Wenn Minuten ewig wirken
29.08.2023 Region Unterfreiamt, MeisterschwandenGrosse Seerettungsübung auf dem Hallwilersee mit vielen Beteiligten
Eine Kollision zwischen einem Kursschiff und einem Sportboot: Es ist ein Ereignis, das es zum Glück auf dem Hallwilersee noch nie gab. Aber das eben nicht unmöglich ist. Was dann zu tun ...
Grosse Seerettungsübung auf dem Hallwilersee mit vielen Beteiligten
Eine Kollision zwischen einem Kursschiff und einem Sportboot: Es ist ein Ereignis, das es zum Glück auf dem Hallwilersee noch nie gab. Aber das eben nicht unmöglich ist. Was dann zu tun ist, übten die verschiedenen Rettungsorganisationen am letzten Samstag.
Chregi Hansen
Wer an diesem Vormittag auf oder am See unterwegs war, der dürfte sich gewundert haben. Hilferufe waren aus der Ferne zu hören, aus einem Boot stieg dichter Rauch in den Himmel, Polizei und Feuerwehr rasten auf Booten mit Blaulicht übers Wasser, eine Helikopter näherte sich vom Lindenberg. Viel Action also, und das mitten auf dem See.
Zum Glück war alles nur gespielt. Zum ersten Mal seit 2016 luden der Seerettungsdienst und die Schifffahrtsgesellschaft Hallwilersee wieder zu einer grossen Übung ein. «Wir haben hier eine spezielle Situation. Die Seerettung ist auf privater Basis organisiert», erklärt Ueli Haller, der Geschäftsleiter der Schifffahrtsgesellschaft. Unter der Woche übernehmen die Bootswerft Männich, die Schifffahrtsgesellschaft und Berufsfischer Ernst Fischer den Pikettdienst, wobei die Werft den Lead hat. Am Wochenende sind es Mitglieder des Motorbootclubs Hallwilersee, die sich freiwillig zur Verfügung stellen. «Es kommt zum Glück aber nur zu wenig Zwischenfällen», erklärt Michael Männich, der Inhaber der Bootswerft.
Anlegen ist gefährlichste Situation
Dass immer etwas passieren kann, zeigt ein Beispiel aus dem Kanton Zürich, wo vor sieben Jahren ein Kursschiff ungebremst in einen Steg fuhr – 24 Menschen wurden dabei verletzt. «Dass die Steuerung blockiert, ist auch unsere grösste Angst», sagt Ueli Haller. Und Bruno Fischer, der an diesem Tag das Kursschiff steuert, gibt zu, dass das Anlegen immer der heikelste Moment ist. «Vor allem an schönen Sommertagen, wenn es viele Menschen an und in den See zieht», sagt er. «Wir können eben nicht so schnell ausweichen.»
Spektakuläre Rettung per Helikopter
An diesem Tag aber wird ein anderes Szenario geübt. Ein Motorboot mit offensichtlich betrunkenen Passagieren kreist unter Gejohle und viel zu schnell um das Kursschiff – und kollidiert mit ihm. Eine Frau wird ins Wasser geschleudert und gilt als vermisst, die anderen drei erleiden schwere Verletzungen, zudem fängt das Boot Feuer und es läuft Öl aus. Auch unter den Passagieren auf dem Kursschiff gibt es einige Leichtverletzte. Sofort ruft Ueli Haller die Notrufnummer an – und von da an heisst es warten und bangen. «Wir sind hier mitten auf dem See. Es braucht einige Zeit, bis Hilfe hier ist», macht Haller deutlich.
Aufgeboten werden viele Rettungsorganisationen. Die Seerettung ist als Erste vor Ort und leistet erste Hilfe. Der Wohler Rettungsdienst Neeser, der für einen Teil des Sees verantwortlich ist, wird mit einem anderen Boot der Seerettung zur Unfallstelle gefahren und nimmt dort eine erste Triage vor – in Etappen werden die Schwerverletzten zum Kursschiff gebracht, dort einer Erstbehandlung unterzogen und dann an Land gefahren. Die Mitarbeitenden des Kursschiffs versorgen inzwischen die Leichtverletzten. Nach und nach kommen weitere Schiffe dazu. Erst die Gewässerpolizei – die Kantonspolizei verfügt für solche Einsätze über ein Boot. Dann die Feuerwehren Aarau und Wettingen, die den Brand bekämpfen und eine Ölwehr erstellen. Und weil eine Frau noch immer vermisst wird, kommt auch der Helikopter der Lions Air Group, besser bekannt als AAA Alpine Air Ambulance zum Einsatz, der die Ertrinkende sichtet und spektakulär per Seilwinde rettet. «Wir haben das schon trainiert, aber noch nie an einer solchen Übung. Das war auch für uns eine Premiere», erklärt an der Besprechung Jörg Fleischmann, der Chef der Lions Air Group. Genau für solche Aktionen habe man zuletzt spezielles Material entwickelt.
Kommunikation muss noch verbessert werden
Insgesamt ziehen die Verantwortlichen nach der Übung ein positives Fazit. «Es sind so viele Organisationen beteiligt. Es ist wichtig, dass das Zusammenspiel klappt», sagt Ueli Haller. Das Allerwichtigste sei in diesem Moment, dass alle Personen geborgen und die Verletzten versorgt werden. «Und das hat tadellos geklappt», so Haller weiter. Auch die Kommandanten der verschiedenen Einheiten sind mehrheitlich zufrieden. Einzig die Kommunikation war nicht optimal, wie Feuerwehrkommandant David Bürge zugab. «Wir setzen bei einem solchen Fall eine Drohne ein. Es bestand aber kein Kontakt zum Piloten des Helikopters. Dadurch besteht die Gefahr, dass Heli und Drohne kollidieren», machte er deutlich. Hier müsse man über die Bücher und sich verbessern, so der Kommandant.
Verletzte sind in guten Händen
Letztlich profitierten die Rettungskräfte davon, dass die Übung an einem trüben Vormittag stattfand. «Wenn sich ein solcher Unfall an einem schönen Sonntag im Sommer ereignet, dann ist der See voller Menschen und Boote. Dann wird das Ganze viel anspruchsvoller», ist sich Ueli Haller bewusst. Letztlich aber habe sich gezeigt, dass das Rettungskonzept funktioniert. «Wir haben hier einen sehr kleinen See und die Rettung ist primär im Milizsystem organisiert. Aber trotzdem haben wir die Sicherheit, dass in einem Ernstfall alle in guten Händen sind», stellt Haller zum Schluss zufrieden fest. Und dass eben immer etwas passieren kann, haben die Teilnehmer der Übung hautnah miterlebt. Noch während der Besprechung hob der Helikopter wieder ab. Zu einem weiteren Einsatz. Zum Glück diesmal nicht auf dem See.