Beratung ohne Vorwürfe
20.10.2023 Hermetschwil-Staffeln, Gesundheit, Region Wohlen, Region Bremgarten, Region Oberfreiamt, Region UnterfreiamtPsychische Gesundheit: Seit drei Jahren hilft «Never Walk Alone» in Hermetschwil-Staffeln jungen Erwachsenen
Die Zeit zwischen 18 und 25 Jahren ist für viele Personen mit viel Unsicherheit und unzähligen Fragen verbunden. Wer dabei nicht mit seinen ...
Psychische Gesundheit: Seit drei Jahren hilft «Never Walk Alone» in Hermetschwil-Staffeln jungen Erwachsenen
Die Zeit zwischen 18 und 25 Jahren ist für viele Personen mit viel Unsicherheit und unzähligen Fragen verbunden. Wer dabei nicht mit seinen Eltern reden kann oder will, findet bei den beiden Bremgarterinnen Barbara Käppeli und Monika Jenni und ihrem «Never Walk Alone» offene Ohren.
Roger Wetli
«Ich kann hier etwas fragen, ohne zusammen mit der Antwort auch einen Vorwurf zu erhalten», das ist laut Monika Jenni und Barbara Käppeli von «Never Walk Alone» eine sehr häufige Rückmeldung zu ihren Beratungen. Käppeli unterstreicht: «Fragen die jungen Erwachsenen ihre Eltern nach Rat, schwebt bei deren Tipps oft eine Erwartungshaltung mit. Den Teil, dass sie jemanden enttäuschen können, gibt es bei unseren Beratungen nicht.» Ihr Gratisangebot richtet sich an junge Erwachsene zwischen 18 und 25 Jahren. «Wir konzentrieren uns bei den Antworten explizit auf das, was gefragt wird. Weitere Fragen ergeben sich durch unsere Klienten oft automatisch», so Jenni. Seit drei Jahren gibt es ihr Angebot, das im Aargau in dieser Form einmalig ist.
Fragen, wenn es kracht
Ihre Klienten stammen oft aus vorbelasteten Familien, die kein behütetes Zuhause bieten. «Oft gibt es dort starke Konflikte. Zudem ist dieses Alter von einem Prozess der Ablösung von den Eltern geprägt. Dieser ist für beide Seiten schwierig und mit vielen Fragen verbunden», weiss Monika Jenni. «Viele Unsicherheiten betreffen den Umzug weg von zu Hause. Wie finde ich eine eigene Wohnung? Was kostet diese? Kann ich mir das leisten? Was muss ich für Nebenkosten für Wasser, Strom und Versicherung monatlich auf die Seite legen? Und viele plagen Geldnöte.»
Immer wieder würden sie auch kontaktiert, wenn es zu Hause kracht und die jungen Erwachsenen plötzlich vor die Tür gestellt werden oder selber das Weite suchen, ohne bereits ein gesichertes Dach über dem Kopf zu haben. «Da beraten wir schon mal auch spätabends oder am Wochenende. Es gibt bei uns keine Bürozeiten. Wir helfen dann, wenn wir gebraucht werden», so Barbara Käppeli. «Entscheidend für eine erfolgreiche Beratung dieser Altersgruppe ist ein möglichst schwellen- freies Angebot. Man braucht bei uns keine Formulare auszufüllen, sondern uns nur zu kontaktieren. Oft kennen wir nur die Vornamen und die Telefonnummer.» Auf Wunsch würden sie sich auch mit den Klienten persönlich treffen. Von den Personen, von denen sie den Wohnort kennen, wissen die beiden Frauen, dass ihre Beratung aus dem ganzen Kanton aufgesucht wird. «Manchmal genügt ein einmaliges Telefongespräch. Manche jungen Erwachsenen begleiten wir auch über einen längeren Zeitraum», erklärt Monika Jenni. Neben den Fragen zum Auszug von zu Hause stehen auch Konflikte am Arbeitsplatz, mit Kollegen oder gar der Verlust der Ausbildung oder der Arbeit im Zentrum der Beratungen. «Wir sehen uns als Brückenbauer und zeigen, an wen sich die jungen Erwachsenen wenden können», so Käppeli. «Denn manchmal braucht es für die Problemlösung die Hilfe von Fachpersonen.»
Grosses Verständnis
Beide Frauen fühlen sich zu diesen Beratungen berufen. «Ich kann mich noch gut erinnern, wie bei mir diese Übergangszeit verlief», ist sich Barbara Käppeli bewusst. «Ich handle nach dem Grundsatz, dass ich so lange an der Seite der Hilfesuchenden bin, wie sie das möchten.» Auch Monika Jenni sind diese Beratungen ein sehr wichtiges Anliegen. «Ich setzte mich ein für die Chancengleichheit junger Erwachsener in der autonomen Lebensführung.»
Beide wünschen sich, dass der Kanton dafür ein Grundangebot schafft oder, noch besser, der Bund die Kantone dazu verpflichtet. Bis Ende Dezember 2022 wäre das Projekt beendet gewesen, das der Verein St. Benedikt ins Leben gerufen hatte. Dann wurde es bis Ende Juni verlängert. «Wir sind froh, dass ‹Never Walk Alone› jetzt für die kommenden drei Jahre gesichert ist. Das ermöglicht uns, jungen Erwachsenen weiterhin in dieser schwierigen Lebensphase mit Rat beizustehen», sind beide Frauen dankbar.