Zu beschäftigt für Emotionen
11.11.2025 Muri, GewerbeEnde Jahr ist Schluss: Käppeli Mode Muri schliesst, eine über 70-jährige Geschichte endet
Umbauarbeiten im Gebäude. Keine Nachfolge. Und die Frage: «Wie lange wollen wir das noch?» Einfacher wurde es in der Textilbranche in den letzten Jahren ...
Ende Jahr ist Schluss: Käppeli Mode Muri schliesst, eine über 70-jährige Geschichte endet
Umbauarbeiten im Gebäude. Keine Nachfolge. Und die Frage: «Wie lange wollen wir das noch?» Einfacher wurde es in der Textilbranche in den letzten Jahren nicht. Per Ende Jahr zieht Benno Käppeli nun einen Schlussstrich. «Ohne Herzblut wäre das nie gegangen», sagt er rückblickend.
Annemarie Keusch
Umräumen. Im ganzen Laden. Denn schon bald startet der Räumungsverkauf. Ab dem 18. November soll möglichst alles weg, was im Laden und an Lager ist. «Was das mit mir macht? Noch nichts», sagt Benno Käppeli. Die Vorbereitungsarbeiten nehmen zu viel Raum ein, als dass er Gedanken an das nahende Ende überhaupt zulassen kann – oder will. Bewusst wird es ihm trotzdem. Denn die bevorstehende Schliessung ist unter der Kundschaft ein grosses Thema. «Es haben schon mehrere Leute geweint im Laden», sagt Käppeli. Und er? «Ich lasse es emotional noch nicht an mich heran.» Gross Gedanken an das Nachher macht er sich nicht. «Aber Angebote kamen bereits.» Als Store Manager für ein Bekleidungsgeschäft. Käppeli lacht. «Mit meinen 70 Jahren hätte ich das Alter für den Ruhestand doch langsam erreicht.» Mehr Zeit fürs Velofahren und für die Musik haben. In weniger als zwei Monaten ist es so weit. So nah, aber emotional doch noch so weit weg.
Der Entscheid zur Schliessung fiel schon vor Längerem. «Die Post plant, das Gebäude zu sanieren», erzählt Benno Käppeli. Mit Provisorium auf den Parkplätzen, mit Lärm, mit Emissionen. Das wollen er und seine Frau sich nicht mehr antun. Kommt hinzu, dass die Suche nach einer geeigneten Nachfolgelösung schwierig war. «Interessenten gab es immer wieder, aber konkret wurde es nie.» Käppeli hat Verständnis, spricht vom Risiko, das viel zu gross sei, und sagt: «Die Branche ist kaputt.» Seit der Pandemie sei es schwierig geworden, weil noch mehr Kundinnen und Kunden auf den Online-Einkauf umstiegen. «Ob das frustrierend ist? Natürlich. Vor allem, weil wir direkt neben der Post sind und jeden Tag sehen, wie viele Pakete ausgeliefert werden.»
«Musig» Merenschwand erste Kundin
Der Online-Handel ist nicht die einzige grosse Veränderung, die Käppeli miterlebt hat. «Aber die einschneidenste», sagt er. Schnelllebiger sei alles geworden. Natürlich auch die Mode. «Zweimal jährlich einkaufen, das ist längst Geschichte.» Immer wieder kommen neue Kollektionen, neue Trends. Vor allem bei den Damen, aber auch bei den Herren. «Und die Kundschaft ist nicht weniger anspruchsvoll geworden.» Einschätzen zu können, das sei enorm wichtig. «Nicht das Gespür für die Mode ist zentral, sondern das Gespür für die Kundschaft.» Zu wissen, was jemand braucht. Ihm oder ihr möglichst beim ersten Anlauf Passendes präsentieren. «Vor allem Männer wollen nicht sieben Hosen anprobieren, bis eine sitzt.» Hinzu kommt der Preisdruck. «Wenn jemand aus China eine Jacke für 15 Franken bestellt, dann habe ich viele Fragen. Nur schon ein Reissverschluss kostet eigentlich mehr.» 1950 wars, als Käppelis Vater Anton zusammen mit dessen Tante in Merenschwand eine Schneiderei gründete. «Uniformen für die Musikgesellschaft Merenschwand waren sein erster Auftrag», weiss Benno Käppeli. Nebenbei gab sein Vater Handorgel-Unterricht. Später folgte der Umzug nach Muri, neben das jetzige Café Stern, 1971 folgte der Wechsel an den jetzigen Standort. «Noch mit weniger Ladenfläche und nur mit Herren-Kleidung», erzählt Käppeli. 1981 und nach dem Aus des Waro-Lebensmittel-Ladens wurde der Laden grösser, das Sortiment um Damenbekleidung erweitert. Seither ist auch Benno Käppeli im Geschäft. «Es lag auf der Hand, dass ich in die Fussstapfen meines Vaters trete», sagt er. Direkt nach der KV-Lehre wechselte er in die Textilbranche, arbeitete in Genf, im Einkauf von Jelmoli. Was ihn an der Branche fasziniert? «Nichts ist konstant, alles wird immer wieder neu. Man muss der Zeit voraus einkaufen. Das macht es interessant.» Und natürlich der Umgang mit Kunden. «Da bin ich ein Naturtalent.» Nicht nur er, auch seine Frau Martha, die sich um das Damen-Sortiment kümmerte. «Überhaupt das ganze Team. Ohne sie wäre das nie so möglich gewesen.»
Viele schöne Begegnungen
Was es ebenfalls brauchte: Herzblut. Denn eben, einfacher wurde es in den letzten Jahren nicht. Aber Benno Käppeli verlor die Freude nie. Obwohl der Einkauf mittlerweile auf Glattbrugg konzentriert ist und der Besuch von Messen in Florenz, Düsseldorf und Köln nicht mehr dazu gehört. «Ich blicke mit lauter guten Gefühlen zurück. Das Negative vergisst man mit der Zeit», sagt er und lacht. Es sind Begegegnungen, die seinen Alltag ausmachen. Mit den Mitarbeitenden, mit der Kundschaft, mit anderen Leuten der Branche. «Es sind viele persönliche Beziehungen entstanden, weil wir viele Kundinnen und Kunden über Jahrzehnte begleiteten.» Beim Namen kenne er nicht alle. «Aber die Gesichter. Namen waren nie meine Stärke.» Geschichten könnte er viele erzählen. «Längst nicht alle sind für die Öffentlichkeit.» Einmal habe er einem Kunden eine spezielle Jacke präsentiert. Eine, die Benno Käppeli privat selbst auch besass. «Ich wollte sie ihm bestellen, aber er wollte unbedingt meine, obwohl ich sie bereits getragen habe. Natürlich habe ich sie ihm gegeben.»
Die Schwierigkeiten nahmen zu in den letzten Jahren. Das Verkaufsniveau vor Corona blieb nachher unerreicht. Ob die klassischen Kleiderläden eine Zukunft haben? Käppeli überlegt. «Langfristig wohl eher nicht mehr.» Das beunruhige ihn, stimme ihn traurig. Mit seinem kleinen Geschäft in Muri hat er viele Grosse überlebt: Schild, Vögele. «Es ist für alle schwierig. Die Kleider anfassen, sich beraten und inspirieren lassen, das alles ist vielen eben einfach nicht mehr wichtig.» Aber es ist gleichzeitig auch das, womit Käppeli immer punkten konnte. Daran wird sich auch in den letzten Wochen nichts ändern.

