Voller Überraschungen
07.03.2025 Boswil, Region OberfreiamtGedenkanlass für die Gründer des Künstlerhauses in Boswil
Willy Hans Rösch und Klaus Huber prägten das Künstlerhaus Boswil und machten es zu einem Zentrum moderner Kunst und Kultur. Im letzten Jahr wären beide 100 Jahre alt geworden. Nun ...
Gedenkanlass für die Gründer des Künstlerhauses in Boswil
Willy Hans Rösch und Klaus Huber prägten das Künstlerhaus Boswil und machten es zu einem Zentrum moderner Kunst und Kultur. Im letzten Jahr wären beide 100 Jahre alt geworden. Nun fand zu ihren Ehren ein Jubiläumsanlass statt.
Stefan Treier
Geschäftsführer Claudio Rossetti war es vergönnt, eine grosse Familie von Kunstinteressierten willkommen zu heissen. Er gewährte einen Einblick in die Geschichte des Ursprungs des Künstlerhauses. Besonders freute ihn, dass Christof Rösch, Sohn des Mitbegründers, vom Unterengadin ins Freiamt gereist war. Er nahm die Gäste mit in die Geschichte des Boswiler Kulturzentrums. Vieles hatte er schliesslich aus eigenen Erfahrungen zu berichten. Für Rösch, der in Scuol selber über ein Kulturzentrum bildender Kunst verfügt, gilt das Künstlerhaus nach wie vor als Kraftort. Hier erlebte er seine Kindheit und blieb bis zum 23. Lebensjahr. Er engagierte sich über längere Zeit in den Leitungsgremien der Stiftung und wusste in seinem Referat und der Vorstellung wichtiger Ereignisse über die vielfältige Geschichte des kulturellen Leuchtturms zu berichten.
Er schilderte die Entwicklung des Künstlerhauses von der einstigen Fluchtburg zum Ort der Musik. Der Ort hier muss schon im Mittelalter speziell gewesen sein. Nachdem die Stiftung 1953 gegründet worden war, erfolgte in den Sechzigerjahren der Umbau zu einem Treffpunkt der aktuellen Künste. Bis 1991 versah Co-Gründer Rösch das Präsidium der Stiftung. Komponist Klaus Huber machte sich während Jahren stark für die Entwicklung des Künstlerhauses. «Es besteht hier ein starkes Potenzial für die Entscheidungsgrundlage, künstlerisch tätig zu werden», so Christof Rösch. Seine Ausführungen basierten auf prägenden Erlebnissen aus seiner Jugendzeit, die ihn bis heute begleiten. Er spürte eine grosse Solidarität unter den Künstlern, die in Boswil ein- und ausgingen.
Sigristenhaus nun Künstlerhaus
Das einstige Sigristenhaus wurde 1918 von Kunstmaler Richard Nüscheler erworben. Er lebte dort und betrieb die Alte Kirche als sein Atelier. Seine Erben verkauften 1953 das Gebäude an die damalige Stiftung Alte Kirche Boswil, die von Willy Hans Rösch und Albert Rajsek gegründet wurde. Sie wollten die Alte Kirche und das einstige Pfarrhaus vor dem Abbruch retten und hegten die Absicht, ein Heim für mittellose und bekannte Künstler zu schaffen. Benefiz-Auftritte verhalfen zu einer finanziellen Grundlage. Bis 2021 diente das einstige Pfarrhaus als Künstlerhaus, seither wird es als Gästehaus geführt. Im selben Jahr übernahm die Stiftung vom Kanton das einstige Sigristenhaus, das nun als Künstlerhaus bezeichnet wird. Nach einem stattlichen Umbau werden dort nun Musikerinnen und Musiker beherbergt, die sich auf die Auftritte vorbereiten können. Schliesslich wird im einstigen Sigristenhaus heute auch die Verwaltung der Stiftung geführt.
Prägende Erlebnisse und Begegnungen
Christof Rösch wusste über spannende Jugenderlebnisse im Künstlerumfeld zu berichten. So erinnerte er sich an einen Kunstmaler als Besucher seines bekannten Vaters. Er kam elegant gekleidet per Taxi von Zürich her angereist. Oder er erzählt, dass ihn vor Zeiten ein Rumäne, einer der weltbesten Schlagzeuger, im Engadin besucht und ihm berichtet hatte, wie ihn Vater Rösch als 18-Jährigen in Boswil als Schlagzeuger gefördert hatte. Aus einem Flüchtlingslager in der Region Wien gelangte ein talentierter Mann nach Boswil, wo ihm das Rüstzeug als späterer musikalischer Künstler verliehen wurde. Rösch weiss, dass bei seinem Vater und Klaus Huber soziale Aspekte stets vordergründig in ihrem Handeln waren, was immer wieder durch besondere Erlebnisse zum Ausdruck kam.
Eine von Beirat Thomas Meyer moderierte Gesprächsrunde setzte sich im zweiten Teil des Anlasses in der nahezu voll besetzten Alten Kirche eingehend mit der Ära Rösch als Fundament des Künstlerhauses auseinander. Zu den Gesprächsteilnehmern zählten die Töchter Anita und Daniela Rösch, Komponist, Musiker und Dirigent Heinz Holliger, Co-Präsidentin des Stiftungsrats und Pianistin Irene Näf-Kuhn, Musikexpertin Corinne Hotz sowie der ehemalige Stiftungsrat und Beirat des Künstlerhauses Max Nyffeler.
Austausch mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Es ist eine bewegte Vergangenheit. Es wurde sichtbar, dass Ende der Sechziger-, Anfang der Siebzigerjahre eine Öffnung von klassischer, traditioneller Prägung zu neuer Musik entstand. Boswil entwickelte sich zu einem Ort der musikalischen Kreativität mit Vorbildwirkung. Über 300 Personen besuchten die alte Flötenschule mit Weltruhm. Gar aus Japan kamen Flötistinnen mit ihren Professoren als Gäste angereist. Es gelang den damaligen Verantwortlichen um Klaus Huber, selbst aus der damaligen DDR Personen für das Musizieren im entstandenen Zentrum für neue Musik zu gewinnen. Dank unpolitischem Verhalten und diplomatischem Geschick der Boswiler wurde dies zur Freude der Betroffenen möglich. Klaus Huber wurde von der Gesprächsteilnehmerschaft das Talent als schöpferischer Mensch attestiert, der sich stets erfolgreich als Vermittler und Mediator in Szene zu setzen vermochte.
«Diese Konzerte sind ein Austausch mit der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft der Musik», so die Überschrift zum Ausblick in die im März beginnende Saison. Ein Blick in das Programm der Boswiler Meisterkonzerte wie in die aktuelle Agenda zeigt, dass hochkarätige Kultur mit Auftritten grossartiger Künstlerinnen und Künstler zum Alltag in der Alten Kirche Boswil gehört. Der «blühende Leuchtturm» von Boswil hält – sicher auch im Sinne der damaligen Gründer – viele Überraschungen bereit.