Wie weiter mit dem Reusstal-Reis?
03.05.2024 Kelleramt, OberlunkhofenFür das innovative Projekt steht eine richtungsweisende Saison an
In der vierten Saison bewirtschaften Michael Rüttimann und Claudia Stohler ihr Reisfeld in Oberlunkhofen. Aktuell spriessen die Pflänzchen im Treibhaus, in drei Wochen werden sie verpflanzt. ...
Für das innovative Projekt steht eine richtungsweisende Saison an
In der vierten Saison bewirtschaften Michael Rüttimann und Claudia Stohler ihr Reisfeld in Oberlunkhofen. Aktuell spriessen die Pflänzchen im Treibhaus, in drei Wochen werden sie verpflanzt.
Thomas Stöckli
In knapp drei Wochen wird Oberlunkhofen wieder Reis wachsen. Die Pflanzen gehen dann als gut zehn Zentimeter grosse Setzlinge in den Boden. Im ersten Jahr habe man noch direkt auf dem Feld ausgesät, blicken Michael Rüttimann und Claudia Stohler vom Mattenhof in Jonen, die das Reisfeld in Oberlunkhofen bewirtschaften, auf 2021 zurück. Damals musste es schnell gehen. Über einen Bekannten haben sie erfahren, dass für ein innovatives Pilotprojekt zwischen Landwirtschaft und Naturschutz noch Felder gesucht werden. Felder, die komplett flach sind, die intensiv bewässert werden können und die über einen lehmigen Boden verfügen.
Anzucht im Treibhaus
Vom Reisanbau versprach man sich beim Kanton einen hohen Synergieeffekt für die Artenvielfalt: So entwickeln sich beispielsweise seltene Libellen oder Amphibien im Reisfeld und wandern vor der Ernte in die umgebenden Schutzgebiete weiter, respektive zurück. Das Feld dient zudem Ringelnattern und Brutvogelarten wie Kiebitz, Flussuferläufer und Flussregenpfeifer als Rückzugsgebiet. In der Landwirtschaftsbranche herrscht noch Skepsis zur neuen Kultur und ihrem sehr ökologischen Ansatz. Für den Joner Landwirt gab schliesslich den Ausschlag, dass er sich ein abgelegenes, für den Gemüsebau nicht ideales Stück Land als Ökofläche anrechnen lassen und sogar noch etwas darauf produzieren konnte.
Seit dem zweiten Anbaujahr spriessen die Jungpflanzen unter idealen Bedingungen auf Anzuchtplatten mit Komposterde im Treibhaus der Vetterli Schnittblumen AG, bis sie nach rund vier Wochen ins Feld umgesetzt werden. Für diesen Arbeitsschritt haben die sechs Bauern der Interessengemeinschaft (IG) Aargauer Reis gemeinsam eine Nassreis-Pflanzmaschine angeschafft. Mit dem Wasserfahrzeug lasse sich sein Feld in zwei, drei Stunden bepflanzen, berichtet Michael Rüttimann.
Hirse und Schilf als Konkurrenz
Mit dieser «Vorkultivierung» habe man gute Erfahrungen gemacht, sagt Rüttimann. Einerseits gewinne man so wichtige vier Wochen an Vegetationszeit, die der vollständigen Ausreifung dienen, andererseits erhalten die Reispflänzchen auch einen Wachstumsvorsprung gegenüber den Unkräutern, die mit ihnen um Nährstoffe und Licht konkurrieren. «Der grösste Feind ist die Hirse», sagt der Landwirt. Wie das Schilf, das aus den angrenzenden Naturschutzgebieten drückt, gedeiht sie auch im seichten Wasser.
Das Feuchtigkeitsmanagement ist denn auch eine der grössten Herausforderungen im Reisanbau. Wenn es nicht regnet, führt Rüttimann seinem Feld in der Vegetationszeit konstant Wasser zu. Bis zu 200 Kubikmeter pro Woche dürften es sein für die Fläche von anderthalb Fussballplätzen. «Für eine gleich grosse Gemüsekultur wäre das etwa ein Jahresverbrauch», ordnet er ein. Ins Reisfeld kommt allerdings kein Trinkwasser, sondern Nass aus der Drainage. Also Wasser, das von der Reuss ins angrenzende Land drückt und dem Fluss sonst wieder zurückgeführt würde.
Barfuss durchs Wasser
Nebst dem Wassermanagement gibt im Sommer das Jäten viel Arbeit. «Wir machen das manuell», sagt der Joner Bauer und führt aus: «Wir gehen barfuss durchs Wasser und reissen das Unkraut aus.» Das habe fast schon etwas Meditatives, beschreibt er. Anfang August steht das Reisfeld dann in Blüte. Nun entscheidet sich, ob die Ernte etwas wird oder nicht. «Letztes Jahr waren in dieser Zeit die Temperaturen sehr tief», blickt Rüttimann zurück. Das habe sich in der ganzen Deutschschweiz auf die Reisernte ausgewirkt.
In Oberlunkhofen kam ein starker Unkrautdruck dazu, sodass die Erntemenge, gemessen am Vorjahr, um rund 90 Prozent einbrach.
Geerntet wird schliesslich effizient mit dem herkömmlichen Mähdrescher. Die neuen Maschinen seien für den Weltmarkt programmiert und entsprechend auch für Reis geeignet. Anschliessend werden die Körner geschliffen und schliesslich verpackt. Dabei helfen viele aus dem Dorf mit. «Halb Oberlunkhofen schaut aufs Reisfeld und beobachtet das Leben, das sich darin tummelt», stellt Rüttimann fest. Und das Engagement wird wertgeschätzt: «Für die Milch sagt dir niemand Danke, aber für den Reis erhalten wir teils lange E-Mails», sagt Claudia Stohler.
Begehrtes Produkt
Nach einem durchschnittlichen, einem starken und einem schlechten Jahr startet der Mattenhof ins vierte Jahr der Reisproduktion. Ein Jahr, das wegweisend werden dürfte, wie es mit dem Reisanbau in Oberlunkhofen weitergeht. Von einem Ausbau über weiter wie bisher bis zu einem Rückzug scheint alles denkbar. Denn letztlich muss bei allem Enthusiasmus auch die Wirtschaftlichkeit stimmen. An der Nachfrage wird es nicht scheitern: «Der Reis wird uns richtiggehend aus den Fingern gerissen», sagt Michael Rüttimann: «Wir sind schon mehr als ein Jahr im Voraus ausverkauft.» Zu den Abnehmern gehören auch Sterneköche aus Nobelorten. Sie schätzen unter anderem die feine Konsistenz des Aargauer Reises. Und natürlich spielt auch der Lokalpatriotismus eine Rolle: Das örtliche Risotto ist gefragt für Geschenke mit Ortsbezug.