«Jede Region hat ihre Vorzüge»
23.01.2024 Abtwil, Region OberfreiamtLandammann: Start im Freiamt
Er nimmt die Gespräche am Stammtisch wieder auf. Landammann Markus Dieth (Mitte) will damit die Menschen und ihre Probleme spüren. Start ist am Mittwoch in Abtwil. Eine gute Gelegenheit, Fragen zu stellen.
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Landammann: Start im Freiamt
Er nimmt die Gespräche am Stammtisch wieder auf. Landammann Markus Dieth (Mitte) will damit die Menschen und ihre Probleme spüren. Start ist am Mittwoch in Abtwil. Eine gute Gelegenheit, Fragen zu stellen.
Interview mit Markus Dieth (Mitte) vor seinem ersten Landammann-Gespräch im Freiamt
Er will den Puls der Menschen fühlen. Darum führt Markus Dieth die Landammann-Gespräche. Er startet morgen Mittwoch in Abtwil. Als Finanzdirektor steht er zudem in einem engen Kontakt mit den Gemeinden. «Die Gemeinden sind gefordert, ihre Finanzplanung sorgfältig zu gestalten», sagt er.
Daniel Marti
Sie nehmen die Landammann-Gespräche wieder auf. Ihr Vorgänger Jean-Pierre Gallati liess sie aus. Was versprechen Sie sich davon?
Markus Dieth: Der direkte Kontakt zu den Menschen ist für uns Politiker ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit. Die Landammann-Gespräche sind eine hervorragende Möglichkeit, die es mir ermöglicht, den Puls und die Stimmung bei den Menschen im Aargau zu spüren und ihre Bedürfnisse und Anliegen zu hören. Ich möchte die Gespräche mit den Aargauerinnen und Aargauern aber auch nutzen, um die Arbeit und die Standpunkte der Aargauer Regierung zu erklären und zu diskutieren. Ich freue mich auf angeregte Gespräche in den elf Aargauer Bezirken.
Sie starten in Abtwil ganz oben im Oberfreiamt. Im Oberfreiamt schauen die Menschen eher nach Zug oder Luzern anstatt in die Aargauer Hauptstadt. Was geben Sie den Menschen auf den Weg, damit der Bezug zu Aarau stärker wird?
2020 musste der Landammann-Stammtisch in Abtwil wegen Corona leider abgesagt werden. Damals habe ich versprochen, dass wir den Landammann-Stammtisch im «Weissen Kreuz» in Abtwil in vier Jahren nachholen. Versprochen ist versprochen. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Die Menschen orientieren sich oft an dem, was in der Nähe liegt. Darum besuche ich auf meiner Landammann-Runde gerne auch Regionen, die etwas weiter weg von unserer Kantonshauptstadt sind. Denn auch sie gehören zu unserem Kanton und tragen mit ihren Eigenheiten zur Gesamtheit des Aargaus bei. Wir als Aargauer Regierung kümmern uns um alle Regionen gleichermassen. Umgekehrt empfehle ich allen Aargauerinnen und Aargauern einen Besuch von Aarau. Hier wird nicht nur Politik für den Kanton gemacht, sondern es gibt zum Beispiel auch eine schöne Altstadt zu sehen mit einem wunderbaren Wochenmarkt immer am Samstag.
Allgemein kommt sich das Freiamt, der südliche Kantonszipfel, im Gegensatz zum Speckgürtel eher benachteiligt vor. Können Sie das nachvollziehen?
Jede Region im Kanton Aargau hat ihre Vorzüge und ihre Herausforderungen. Je nach geografischer Lage in unterschiedlicher Ausprägung. Das Gefühl des Sich-benachteiligt-Fühlens ist immer eine Frage des Standpunktes und der Erwartungen. Das Freiamt hat eine unglaublich schöne Natur und mit der Klosterkirche Muri einen immensen Kulturschatz. Die Lebensqualität im Freiamt erachte ich als hoch.
Sind denn die Erwartungen im Freiamt an den Regierungsrat allenfalls zu hoch …?
