Vom Nadelwald zur Naturvielfalt
30.04.2024 KelleramtAm Waldumgang bot Urs Huber Einblick in zeitgemässe Forstwirtschaft
Den Wald und die Aufgaben des Forstbetriebs kennenlernen – zu diesem Zweck lädt der Forstbetrieb Kelleramt alljährlich zum Waldumgang, alternierend in Arni, ...
Am Waldumgang bot Urs Huber Einblick in zeitgemässe Forstwirtschaft
Den Wald und die Aufgaben des Forstbetriebs kennenlernen – zu diesem Zweck lädt der Forstbetrieb Kelleramt alljährlich zum Waldumgang, alternierend in Arni, Oberlunkhofen oder Jonen. Das Angebot wurde auch diesmal rege genutzt.
Thomas Stöckli
«Nach ‹Lothar› war hier alles flach», sagt Urs Huber und zeigt auf den Wald hinter sich. Am 26. Dezember 1999 war es, dass der Wintersturm wütete und gerade im Freiamt vielerorts heftige Waldschäden verursachte. Damals waren die flachwurzelnden Fichten überproportional betroffen: Wenige Jahre danach setzte ihnen auch noch der Borkenkäfer massiv zu. 15 Jahre darauf sollte dann mit «Burglind» ein weiterer heftiger Sturm folgen. Sie richtete insbesondere im Litziwald nochmals viel Schaden an.
Zu trocken für die Abwehr
Wo vor «Lothar» noch 90 Prozent Nadelholz den Wald prägten, wird heute auf einen vielfältigen Laubmischwald mit 30 verschiedenen Baumarten hingearbeitet, mit gerade noch 20 Prozent Nadelholzanteil. Das ist nicht nur die Lehre aus den Sturmschäden, sondern auch die Reaktion auf die Klimaerwärmung. An ihr liegt gemäss Huber die zunehmende Anfälligkeit der Fichte: «Unter trockenen Bedingungen kann sie zu wenig Harz bilden, um Schädlinge wie den Borkenkäfer abzuwehren», erklärt er. Hier und dort zeugt denn auch ein Fichtenskelett zwischen den Laubbäumen vom verlorenen Kampf gegen den Schädling.
Wo sich zuvor Nadelbaum an Nadelbaum reihte, gedeihen heute entsprechend Eiche, Buche und Ahorn. Und wie erfolgreich sie das tun, das zeigt der Förster den rund 80 Interessierten am Waldumgang an einigen Beispielen auf. Allen voran die Eichen, die sich nach 22 Jahren bereits in prächtigem Wuchs präsentieren. «Die wird mal mehrere Meter dick und mit ihren Pfahlwurzeln auch heftige Stürme überstehen», sagt Urs Huber zu einem besonders vitalen Exemplar. Solchen Bäumen gilt es Platz zur Entfaltung zu schaffen, werden ihre Äste doch künftig über zehn Meter ausladen. Und doch sind auch Begleiter in unmittelbarer Nähe wichtig. In diesem Fall etwa ein auf drei Metern Höhe gekappter Ahorn.
Auch mal geschehen lassen
Zur modernen Forstarbeit gehört es, einschätzen zu können, wann es besser ist, nichts zu tun. Mit einem abgestorbenen Ast kann ein vitaler Baum gut selbst klarkommen. Urs Huber zeigt Beispiele, wie ein Baum mit einer gekappten Spitze einen neuen Trieb ausbildet, der deren Platz einnimmt. Wie bei einem unerwünschten Baum auch mal der Saftstrom gekappt werden kann, damit er beim Fällen nicht andere Bäume mitreisst und darüber hinaus als stehendes Totholz erst noch massiv zur Artenvielfalt beiträgt. «Da hat die Natur Freude daran», betont der Förster.
Und nicht nur dem Selbstgepflanzten gilt es im Forst Sorge zu tragen. Manchmal lohnt es sich auch, zu pflegen, was die Natur selbst zum Wachsen bringt. Diese Pflanzen haben ihr Potenzial, an genau diesem Standort zu gedeihen, schliesslich schon bewiesen. Will heissen: Sie kommen mit dem Klima und der Geländeform klar, mit der Zusammensetzung des Bodens und den anderen Lebewesen vor Ort.
In ihrer Begrüssung bei der Waldhütte Jonen hat Gemeinderätin Doris Haas von den Qualitäten des Waldes im Zusammenhang mit den vier Jahreszeiten geschwärmt, von der kühlenden Wirkung im Sommer, dem bunten Laub im Herbst, der Stille im Winter. Und natürlich vom Zauber im Frühling, wenn die Natur zu erwachen scheint, alles spriesst und die Vögel intensiver zwitschern als sonst. Dass am Waldumgang, der jedes Jahr alternierend in einer anderen Gemeinde des Forstbetriebs Kelleramt stattfindet, genau solch traumhafte Bedingungen herrschen, ist keine Selbstverständlichkeit: «Letztes Jahr mussten wir vorzeitig abbrechen, weil es uns so ‹verschiffet› hat», blickt Urs Huber zurück.
Gemütlicher Ausklang beim «Zvieri»
Diesmal geht es über die volle Distanz. Nach einem kurzen Apérohalt am Waldrand im «Himelrich» geht es vorbei an einer markanten Blutbuche, «ein Farbtupfer im Wald», wie Huber festhält, und der Reihe mächtiger, 150-jähriger Eichen am Waldrand «Rütene» zurück zum Ausgangspunkt. Hier haben Paul Strebel und Christian Zimmermann, die Routiniers vom Forstbetrieb, bereits den «Zvieri» auf dem Grill vorbereitet. Immerhin hatten sie es gemütlicher als Forstwart Silvan Fahrni sowie Lehrling Kevin Gut: «Die Jungen haben wir an den Aargauer Holzerwettkampf geschickt», so Urs Huber.