Vom Informatiker zum Supermech
13.02.2024 Mutschellen, BerikonBikes der Spitzenklasse
Christian Böhler ist Autodidakt
Aussendienstmitarbeiter seiner Velomarken sagen, dass es in der Schweiz kein zweites Geschäft mit so vielen Top-Modellen gibt. Christian Böhler ist stolz darauf. An der ...
Bikes der Spitzenklasse
Christian Böhler ist Autodidakt
Aussendienstmitarbeiter seiner Velomarken sagen, dass es in der Schweiz kein zweites Geschäft mit so vielen Top-Modellen gibt. Christian Böhler ist stolz darauf. An der Mutscheller-Kreuzung betreibt er seit 2019 sein «Böhlis Bikes». Der Informatiker verkauft und repariert die Velos. Das dafür nötige Wissen hat er sich alles selber beigebracht. Er ist froh, dass er nach vielen Jahren des beruflich weltweiten Reisens als Löser von Informatikproblemen in Berikon sesshaft geworden ist. Den Ehrgeiz für Topleistungen lebt er nun in seinem eigenen Geschäft aus. --rwi
Christian Böhler betreibt einen Bike-Shop der Spitzenklasse
Neben dem «Stars and Stripes»- Restaurant befindet sich mit «Böhlis Bikes» ein exklusives Velogeschäft. Nirgends in der Schweiz gibt es so viele Top-Modelle. Betrieben wird es von Christian Böhler, der gar nicht aus der Velobranche kommt.
Roger Wetli
«Früher wurde es für mich erst dann interessant, wenn Gott und die Welt sagten, das ist nicht möglich», schmunzelt Christian Böhler mit seinem Vorarlberger Dialekt. «Für mich wird es in solchen Momenten reizvoll. Denn ich bin es, der meine Grenzen setzt.» Er sagt das mit sympathischem Nachdruck. Man glaubt ihm jedes Wort, wenn er von einer Kundin erzählt, die ihm ein Rennrad mit elektronischer Schaltung brachte. «Die Werkstatt ihres Vertrauens fand während zweier Jahre für das Problem keine Lösung. Ich konnte das Rennrad innert einer Stunde durchgängig funktionstüchtig machen.»
Nomade wurde sesshaft
Da hingehen, wo sich andere nicht wagen: Das begleitet den 55-jährigen Beriker schon sein ganzes Berufsleben. In Feldkirch aufgewachsen, kam er des Berufes wegen in die Schweiz nach Zug. Für verschiedene IT-Unternehmen flog er um die ganze Welt und löste Informatik-Probleme für Grosskunden. Er sah Hotels, Flughäfen und die Firmen. «Sie wollten mich unbedingt vor Ort haben», erklärt er. Das ist der Grund, wieso er diese Probleme nicht von zu Hause aus am Computer lösen konnte. Vor Ort arbeitete er konzentriert mit Kopfhörern. Punkrock ist seine Musik. Dabei störte es ihn auch nicht, wenn Leute neben ihm standen und interagieren wollten. Die Lösung musste gefunden und keine Streicheleinheiten verteilt werden.
«2019 hatte ich genug von diesem Nomadenleben. Ich wollte endlich sesshaft werden», schaut Christian Böhler zurück. «Aber was tun?», fragte er sich. Der begeisterte Biker eröffnete ein Velogeschäft in Rudolfstetten, ganz in der Nähe der heutigen Werkstatt auf der anderen Seite der Mutschellen-Kreuzung. «Ich bin kein ausgebildeter Velomechaniker, sondern Informatiker und somit Autodidakt», lacht er. Dank seinem Ehrgeiz und seiner Neugierde lernte Böhler schnell. Wenn er nicht weiterkam, telefonierte Böhler mit seinem Kollegen in Vorarlberg. «Heute ist es so, dass er mich bei Problemen anruft», schmunzelt Christian Böhler.
Als Informatiker kommt ihm zugute, dass viele Bikes heute elektronisch funktionieren – und da ist er in seinem Element. In den ersten Jahren rüstete er unter anderem normale Velos zu Elektrobikes um. Davon ist Christian Böhler mittlerweile abgekommen. «Das funktioniert schlichtweg nicht so wirklich. Es passt einfach nichts so zusammen, wie ich mir das vorstelle und wie es sein soll. Mit zunehmender Erfahrung wurde mir klar, dass für ein gutes Bike sämtliche Teile hochwertig und aufeinander abgestimmt sein müssen. Zudem muss und möchte ich mich als Firma von der Masse abheben.» Böhler spricht von günstigen Schulvelos, die er zwar reparieren kann; dieser Service kostet aber, je nachdem was kaputt ist, schnell einmal gleich viel wie der ursprüngliche Neupreis des Bikes.
Härtetest bestehen
Heute konzentriert sich Christian Böhler auf hochwertige Bikes. «Es gibt Aussendienstarbeiter der Velomarken, die ich verkaufe, die sagen, dass es in der Schweiz kein zweites Geschäft gibt mit so vielen Topmodellen», erzählt Böhler. Dabei schwingt deutlich Stolz mit. Er selber besitzt zehn unterschiedliche Velos, die er regelmässig fährt. Was Christian Böhler verkauft, testet er zuvor selber. Die Kindervelos fährt zuerst seine 10-jährige Tochter Leana. «Sie geht dabei an die Grenzen. Wohl so wie ich. Denn ich bin früher so Mountainbike gefahren, dass es für andere wahrscheinlich gefährlich wirkte. Erst dann hatte es für mich aber seinen Reiz», schmunzelt er. Kommt ein neues Spitzenmodell auf den Markt, bestellt er ein einziges, testet es und baut es bei Bedarf so um, dass er dahinterstehen kann. «Das sind dann Einzelstücke, denn ich verkaufe nur Bikes, mit denen ich auch selber fahren würde. Das bedeutet für mich Bodenständigkeit.»
Und dazu zählt er auch, dass er fadengerade seinen Kunden sagt, wenn sie einen Wunsch haben, den er nicht erfüllen kann, weil es so nicht wirklich Sinn macht. «Ich setze mich mit den Velos auseinander und verstehe schnell ihre Systeme, und wo ihre Grenzen sind.» Er weiss, dass er mit dieser gnadenlosen Ehrlichkeit auch mal Kunden verärgert, und nimmt es in Kauf. «Ich möchte Freude haben, wenn ich in den Laden komme. Und das habe ich nur, wenn ich an den Bikes im Geschäft gefallen finde.» Seine Kundschaft reist aus der ganzen Schweiz an. Dafür nimmt sie auch weite Wege aus dem Kanton Wallis in Kauf. «Ein gestandener Mann sagte mir unlängst: ‹Es ist schön, dass es dich und dein Geschäft hier gibt.› Das finde ich cool», strahlt er.
Schwer handhabbar
Dabei musste sich Christian Böhler zuerst an den regen Kundenkontakt während eines Grossteils des Tages gewöhnen. «Die Kopfhörer bei der Arbeit liegen nicht mehr drin. Den ganzen Tag zu reden, war für mich zuerst richtig anstrengend. Heute macht mir das nichts mehr aus. Ich erfahre viel Bestätigung für meine Arbeit, wenn die Kunden eine Mordsfreude haben.»
Der Ladenbesitzer beschreibt sich selbst als «schwer handhabbar». Entsprechend hat er mit «Böhlis Bikes» eine ideale Tätigkeit und ein geeignetes Umfeld für sich gefunden. «Ich geniesse die Selbstständigkeit und mein Geschäft soll auch nicht wachsen. Es ist gut so, wie es ist.»