Erwartungen an den Regierungsrat dürfen hoch sein. Die Frage, die sich stellt, ist jedoch, wie realistisch die Erwartungen sind, die an die Aargauer Regierung gestellt werden. In den Kantonen und auch in der Schweiz können Regierungen nicht einfach schalten und walten, wie es ihnen passt. Dank den weltweit einzigartigen politischen Rechten in unserem Land können sich Menschen und Regionen direkt einbringen. Wer nur Erwartungen hat, wird enttäuscht werden, wer sich für seine Erwartungen engagiert, wird belohnt werden.
Sie waren bereits 2020 Landammann. Wie haben Sie dieses Jahr in Erinnerung, und was werden Sie nun für 2024 allenfalls ändern oder verbessern?
Es war das erste Coronajahr. Viele Auftritte und Anlässe mussten abgesagt werden. Für den Landammann-Stammtisch hat es betreffend der Teilnehmenden Restriktionen gegeben. So ist mir mein erstes Landammannjahr in spezieller Erinnerung. Man kann damals und heute kaum vergleichen. Es wird ein intensives Jahr mit vielen Begegnungen werden. Darauf freue ich mich.
Zweimal Landammann innert fünf Jahren. Ist das nur Routine oder noch etwas Besonderes?
Der Landammann präsidiert die Kantonsregierung. So heisst dieses Amt in anderen Kantonen «Regierungspräsident». Das bringt viel Verantwortung mit sich und auch Aufgaben, die nicht öffentlich sichtbar sind. Ich möchte nicht von Routine sprechen, das würde dem Amt nicht gerecht werden. Auch dieses Jahr wird wieder etwas Besonderes sein.
Im vergangenen Jahr war Jean-Pierre Gallati Landammann, Sie waren Landstatthalter. Uns Freiämtern können Sie es ja verraten: Was hat Ihr Vorgänger gut gemacht und bei welchen Punkten müssen Sie ihn kritisieren?
Jeder Landammann hat seinen eigenen Stil und führt das Amt nach bestem Wissen und Gewissen aus. Das hat auch mein Vorgänger so gemacht. Jean-Pierre Gallati hat auch sehr viele Termine wahrgenommen und die Regierungssitzungen straff geführt.
Es gab im Jahr 2023 einen speziellen Moment: Sie wurden als Major Markus Dieth aus der Militärpflicht entlassen, notabene von Landammann Gallati. Wie werden Sie diesen Moment in Erinnerung behalten?
Die Entlassung aus der Militärpflicht ist etwas sehr Spezielles. Dass ich von meinem Regierungsratskollegen verabschiedet wurde, machte es bei mir noch spezieller und auch einzigartig. Es kommt sicher selten vor, dass ein Landammann seinen Landstatthalter aus der Armee entlässt. Als Major und ehemaliger Kdt der Flab Lwf Bttr I/12 habe ich unzählige schöne Momente in Erinnerung. Die Entlassung zählt definitiv auch dazu.
Welche drei wichtigsten Ziele setzen Sie für 2024 als Landammann?
Ich will den Kanton Aargau als starken Wohn- und Wirtschaftsstandort gegen aussen und innen vertreten. Ferner will ich auch eine effiziente Sitzungs- und Geschäftsführung im Regierungsrat mit spannenden Klausuren, die auch das Denken out of the box zulassen. Und letztlich will ich den Austausch mit der Bevölkerung aktiv pflegen.
Als Aargauer Finanzminister sind Sie Experte: Wie gut geht es dem Kanton Aargau finanziell?
Der Kanton Aargau verfügt heute über eine solide finanzielle Basis. Diese erlaubt es uns, uns den aktuellen und den kommenden Herausforderungen zu stellen und gleichzeitig in unsere Zukunft zu investieren – beispielsweise mit dem Programm «Aargau 2030 – Stärkung Wohn- und Wirtschaftsstandort». In den letzten sechs Jahren konnten wir unseren Kantonshaushalt sanieren, haben Überschüsse erwirtschaftet und damit nicht nur unsere Schulden in Höhe von insgesamt 1,4 Milliarden Franken getilgt, sondern auch eine Reserve von über 800 Millionen Franken aufgebaut. Als Finanzdirektor setze ich mich für einen weiterhin sparsamen und auf die Dauer ausgeglichenen Finanzhaushalt ein. Solange eingeplante Fehlbeträge im Aufgaben- und Finanzplan mit den Mitteln der Ausgleichsreserve aufgefangen werden können, sollten wir keine überhasteten Massnahmen ergreifen, die sich nachteilig auf die Bevölkerung oder die Wirtschaft auswirken würden. Wenn wir aber in der rollenden Planung feststellen, dass dieses Ziel nicht mehr erreichbar ist, müssen wir handeln.
