen würden, ist klar. Erst recht nicht jene wie ihr Freiämter, die geografisch weit weg von anderen Nordwestschweizer Kantonen leben.» Und auch die zunehmenden Sicherheitsprobleme, etwa am Bahnhof in Aarau, sind nicht die Themen, worüber sich die Oberfreiämter Gedanken machen. Aber Markus Dieth sieht den gleichen Lösungsansatz wie beim Verhindern von Vandalismus bei Schulhäusern in Dörfern. «Präsenz zeigen. Grundsätzlich finde ich aber, dass der Aargau ein sicherer Kanton ist. Zwischenfälle können überall passieren.» Auch in Abtwil? Während Gemeinderat Engel sagt, er fühle sich im Dorf immer sicher, verneint eine ältere Frau. «Es gibt auch hier Momente, in denen es mir mulmig wird.»
Foto mit der Praktikantin und Tochter des Gemeindeammanns
Landammann Markus Dieth selber ist ohne Begleitung unterwegs, die für seine Sicherheit sorgt. «Als ich damals noch als Grossratspräsident zu einem Treffen mit meinem Pendant aus Baden-Württemberg im Bus anreiste und er mit drei Staatswagen, sorgte das schon für grosse Augen.» Klar, es gebe ein gewisses Sicherheitsdispositiv. Aber – und diese Aussage von Dieth erstaunt: «Ich und meine Familie erhalten weniger Drohungen als zur Zeit als Gemeindeammann.» Damals sei er viel näher an der Bevölkerung gewesen, habe Entscheidungen fällen müssen, die teils tief griffen. «Zum Glück erlebe ich das nicht», meinte Stefan Balmer.
Sonst hätte er wohl nicht seine Tochter Christine mit an den Landammann-Stammtisch genommen. «Komm, wir machen ein Foto zusammen», sagte Dieth am Schluss des Gesprächs an diesem Tisch zu ihr. Christine Balmer hat eine Jacke an, auf der Kanton Aargau steht. «Ich absolviere ein kaufmännisches Praktikum beim Departement Bildung, Kultur und Sport.» Also auch in Aarau. So weit kann das doch gar nicht entfernt sein.