Vision der Mitmenschlichkeit
20.06.2025 MuriPalliative Aargau und die Landeskirchen lancierten ihre Wanderausstellung in der Pflegi Muri
Vor 20 Jahren ist Cicely Saunders, Pionierin der modernen Hospiz- und Palliative-Bewegung, gestorben. Die Ausstellung über ihr Leben und Wirken ist bis am 9. Juli in Muri zu ...
Palliative Aargau und die Landeskirchen lancierten ihre Wanderausstellung in der Pflegi Muri
Vor 20 Jahren ist Cicely Saunders, Pionierin der modernen Hospiz- und Palliative-Bewegung, gestorben. Die Ausstellung über ihr Leben und Wirken ist bis am 9. Juli in Muri zu sehen, bevor sie nach Baden, Zofingen und Rheinfelden weiterzieht.
Thomas Stöckli
«Heute ist es modern, die Endlichkeit zu leugnen», sagt Anselm Grün. Der Benediktinerpater, Führungskräftetrainer und Autor spiritueller Bestseller lanciert mit seiner Ansprache die Wanderausstellung zu Palliative Care und Cicely Saunders in Muri. «Je älter wir werden, desto stärker spüren wir diese Endlichkeit», stellt er selbst fest. Eine Endlichkeit, die er zugleich als Chance sieht: Sich täglich den Tod vor Augen zu halten, sei eine Einladung, bewusst zu leben und auf das Wesentliche zu achten. «Wenn das Ego stirbt, ist man frei, sich auf Aufgaben einzulassen, ohne den Druck, glänzen zu müssen.» Entsprechend fordert er auf, den Tod nicht als Ende, sondern als Vollendung zu sehen.
Ganzheitliche Sichtweise
Cicely Saunders hat früh erkannt, wie wichtig es in einer Gesellschaft ist, füreinander Sorge zu tragen. Catherine Berger, Vizepräsidentin der Aargauer Landeskirche spricht in diesem Zusammenhang davon, «den Tagen mehr Leben zu geben». Das setze nebst der Fachkenntnis auch Mitgefühl voraus und die Bereitschaft, zuzuhören. Saunders habe die Palliativpflege durch ihre ganzheitliche Sichtweise geprägt, so Berger. Entsprechend liegt der Fokus der Ausstellung, die sich vom Restaurant Benedikt nach Norden erstreckt, auf dieser Pionierin, gibt Einblick in ihre Lebenssituation und ihr Wirken, nimmt aber auch immer wieder Bezug aufs Hier und Jetzt.
Im Kanton Aargau sind es vor allem die Kirchen, die den Palliativgedanken vorangebracht haben. Schliesslich sei es ein biblischer Auftrag, für die Schwächsten da zu sein, so Catherine Berger. Dem Ideal geben freiwillige Begleitpersonen ein reales Gesicht. rund 8500 Stunden Begleitung haben sie letztes Jahr geleistet. «Das ist einmalig in der Schweiz», so die Kirchenrats-Vizepräsidentin. Cicely Saunders hat offenbar eine grosse Anzahl Menschen motiviert, berührt und begeistert.
Pionierarbeit in der Pflegi
Die Wanderausstellung, die in Muri lanciert wurde, steht für die lange Zusammenarbeit zwischen Palliative Aargau und den Landeskirchen. Und sie fördert einen Austausch, der seinerseits die Anliegen von Cicely Saunders weiterträgt. «Weiter zu den Menschen», wie es Kerstin Bonk, Bereichsleiterin Gemeindedienste bei der reformierten Landeskirche, ausdrückt.: «Dadurch wird das Netzwerk gestärkt und erweitert.»
«Fast jede und jeder von uns wird im Laufe des Lebens mit einer schweren Diagnose konfrontiert», macht Claudia Hauser, Präsidentin von Palliative Aargau bewusst, «oder hat zumindest jemanden in seinem nahen Umfeld.» Da sei es wichtig, diese Menschen mit Respekt, Fürsorge und Menschlichkeit zu begleiten. Die Ausstellung versteht sie denn auch als Anregung, über Mitgefühl und Würde nachzudenken.
Dass die Wanderausstellung in der Pflegi Muri lanciert wurde, ist kein Zufall. Hier, wo pflegebedürftige Menschen seit über 100 Jahren ein Zuhause bekommen, wie es der Gemeindepräsident Hans-Peter Budmiger auf den Punkt bringt. Und Pflegi-Präsident Franz Hold spricht in diesem Zusammenhang von einem «tiefst humanistischen Grundgedanken» der sich gehalten habe. Und noch vor dem Reusspark hat die Pflegi zwei Palliative-Zimmer eingeführt, ruft Anita Lanz, Pflegefachfrau und Palliativpflege-Pionierin, in Erinnerung.
Ermutigendes Vorbild
Cicily Saunders hat sich in der Nachkriegszeit von den Pflegestandards in der Schweiz inspirieren lassen und daraus ihren ganzheitlichen Ansatz für die Begleitung von Schwerkranken und Sterbenden weiterentwickelt. «Ihre Vision der Mitmenschlichkeit ermutigt bis heute», so Martina Holder, Initiantin der Ausstellung. «Ich hoffe, dass die Besucherinnen und Besucher etwas von ihrem Spirit mitnehmen.»
«Wie eine Gesellschaft mit ihren Sterbenden umgeht, das zeigt ihre Kultur», so Grün. «Oder ihre Kulturlosigkeit», fügt er an. Und: «Wer im Guten sterben darf, hinterlässt keine Bitterkeit, sondern Hoffnung.» Und schliesslich nehme jeder, der im eigenen Umfeld stirbt, etwas von uns mit, «etwas, das wir geteilt haben, etwas Vertrautes». Das finde er eine trostreiche Vorstellung, im Hinblick auf den eigenen Tod.
Grün zeichnet in dem Zusammenhang das Bild vom Überqueren eines Bachs, bei dem man den Rucksack vorauswirft, bevor man selbst springt. Dieser «Rucksack» mit den geteilten Erinnerungen und Erlebnissen warte schon «drüben» auf uns: «Wir dürfen darauf vertrauen, dass auch uns der Sprung ins Jenseits gelingen wird.»
Mutter der Palliative-Care-Bewegung
Cicely Saunders, der die Wanderausstellung gewidmet ist, die aktuell in der Pflegi Muri zu sehen ist, hat während fünf Jahrzehnten schwerkranke Menschen am Ende des Lebens begleitet und sich für die Linderung ihrer Leiden eingesetzt. Vor 20 Jahren ist die Begründerin und Pionierin der modernen Hospiz- und Palliative-Bewegung gestorben. Sie hat global und international mit ihrem Schmerzverständnis und ihrer Schmerzforschung, aber auch durch ihren ganzheitlichen Begleit- und Pflegeansatz viele Menschen bewegen können, sich mit Themen wie Endlichkeit, Krankheit und Tod konstruktiv auseinanderzusetzen. Saunders reiste mehrere Male in die Schweiz und pflegte verschiedene Kontakte in die Deutschschweiz und in die französischsprechende Schweiz. --tst