Zahnfee in Huancarani
14.07.2023 Boswil, Region OberfreiamtSimone Widmer (Buttwil/Boswil) erlebte in Südamerika einen besonderen Auslandeinsatz
Sie wollte die Welt bereisen und etwas Gutes tun: Simone Widmer aus Buttwil landete in Bolivien. Die Dentalhygienikerin war Teil eines zahnmedizinischen Hilfsprojekts. «Oft ...
Simone Widmer (Buttwil/Boswil) erlebte in Südamerika einen besonderen Auslandeinsatz
Sie wollte die Welt bereisen und etwas Gutes tun: Simone Widmer aus Buttwil landete in Bolivien. Die Dentalhygienikerin war Teil eines zahnmedizinischen Hilfsprojekts. «Oft fühlte ich mich wie in einem Film», erzählt die 29-Jährige.
Stefan Sprenger
Sie spielte schon länger mit dem Gedanken. Doch jetzt hat sie ihn in die Tat umgesetzt. Simone Widmer, aufgewachsen in Boswil und heute in Buttwil zu Hause, wollte ins Ausland reisen und einen Volunteer-Einsatz leisten. Sie erzählt mit einem Lachen: «Mein Freund ist wegen seines Sports viel im Ausland, also wollte ich die Zeit nutzen und wollte ebenfalls weg.» Ihr Partner ist der internationale Greco-Ringer Marc Weber von der Ringerstaffel Freiamt.
Nicht mal Google Maps kennt den Ort genau
Auf der Suche nach einem spannenden Hilfsprojekt wurde sie schnell fündig. Sie arbeitet in einer Zahnarztpraxis in Obfelden als Dentalhygienikerin und suchte deshalb nach einem zahnmedizinischen Hilfsprojekt, wo sie ihre Fähigkeiten anbieten konnte. Um zusätzlich ihre Sprachkenntnisse zu erweitern, entschied sie sich für einen spanischsprachigen Ort. Ein Hilfsprojekt (aus Deutschland und der Schweiz) führte sie schliesslich nach Bolivien, einem der ärmsten Länder in Südamerika. Die unbekannte Reise endete in einem Dorf namens Huancarani – rund 300 Kilometer von der Hauptstadt Sucre entfernt. «Wenn man dieses Dorf googelt, merkt man schnell, dass selbst Google Maps diesen Ort nicht kennt.»
Ein Jahr lang plante Simone Widmer ihre Reise, packte ihre wenigen Spanischkenntnisse in ihren Rucksack und reiste vor wenigen Wochen nach Bolivien. «Wir waren ein fünfköpfiges Team, je eine Zahnärztin aus Norwegen und Deutschland, eine Zahntechnikerin aus Deutschland, meine Studienkollegin Sophie Wiedmer und ich.» In Huancarani befand sich die Zahnarztpraxis auf rund 3000 Metern über Meer. Die Praxis ist mit europäischem Standard eingerichtet. Das ganze Jahr über arbeiten dort freiwillige Helferinnen und Helfer für ein paar Wochen gegen Kost und Logis in ihren Ferien (oder nach ihrer Pensionierung).
Zahnfüllung kostet 1.30 Franken
Widmer betont, dass die Einrichtung und der Hygienestandard natürlich nicht vergleichbar sind mit denjenigen einer Standardpraxis in der Schweiz. «Aber doch ordentlich», wie sie meint. Das Hilfsprojekt ermöglicht allen Kindern eine Gratisbehandlung und die Erwachsenen können ebenfalls sehr günstige Behandlungen beziehen. Beispiel: Eine Zahnreinigung oder eine Füllung kostet umgerechnet 1.30 Franken. «Die Patienten reisen oft von weither an. Terminvereinbarungen kennen sie nicht, sie warten geduldig vor dem Eingangstor und stellen sich in die Warteschlange», erzählt Widmer.
Nebst ihrem Einsatz in der Praxis besuchten Widmer und ihre Studienkollegin auch die umliegenden Schulen und versuchten, die Kinder spielerisch über die Ernährung und die Mundgesundheit aufzuklären. «Denn die meisten Kinder haben ein Gebiss voller Karies und Abszesse.» Mit den 250 aus der Schweiz mitgebrachten Zahnbürsten und Zahnpasta übte Widmer mit den Schulkindern das Zähneputzen. «Die Kinder kamen jeweils angerannt, fassten uns an, schauten verwundert unsere Hautfarbe an und fragten uns immer wieder, wieso wir so aussehen.»
Nicht alles war positiv
All die Begegnungen mit den Einheimischen waren herzlich und emotional «und die Patienten, die wir behandeln durften, waren sehr dankbar», erzählt Widmer, die seit Jahren die Jugendgruppe Youngsters des Team Aerobics Boswil leitet. Die sportbegeisterte Frau erlebte eine sehr eindrückliche Zeit.
Doch nicht alles war positiv. «Vieles stimmte mich nachdenklich.» Die Armut so nahe mitzuerleben, war prägend. «Auch die Kinder, die man am Strassenrand arbeiten sieht, die ungesunde Ernährung, der ganze herumliegende Abfall und all die kranken Tiere beschäftigten mich. Und nicht zuletzt die vielen traurigen Geschichten von den lieben Menschen, die wir vor Ort kennenlernen durften.» Simone Widmer erlebte eine eindrückliche Reise, erlebte herzerwärmende Begegnungen und die Armut hautnah. Sie sagt: «Oft fühlte ich mich wie in einem Dokumentarfilm.» Es sei «unmöglich, all diese Erlebnisse zusammenzufassen».
Was sie mit Bestimmtheit weiss: Es war die richtige Entscheidung. Und wenn ihr Ringerfreund wie in der Vergangenheit auch in Zukunft weiterhin so oft für seinen Sport unterwegs ist, dann könnte sich Simone Widmer erneut solch ein Abenteuer vorstellen.