Von Streichen zu Millionenaufrufen
30.07.2024 Beinwil/Freiamt, Region OberfreiamtSommerserie «Influencer»: Stefan Wehrli aus Beinwil ist ein Youtuber
Mit fast 300 000 Abonnenten und Millionen von Klicks ist Stefan Wehrli aus Beinwil auf Youtube erfolgreich. Der 31-Jährige möchte mit seinen Videos nun auch andere Plattformen ...
Sommerserie «Influencer»: Stefan Wehrli aus Beinwil ist ein Youtuber
Mit fast 300 000 Abonnenten und Millionen von Klicks ist Stefan Wehrli aus Beinwil auf Youtube erfolgreich. Der 31-Jährige möchte mit seinen Videos nun auch andere Plattformen erobern und hat viele weitere Ambitionen.
Josip Lasic
Beim Gespräch mit dieser Zeitung ist Stefan Wehrli im Urlaub in Japan. Stolz erzählt er, dass er dort auf der Strasse erkannt wurde. «Plötzlich hat mich jemand gefragt, ob ich von ‹Lensbreak Studios› bin. Das hat mich sehr gefreut.» «Lensbreak Studios» ist der Youtube-Kanal des Freiämters, der seit 2011 online ist. Der Hauptinhalt sind «Pranks» – zu Deutsch Streiche. Er selbst bezeichnet sie als «wholesome pranks» – Streiche, die Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern sollen. Seit gestern Montag ist sein neustes Werk online, das während der Japan-Ferien entstanden ist. Wehrli geht mit Stickern in Herzform ausgerüstet durch die Strassen, klebt sie Passanten an und kommt so mit den Menschen ins Gespräch.
Diese Videos sollen ein Kontrast zu zahlreichen anderen Pranks auf Youtube sein. «Bei mir soll niemand erschreckt werden oder sonst zu Schaden kommen.» Der Slogan seines Kanals ist «spreading love and happiness». Wehrli hält sich dabei an einige selbst aufgestellte Regeln: Die Streiche müssen einzigartig sein. Er recherchiert vorher lange, um sicherzugehen, dass es so etwas noch nie gegeben hat. Und es soll alles respektvoll verlaufen. «Ich frage, ob ich die Videos online stellen darf, und beobachte die Leute, bevor ich sie anspreche. Wenn ich das Gefühl habe, dass jemand schlecht gelaunt ist, gehe ich nicht auf ihn zu.»
Oft illegal weiterverbreitet
Viele seiner Videos tragen den Untertitel «how to pick up girls» – wie man Frauen aufreisst. Dabei geht es darum, Frauen kreativ anzusprechen. Das verbindet er gerne mit einer zweiten Leidenschaft: dem Reisen. Seine Videos hat er schon in der Schweiz, in Finnland, Griechenland, Spanien, Singapur, Hongkong oder eben zuletzt in Japan gedreht. Die Ideen kommen gut an. Seine beliebtesten Videos wurden über 20 Millionen Mal angeschaut. Das meistgesehene Video, in dem er Herzen auf Zugfenster malt, hat 35 Millionen Aufrufe. Das ist umso erfreulicher für den Beinwiler, weil sein Kanal monetarisiert ist. Das bedeutet, dass er mit Klicks Geld verdient. Das Potenzial dafür wäre noch viel grösser. «Meine Videos werden oft unerlaubt auf anderen Plattformen genutzt», sagt Wehrli. «Das ist rechtlich nicht immer so einfach zu verhindern. Zumindest werden meine Videos so noch öfter gesehen. Mit Tools konnte ich herausfinden, dass ich insgesamt über 413 Millionen Views habe.»
Film seit Kindheit eine Leidenschaft
Schon als kleiner Junge war Stefan Wehrli von Videos und Filmen fasziniert. Seine erste Kamera bekam er mit sechs Jahren. «Ich drehte damals Dokumentarfilme über Schafe oder über einen Tag im Leben meines Bruders», erzählt er. Die Leidenschaft wuchs. In der Bezirksschule drehte er Einführungsvideos für die neuen Erstklässler. An der Kantonsschule nahm er regelmässig an der Projektwoche zum Thema Film teil.
Die Idee für einen eigenen Youtube-Kanal kam Wehrli während eines Choraustausches mit der Kantonsschule Wohlen. Zusammen mit einem Kollegen sang er Passanten auf der Strasse an. Da er über eine Filmausrüstung verfügte, überlegte er sich, solche Aktionen visuell festzuhalten. Der Einfall, Videos über «Pranks» zu drehen, war geboren.
