Welterbe vor der Haustür
22.09.2023 Region UnterfreiamtPfahlbauhaus im Naherholungsgebiet Hallwilersee gewährt Einblick in das frühere Leben
Der Wohler Fabian Furter empfiehlt in seinem Projekt «Zeitgeschichte Aargau» einen Besuch der Pfahlbauten am Hallwilersee. Auf der Halbinsel Seengen-Riesi lag in der ...
Pfahlbauhaus im Naherholungsgebiet Hallwilersee gewährt Einblick in das frühere Leben
Der Wohler Fabian Furter empfiehlt in seinem Projekt «Zeitgeschichte Aargau» einen Besuch der Pfahlbauten am Hallwilersee. Auf der Halbinsel Seengen-Riesi lag in der späten Bronzezeit ein Dorf. Seine Überreste sind ein Teil des Unesco-Welterbes «Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen». Ein Augenschein.
Monica Rast
Der Weg entlang der Naturschutzzone führt zum Frauen- und Männerbad in Seengen. Ein Stück idyllische Natur, die sowohl von Badegästen, Paddlern und Spaziergängern gerne besucht wird. Was heute zur Erholung genutzt wird, war früher die Heimat einfacher Bauernfamilien. Ein rekonstruiertes Pfahlbauhaus, ein paar Meter weiter, erzählt ihre Geschichte und lässt erahnen, wie das Leben 5000 bis 500 Jahre vor Christus ausgesehen haben könnte. Das Haus orientiert sich an den archäologischen Funden wie den hervorragend erhaltenen Holzkonstruktionen und Unterbauten in Blockbauweise. Ein solcher stützt den Boden des heutigen Pfahlbauhauses und würde die Bewohner vor Hochwasser schützen. Das Dach ist mit Schindeln bedeckt, die Wände mit Lehm verstärkt und eine Holztür schliesst das Haus ab.
Einzigartiger Fund
Auf der Halbinsel Riesi lebten zwischen 1050 und 850 vor Christus bronzezeitliche Bauern. Ihre Häuser errichteten sie auf unsicherem Grund nahe dem Wasser. Der sumpfige Boden war so weich, dass die Häuser schon nach wenigen Jahren versanken und unbewohnbar wurden. Über den Resten wurde neu gebaut, was für die Archäologie ein Glücksfall ist. Die Hölzer solcher Feuchtbo den-Siedlungen bleiben erhalten, wenn sie dauerhaft unter dem Wasser liegen. Über 1,50 Meter dick war die Schicht aus Bauresten und Abfäl len, als die Seeufersiedlung vor fast 2900 Jahren endgültig aufgegeben wurde.
Schon 1923 führte die Historische Vereinigung Seengen auf der Riesi, mit der Vermutung, eine «Pfahlbaute» zu finden, archäologische Ausgrabungen durch. Bereits die ersten Funde liessen die Forscher vermuten, dass es sich dabei um eine Siedlung aus der Spätbronzezeit handeln könnte. Bei der Schichtabfolge wurden verschiedene Bauphasen auf einer Fläche von über 4000 Quadratmetern erkannt. Die Siedlung war von einem Steinwall umgeben. In Seengen handelt es sich nicht um einen Pfahlbau im eigentlichen Sinne, sondern um einen richtigen Moorbau.
In der Mitte der damaligen Siedlung wurde ein Gebäude von 6,3 x 4,4 Metern Grundriss freigelegt. Es war der erste bronzezeitliche Grundriss, der in der Schweiz entdeckt wurde. Der Fussboden ruhte auf einer Unterkonstruktion aus Balken. Die Wände bestanden aus Flechtwerk und Lehm. Dabei fand man noch Reste älterer Häuser, die mit anderen Bautechni ken errichtet wurden. Nur etwa zwei Prozent der gesamten Siedlungsf lä che auf der Halbinsel wurde archäologisch ausgegraben. Da der Hallwi lersee nie tiefergelegt wurde, ist die spätbronzezeitliche Fundstelle eine der am besten erhaltenen Feuchtbo densiedlungen der Schweiz.
Ein Stück Geschichte für die Nachwelt konserviert
Eine Pfahlbaufundstelle liefert einzigartige Hinweise auf das Leben der Bauern am Rande eines Sees. Funde von Türen, ganze Hüte und Teile von Kleidungsstücken, Fadenspulen mit aufgewickeltem Garn, Spielzeuge aus Holz, hölzerne Schüsseln, Löffel und Kämme sind gut erhaltene Überlieferungen.
Doch auch verschiedene Nahrungsmittel aus der Bronzezeit wurden konserviert. Verbrannte Äpfel, Brötchen oder Birkenteerkaugum mis. Dass die Forscher noch solche Funde bergen konnten, ist den besonderen Erha ltu ngsbed i ng u ngen zuzuschreiben. Wären diese Gegenstände der Luft ausgesetzt, würden sie sich mit der Zeit zersetzen und wären dann nicht mehr auffindbar. Das feuchte Milieu unter Sauerstoffabschluss sorgte dafür, dass die leicht vergäng lichen Materialien für die Nachwelt erhalten blieben. Der Pfahlbaufund eröffnet somit einen einmaligen Einblick in den Alltag und das Leben der Familien.
In Seengen lag zwischen den Bauhölzern der Abfall der Bronzezeit: Tierknochen, Tonscherben, Getreidekörner, Haselnüsse. Speiseabfälle und Mist, aber auch Mahlsteine, Glasperlen, Kochtöpfe, feine Schalen und Schmuck. Die Funde aus den Ausgrabungen auf der Riesi sind im Museum Burghalde in Lenzburg und in der Steinzeitwerkstatt Boniswil ausgestellt.
In die Unesco-Weltkulturerbeliste aufgenommen
2011 hat die Unesco 111 Fundstellen aus sechs Ländern in die Weltkulturerbeliste aufgenommen. Die beiden Siedlungsstellen Seengen-Riesi und Beinwil-Ägelmoos im Aargau sind zwei davon.
Beide Siedlungen sind heute gut geschützt. Da die Halbinsel Riesi ein Naturschutzgebiet ist und es keine Bauten und Bodeneingriffe gibt, bleibt die Siedlung im Boden unangetastet.

