Zu Besuch bei «Herrn Jäger»
31.03.2023 Boswil, Region OberfreiamtAm Jägertag verbrachten über 120 Kinder einen Morgen im Boswiler Wald
«Die Kinder sollen wissen, dass es Jäger gibt und warum es sie gibt», sagt Roland Koch von der Jagdgesellschaft Boswil. Darum organisiert diese regelmässig einen ...
Am Jägertag verbrachten über 120 Kinder einen Morgen im Boswiler Wald
«Die Kinder sollen wissen, dass es Jäger gibt und warum es sie gibt», sagt Roland Koch von der Jagdgesellschaft Boswil. Darum organisiert diese regelmässig einen Jägertag. Nun waren es ganze 126 Kinder von der dritten bis zur sechsten Klasse, die viel Interessantes über die Jagd erfuhren, aber auch kritische Fragen stellten.
Annemarie Keusch
Sie sind so wunderbar ehrlich. Und neugierig. Und sie haben keine Hemmungen, das zu fragen, was ihnen durch den Kopf geht. «Warum schiesst ihr überhaupt die schönen Tiere ab?», fragt ein Kind einen der Jäger. Dieser ist nicht überrumpelt, fühlt sich nicht angegriffen. «Eine gute Frage», sagt er und erklärt, dass beispielsweise kranke Tiere erlöst werden. Oder dass die Rehe hier keine natürlichen Feinde hätten, die den Bestand regulieren. «Darum übernehmen wir das.» Er verglich es mit der Situation auf einem Bauernhof. «Wenn jede Kuh pro Jahr ein Kalb gebärt, kann der Bauer nicht jedes Jahr Kuh und Kalb behalten. Sonst geht ihm der Platz im Stall aus. Ähnlich ist es bei uns im Wald.» Hundert Rehe leben im Revier der Jagdgesellschaft Boswil. «Jedes weibliche Tier hat pro Jahr ein oder zwei Kitze. Die können wir nicht alle am Leben lassen.»
Nur schon bei der Begrüssung zeigt sich, dass sich die über 120 Kinder der dritten bis sechsten Klasse vom mässigen Wetter und vom Aufstieg zu Fuss zum Boswiler Wald nicht entkräften liessen. «Hallo, Herr Jäger», schrie eines der Kinder so laut, dass es aus der Masse der grüssenden Kinder herausstach. Sie heissen zwar zum Nachnamen nicht Jäger, trotzdem ist es den Mitgliedern der Jagdgesellschaft wichtig, ihr Wirken im Wald den Kindern zu zeigen. «Sie sollen wissen, was ein Jäger macht, wofür er alles verantwortlich ist», sagt Roland Koch. Und die Kinder begrüsste er mit den Worten: «Heute gibt es ganz viel zu lernen.»
Jäger müssen auch die Schulbank drücken
An vier Posten brachten die Jäger den Kindern ihr Hobby, ihre Leidenschaft, ihre Faszination näher. Und die Schülerinnen und Schüler merkten, dass auch Jäger die Schulbank drücken müssen. Martin Keusch und André Luzio absolvieren aktuell die Jagdausbildung. «Uns geht es genau wie euch. Nur sind die Fächer etwas andere», erzählte Luzio. Waffenhandhabung, Wildtiermanagement und Jagdhundeeinführungskurs, beispielsweise. Wer Jäger werden wolle, müsse mindestens 18 Jahre alt sein und trotzdem schnellte die eine oder andere Hand in die Höhe, als gefragt wurde, wer Jägerin oder Jäger werden möchte.
Martin Keusch erzählte, wie im Mai jeweils junge Kitze vor dem Mähtod gerettet werden. Dies passiere mittlerweile auch mit dem Einsatz moderner Hilfsmittel, etwa mit Wärmebildkamera und Drohne. Und wie an jedem Posten hatten die Kinder ganz viele Fragen. Etwa, was sie tun sollen, wenn sie beim Spazieren ein Reh sehen in der Wiese. «Nicht anfassen», betonte Keusch. Kitze seien geruchsneutral und würden durch die Berührung den Geruch des Menschen annehmen und die Mutter würde sie verstossen.
Biber und Hirsch breiten sich aus
Die vielen Utensilien waren ebenfalls ein Thema. Peter Tröndle erzählte, dass das Horn dafür da sei, dass die Jäger untereinander kommunizieren können. «Wir können uns nicht zurufen, weil die Distanz zu weit ist, darum helfen Signale.» Zur Jagdausrüstung gehören natürlich auch die Flinte, ein Feldstecher und so weiter.
Die Kinder lernten aber auch alle Säugetiere und viele Vögel kennen, die im Revier der Boswiler Jagdgesellschaft leben. Etwa den Biber, der sich mehr und mehr an der Bünz ansiedelt, oder den Hirsch, der vermehrt auch in den Freiämter Wäldern lebt. Auch Luchs und Wolf gibts, diese ziehen aber nur selten durch das Freiamt. Die grösste Population an Waldtieren ist neben Fuchs, Dachs und Hase das Reh. Stephan Koch erläuterte den Kindern, warum die kleinen Rehkitze weiss gepunktet sind. «Das tarnt sie in den Wiesen und dadurch sind sie für Fressfeinde weniger gut aufspürbar.»
Und die Schülerinnen und Schüler lernten auch die treuen Begleiter der Jäger kennen: die Hunde. Josef Gugerli präsentierte, wie er mit viel Arbeit seinen Rocky dafür trainiert, dass er verletzte Tiere auffindet. «Wie wir das lehren? Dazu gibt es spezielle Schuhe, an denen Rehklauen befestigt sind. Mit diesen gehen wir durch den Wald, markieren alle rund zehn Meter mit einem Tropfen Rehblut und legen so eine Fährte.» Wie stark Rocky auf sein Herrchen fokussiert ist, das imponierte den Kindern bei verschiedenen Demonstrationen.
Sie sollen wissen, was die Jäger machen, wer im Wald lebt. «Dass der Hirsch nicht ein männliches Reh ist», nennt Roland Koch ein Beispiel. Darum gibt es den Jägertag. Und darum ist er bei Jägern und Schülerschaft gleichermassen beliebt.