Für seine Maturarbeit hat er sogar ein Drehbuch geschrieben, aus dem sein erster Kinofilm werden soll. Dieses Projekt hat er aber vorerst auf Eis gelegt. «Eines Tages werde ich das durchziehen und einen grösseren Film drehen. Das nimmt aber viel Zeit in Anspruch. Momentan würden Aufwand und Ertrag dabei nicht stimmen für mich. Ich reise gern, habe auch andere Projekte und Interessen und drehe meine Pranks und bearbeite diese. Mir würde die Zeit fehlen, um mich einem längeren Film zu widmen. Aber wenn ich in einigen Jahren vielleicht nicht mehr so die Zeit und Energie habe, um so viel zu reisen, passt es besser.»
Die Videos sind auch nicht die einzige Einnahmequelle des 31-Jährigen. Er hat ein abgeschlossenes Informatikstudium und hat in diesem Bereich das Unternehmen «Smartala» gegründet, wo er mit einem Kollegen Dienstleistungen wie Web- und Appdesign und im Bereich der künstlichen Intelligenz anbietet. Aktuell arbeitet er an einer App, zu der ihn seine Videos inspiriert haben. «In den Videos geht es oft darum, wie man Menschen kennenlernt. Und die App soll dabei unterstützen. Es handelt sich dabei nicht um eine Dating-App, sondern soll nach einem simpleren Prinzip funktionieren. Ich möchte jemanden Neuen kennenlernen, also rufe ich die App auf, und die Menschen, die dort online sind, möchten ebenfalls jemanden Neuen kennenlernen, also kann ich in Kontakt treten mit ihnen.»
Eine Inspiration für andere sein
Trotzdem möchte sich Wehrli auch im Bereich seiner Videos weiterentwickeln. Während er auf Youtube über 280 000 Follower hat, sind die Zahlen auf seinem Instagram- und seinem Tiktok-Account momentan noch überschaubar. Das soll sich ändern. «Videos funktionieren auf diesen beiden Plattformen ganz anders als auf Youtube. Sie müssen kürzer sein, das Zielpublikum hat andere Erwartungen. Ich habe aber stundenweise Material zur Verfügung und muss es lediglich für diese Plattformen entsprechend bearbeiten. Das ist etwas, was ich demnächst in Angriff nehmen werde.»
Der Youtuber ist davon überzeugt, dass er sich durch seine Videos im Allgemeinen im Leben weiterentwickelt hat und dies auch in Zukunft tun wird. «Durch das Drehen der Videos habe ich das Prinzip ‹fail fast, fail often› gelernt. Ich habe Fehler gemacht und das war gut so. Sie haben mir geholfen, mich ständig zu verbessern und dieses Prinzip auch in anderen Lebensbereichen anzuwenden. Das genaue Gegenteil von dem, was wir in der Schule gelernt haben – keine Fehler zu machen –, hat sich für mich als Schlüssel zum Erfolg herausgestellt. Ich bin sehr gerne mit Menschen zusammen und finde es gut, wenn eine Interaktion auch mal nicht funktioniert. Daraus kann man lernen. Diese Einstellung beeinflusst auch mein ganzes Leben, indem ich Dinge wie Reisen und Startups ausprobiere. Den ganzen Tag zu testen und zu lernen, macht einen mutiger.» Wehrlis Motto ist: «Make somebody smile every day.» Der Freiämter will aber nicht nur für gute Laune sorgen. «Ich hoffe, dass ich auch andere inspirieren kann, dass sie sich Dinge trauen sollen und dass sie dabei Fehler machen dürfen.»
Sommerserie Influencer
Influencer sind Personen, die in den sozialen Medien (Instagram, Facebook, Tiktok usw.) eine grosse Reichweite haben. Der Begriff «Influencer» kommt vom englischen Verb «to influence» (zu Deutsch: beeinflussen). Viele Influencer nutzen ihren Bekanntheitsgrad, um Informationen zu verbreiten oder um Unternehmen zu bewerben, zum Beispiel als Marken- oder Produktbotschafter. Einige können davon leben. Auch die Region Freiamt hat einige spannende Influencer. In dieser Sommerserie porträtiert die Redaktion diese Menschen und erzählt ihre Geschichte. --red