Wahr und fiktiv vereint
09.07.2024 Region OberfreiamtAutor Stephan Rey aus Buttwil veröffentlichte sein neustes Buch «Warum?»
Im Zentrum stehen zwei Frauen. Bernadette Hasler, die als letzte Frau in der Schweiz infolge einer Teufelsaustreibung starb. Und die fiktive Geschichte von Anne Rosenthal, die den ...
Autor Stephan Rey aus Buttwil veröffentlichte sein neustes Buch «Warum?»
Im Zentrum stehen zwei Frauen. Bernadette Hasler, die als letzte Frau in der Schweiz infolge einer Teufelsaustreibung starb. Und die fiktive Geschichte von Anne Rosenthal, die den Holocaust genauso überlebte wie den Überfall der Hamas im letzten Oktober. Der gebürtige Freiämter Autor Stephan Rey gibt Einblick in beide Geschichten.
Annemarie Keusch
Leichte Kost ist es nicht. Es geht um Gewalt, um Tod wie jenen von Bernadette Hasler aus Hellikon. 17-jährig war sie damals, als sie bei der letzten Teufelsaustreibung mit Todesfolge in der Schweiz ums Leben kam. Ihre Geschichte hat Stephan Rey nun aufgearbeitet und dazu viel recherchiert. Er erzählt: «Zu ihrer Geschichte gibt es ganz viele Unterlagen, von Zeitungsberichten bis zu Gerichtsakten.» Rey hat ab der Gründung der Sekte, des heiligen Werkes, in den 50er-Jahren bis zum Einspruch der Beschuldigten bei Gericht 1971 intensiv recherchiert. Und er will die Geschichte von Bernadette Hasler nun öffentlich machen. Die Weltuntergangssekte um Pater Josef Stocker und seine Lebensgefährtin Magdalena Kohler behaupteten ab Mitte der 60er-Jahre, Hasler sei vom Teufel besetzt und wolle diesen heiraten. Sie habe den Teufel gerufen und wolle die Leitung der Sekte übernehmen, sagte Magdalena Kohler damals vor Gericht aus.
Der Hauptsitz der Sekte war jahrelang im Untergrund in einem Bauernhaus in Hellikon. Da kommt die Verbindung des Autors ins Spiel. «Meine Grossmutter mütterlicherseits ist aus Hellikon. Sie kannte die Familie Hasler und deren Geschichte», erzählt er. In einem Ferienheim im Zürcher Oberland wurde Bernadette Hasler in einer Nachtaktion vom Teufel befreit, bezahlte das aber mit dem Tod – sie wurde zu Tode geprügelt. Stocker und Kohler wurden zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt. Kohler wiederholte die Tat 1989 in Singen und tötete bei einer Teufelsaustreibung ihre Haushälterin.
Täglich liest er «The Times of Israel»
Stephan Rey verbindet die wahre Geschichte um Bernadette Hasler mit der fiktiven von Anne Rosenthal. Der gebürtige Buttwiler erzählt: «Ich habe diese Frau in Kfar Ruppin, einem Kibbuz, vor 25 Jahren kennengelernt. Ihr Name ist aber fiktiv, weil das die Bedingung der Mitglieder des Kibbuz war, um ihre Geschichte überhaupt erzählen zu dürfen.» Berlinerin sei sie gewesen und mittlerweile verstorben. «Als wir damals unsere Freunde im Kibbuz besuchten, sprach sie mich an, weil ich Deutsch spreche. Sie liebte diese Sprache, die sie in Israel lange nicht mehr sprechen konnte. Es war die Sprache der Täter. Sie sagte damals, sie sei als Deutsche von Deutschen gejagt worden.»
Rosenthal überlebte den Holocaust, wanderte nach Israel aus und erlebte dort den Überfall der Hamas im letzten Herbst und den darauffolgenden Krieg im Gazastreifen. Rosenthal lernt die Sektenführer Josef Stocker und Magdalena Kohler im Jerusalem der 50er-Jahre kennen. «Dort beginnen die Geschichten. Sie blieben immer in Kontakt bis zur Teufelsaustreibung von Bernadette Hasler, von der Anne Rosenthal in den Ferien in Davos erfuhr», weiss Rey. Die Verbindung der beiden Erzählungen illustriere auf vielfältige Art und Weise das Leben von Menschen unter den gefährlichen Bedingungen von religiösem Wahn und staatlicher Gewalt. Die Geschichte aus dem Kibbuz hat Rey aus persönlichen Kontakten, auch zur Gründerin, rekonstruiert. Und nach wie vor sind seine Verbindungen zu Israel intensiv. Rey liest täglich «The Times of Israel» und konsumiert den frankophonen TV-Sender I24. «Dort habe ich vieles erfahren, was hier in Europa medial gar kein Thema war.»
Verbindungen ins Freiamt
Drei Jahre lang dauerte der Prozess, bis «Warum?» fertig war. Auch weil Rey zwischenzeitlich vom Cameo-Verlag den Auftrag erhielt, ein weiteres Buch über ADHS zu schreiben. «Deshalb unterbrach ich den Schreibprozess für neun Monate.» Auch wenn der Autor seit rund einem Jahr in Rohr lebt, pflegt er Verbindungen ins Freiamt. Rey ist in Buttwil aufgewachsen, hat in Muri die Oberstufe besucht und die Lehre absolviert. Er arbeitete in der Pflegi und im Murimoos. Vor seinem Umzug nach Rohr lebte er in Hägglingen. Rey erzählt: «Seit meine Mutter das Haus in Buttwil verkauft hat, bin ich kaum mehr dort. Stattdessen besuche ich sie in Muri, wo sie nun lebt. Auch im Murimoos schaue ich regelmässig vorbei. Dort kenne ich noch viele Klienten und auch einige ehemalige Mitarbeitende.»
Das Schreiben ist Reys grosse Leidenschaft. «Ich kann dies überall tun, das gefällt mir.» Ob im Zug, in den Ferien – auch Recherchen seien Internet sei Dank überall möglich. Viele Ideen hat er auch beim Autofahren oder beim Biken. «Ich stoppe dann und schreibe es schnell auf oder spreche es auf Band.» Zahlen zu seinem neusten Werk kennt der Autor noch keine. Wichtig ist ihm aber vor allem, die Kernaussage des Buches zu betonen: «Werden Meinungen fundamentalistisch, ob links oder rechts oder religiös, führt dies nie zu etwas Gutem. Davon muss man sich distanzieren. Die Angriffe der Hamas, die Teufelsaustreibung – beides steht für rohe Gewalt, die aus einem Wahn entstanden ist.» Und kaum ist sein aktuellstes Werk erschienen, kann Rey auch schon über das nächste Projekt berichten. «Zu Weihnachten erscheint ein Buch mit Fotos, Erzählungen und Gedichten aus meinen vielen Reisen.» Das Schreiben lässt ihn eben nicht mehr los.
Mehr Informationen: www.stephanrey.ch.