Vom Kloster ins Kolosseum
26.01.2024 Fussball, SportDie Murianerin Alayah Pilgrim erlebt aufregende Zeiten und steht vor einem Wechsel zum Tabellenführer Italiens
Manchmal geht es rasant im Sport. Innert weniger Monate feierte Alayah Pilgrim den Meistertitel und ihr Debüt für die Schweizer Nati. Und jetzt ...
Die Murianerin Alayah Pilgrim erlebt aufregende Zeiten und steht vor einem Wechsel zum Tabellenführer Italiens
Manchmal geht es rasant im Sport. Innert weniger Monate feierte Alayah Pilgrim den Meistertitel und ihr Debüt für die Schweizer Nati. Und jetzt könnte ein weiterer, riesiger Traum in Erfüllung gehen.
Stefan Sprenger
«Ich will noch mehr und habe nicht genug.» Ein junges Mädchen, 14 Jahre jung, gibt im November 2018 dieser Zeitung Auskunft über ihre Träume als Fussballerin. Alayah Pilgrim wurde damals interviewt, weil sie innert einer Viertelstunde vier Tore für die Frauen des FC Aarau in der NLB geschossen hatte. Der letzte Satz beim damaligen Text lautete wie folgt: «Wenn sie so weitermacht, wird man noch viel von der jungen Freiämterin, diesem fussballerischen Ausnahmetalent, hören.»
181 000 Follower
Und so ist es gekommen. Bodenständig, wie sie ist, beendete sie zuerst ihre Lehre als Fachfrau Gesundheit im Spital Muri souverän. Und dann folgt der totale Fokus auf den Sport. 2020 bis 2022 beim FC Basel, seit 2022 bei den Frauen des FC Zürich, mit denen sie letzte Saison den Meistertitel feierte. «Da war schon einiges los», lächelt sie. Im Frühsommer 2023 ist die Murianerin, mittlerweile 20 Jahre jung, im WM-Camp der Schweizer Frauen-Nati dabei. Sie schafft den Cut und damit den Sprung an die Weltmeisterschaft nicht. Dem verlockenden Angebot von Marokko – dem Heimatland ihres Vaters – folgte sie nicht. «Mein Herz ist in der Schweiz, ich bin hier aufgewachsen», machte sie klar. Nach der WM gibt sie ihr Debüt im Dress des Nationalteams, sie schiesst ihr erstes Tor «und ein weiterer Traum ging in Erfüllung». Und: Auch in den sozialen Medien agiert sie erfolgreich. 181 000 Menschen folgen ihr auf Instagram, 131 000 auf Tik-Tok. Sie hat langfristige Verträge mit grossen Unternehmen wie L’Oréal, Alpro oder Coca-Cola ausgehandelt.
Und nun steht Alayah Pilgrim erneut vor einem grossen Schritt. Über Weihnachten war sie im Urlaub in Thailand mit Mutter Tanja. Ein überraschender Anruf ihres Managements freute sie und brachte sie arg ins Grübeln. Ein ausländischer Verein hat grosses Interesse. Die AS Rom strecke die Fühler nach dem Ausnahmetalent aus dem Freiamt aus. Das Team aus Rom führt die Tabelle in der höchsten italienischen Liga an. Zwölf Siege, nur eine Niederlage. In ihrem Heimstadion «Tre Fontane», wo jeweils Tausende Zuschauer dabei sind, spielten die Römerinnen am Mittwoch gegen Bayern München in der Champions League der Frauen (2:2). Im Stadion waren auch Alayah Pilgrim und ihre Mutter Tanja.
«Ich musste nachdenken»
Die AS Rom will sie verpflichten. Pilgrim müsste ihre Zelte in Muri abbrechen und zum ersten Mal weit weg von zu Hause Fussball spielen. Von Muri nach Rom, vom Kloster ins Kolosseum, vom Schweizer Spitzenteam FC Zürich zur legendären AS Rom. «Es wäre eine schöne, grosse Herausforderung. Aber ist es der richtige Zeitpunkt?» Diese Frage stellte sich Pilgrim vor wenigen Wochen sehr lange. Sie sprach mit ihren engsten Vertrauten. Mutter, Schwester, Freundin – und natürlich ihrem Freund Elijah Okafor, ebenfalls Fussballer. «Ich musste nachdenken», sagt Pilgrim. Denn sie ist keine Frau der Schnellschüsse, sie überlegt sich alles sehr gut, wägt mit Pro- und Kontra-Listen ab.
Pilgrim erlebte viel Unterstützung von ihrem Umfeld. Sie selbst sagt: «Ich bin gerne zu Hause in Muri, es ist mein Heimathafen. Ich bin ein Familienmensch. Und ich fühle mich auch sehr wohl bei den Frauen des FC Zürich.» Aber es ist eben die AS Rom und eine grosse Chance, ihren Traum zu erfüllen, einmal im Ausland zu spielen (und vom Fussball zu leben).
Mit ihrer Mutter Tanja ist sie jetzt in Rom. In diesen Tagen soll der Wechsel definitiv (und höchstwahrscheinlich) fixiert werden. Der erste Eindruck: «Fremdes Land, fremde Sprache, fremde Menschen, fremde Umgebung. Aber das ist nicht schlecht, das tut mir gut. Es ist aufregend. Es ist toll.» Pilgrim steht vor einem Riesenschritt in ihrer Karriere, sofern dieser Wechsel zustande kommt. Und danach sieht es aus. Stolz wird sie sein. Ehrgeizig wird sie bleiben. «Es ist nochmals einiges professioneller hier. Die AS Rom ist eines der besten Frauenteams der Welt. Und ich werde alles versuchen, mich hier durchzusetzen.» Und wie damals 2018 passt auch 2024 der Schlusssatz immer noch: «Wenn sie so weitermacht, wird man noch viel von der jungen Freiämterin, diesem fussballerischen Ausnahmetalent, hören.»