Spüren Sie auch, wenn es Aargauer Gemeinden finanziell nicht gut geht?
Als Finanzdirektor stehe ich sehr stark im Austausch mit den Gemeinden. Auch meine Abteilungen Steuern und Finanzen stehen im regen Kontakt mit den Gemeinden. Der Kanton und die Gemeinden ziehen an einem Strang – nur gemeinsam können wir für attraktive Rahmenbedingungen für die Menschen und Unternehmen im Aargau sorgen.
Diverse Gemeinden müssen den Steuerfuss erhöhen oder stellen das für nächstes Jahr in Aussicht oder es werden defizitäre Budgets bewilligt. In einer Zeit, wo alles teurer wird, ist das kein gutes Zeichen. Wie beurteilen Sie das?
Die Gemeinden im Aargau verfügen über Steuerautonomie. Das ermöglicht es den Gemeinden, ihre Steuerfüsse an ihre Bedürfnisse und Möglichkeiten anzupassen. Viele Gemeinden im Aargau sind in den letzten Jahren gewachsen, auch wegen attraktiver Steuerfüsse. Damit steigt auch der Bedarf an neuen Diensten und Investitionen. Kindergärten, Schulen, andere Infrastruktur muss erweitert oder erneuert werden. Die Gemeinden sind gefordert, ihre Finanzplanung sorgfältig zu gestalten, um die Qualität ihrer Infrastruktur und ihres Angebots zu sichern. Sie können dabei auf die Unterstützung des Kantons zählen und in finanzieller Hinsicht auf den kantonalen Finanzausgleich.
Überall steigen die Preise oder Kosten (Krankenkasse, Mobilität, Mieten, Energie wie Gas und Strom, Lebenskosten generell, Steuern). Längst nicht alle Branchen zahlen ihren Mitarbeitenden den Teuerungsausgleich. Es gibt Menschen, die können ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen. Was raten Sie diesen Menschen?
Die Ängste und Befürchtungen der Menschen kann ich verstehen. Wichtig ist mir zu betonen, dass wir als Gesellschaft niemanden allein lassen. Es gibt Wege zu Hilfe und Unterstützung. Ganz wichtig ist, dass man Unterstützung wie zum Beispiel die Krankenkassenprämienverbilligung auch beantragt und beansprucht, wenn es nötig ist. Dafür sind solche Gefässe da.
Sie betonen immer wieder: «Der Mensch steht im Mittelpunkt.» Wie werden Sie in Ihrem Landammannjahr genau diesem Aspekt gerecht?
Ob ich diesem Aspekt gerecht werde, müssen wir am Ende des Jahres beurteilen. Ich glaube jedoch daran und habe mein Landammannjahr auch nach diesem Grundsatz geplant. Elf Landammann-Stammtische werden wir durchführen und ich werde an weiteren Auftritten nahbar sein. Die Menschen im Aargau stehen dieses Jahr für mich wirklich im Mittelpunkt. Es fällt mir auch leicht, weil ich die Menschen gernhabe.
Zurück zu Ihrem Start mit dem Landammann-Stammtisch im Freiamt. Gibt es einen speziellen Aspekt, den Sie am Freiamt sehr schätzen?
Mir gefallen die schönen Landschaften, die bodenständige Art im Freiamt und auch der Blick auf die wunderschöne Schweizer Bergwelt. Dann aber natürlich auch die diversen kulturellen Perlen im Freiamt, wie zum Beispiel das Kloster Muri und die schöne historische Altstadt Bremgarten.
Der erste Landammann-Stammtisch findet am Mittwoch, 24. Januar, 19 bis 22 Uhr im Gasthof zum Weissen Kreuz in Abtwil statt. Am Mittwoch, 14. August, ist Markus Dieth von 19 bis 22 Uhr in der Brauerei Erusbacher & Paul, Villmergen.