Um dem Boden nicht zu schaden
17.02.2023 Unterlunkhofen, Berikon, KelleramtVorgestern wurde das Holz per Seilbahn aus einem Unterlunkhofer Holzschlag geholt
Es ist teurer als das herkömmliche Holzen. Trotzdem könnte der Einsatz einer Seilbahn auch im Flachland zum Thema werden.
Annemarie ...
Vorgestern wurde das Holz per Seilbahn aus einem Unterlunkhofer Holzschlag geholt
Es ist teurer als das herkömmliche Holzen. Trotzdem könnte der Einsatz einer Seilbahn auch im Flachland zum Thema werden.
Annemarie Keusch
Anhaltspunkte haben. Wissen, wo die Vor- und Nachteile liegen. Anhand von konkreten Zahlen und Holzschlägen entscheiden können. Das ist der Grund, weshalb der Kanton zusammen mit der WSL, der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, das Pilotprojekt lancierte.
Dass Seilbahnen in der Holzerei eingesetzt werden, ist nicht neu. In steilen Hängen, vor allem in Berggebieten, geht es oft nicht anders. Zugänglich sind die Holzschläge oft nur schlecht, für die schweren Maschinen sowieso. In Unterlunkhofen sieht die Situation anders aus. Hier führen Waldstrassen direkt zum Holzschlag. Der Boden ist einigermassen eben. Und trotzdem wurde diese Woche hier eine Seilbahn installiert. «Wir haben in unserem Gebiet viele nasse Böden und wollen darum herausfinden, ob die Seilbahn für uns eine gute Alternative wäre», sagt Christoph Schmid, Förster und Betriebsleiter des Forstbetriebs Mutschellen. Es gehe vor allem darum, den Boden zu schützen. Denn dieser braucht Jahrzehnte, bis er sich vom Druck der schweren Maschinen erholt hat.
Nächste Woche wird auch in Berikon mithilfe einer Seilbahn geholzt. Dass nur noch so gearbeitet wird, sieht Schmid als wenig realistisch.
Seilbahn führt Holz aus dem Wald
Besonderer Holzschlag diese Woche in Unterlunkhofen und nächste Woche in Berikon
Normalerweise sind es fahrende Maschinen, die das Holz aus dem Wald nehmen. Doch diese fügen dem Waldboden grossen Schaden zu. Neue Ideen sind also gefragt. Eine ist beispielsweise der Einsatz von Seilbahnen. Auch wenn sie normalerweise nur im Berggebiet angewendet werden, lanciert der Kanton ein Pilotprojekt beim Forstbetrieb Mutschellen.
Annemarie Keusch
Ein mehrere Meter hoher Masten steht mitten auf einem Waldweg. Gesichert ist er mit fünf Drahtseilen, die jeweils an mächtigen Bäumen befestigt sind. «Einen ganzen Tag hat der Auf bau gedauert», sagt Christoph Schmid, Förster und Betriebsleiter des Forstbetriebs Mutschellen. An einem dickeren und längeren Seil hängt der Laufwagen, der hin- und herfährt wie eine Seilbahn. Per elektronischer Steuerung weiss er, in welcher Distanz er die Bäume holen kann, und bringt sie zurück zum Hauptmasten. Dort nimmt sie ein Prozessor in Empfang, schlägt die Äste ab, schneidet sie auf die richtige Länge zurecht und stapelt sie. Es ist Hightech, was in den letzten Tagen im Unterlunkhofer Wald im Einsatz war.
Boden jahrzehntelang kaputt
Der Normalfall ist es nicht, dass im Mittelland Bäume an Laufwagen hängend aus dem Wald transportiert werden. Oder vielleicht noch nicht? Christoph Schmid erklärt, dass dies normalerweise mit schweren Forstmaschinen geschehe. Alle rund 30 bis 50 Meter – je nach Gelände – werde eine Fahrspur eingerichtet. Die Maschinen fahren immer auf dieser, um nur dort den Waldboden zu verletzen. Nur, dort, wo die Fahrspuren sind, ist der Boden jahrzehntelang kaputt. Es wachsen nur noch Dornen. «Hinzu kommt der optische Aspekt. Die Fahrspuren sehen nicht schön aus. Wir erhalten immer wieder entsprechende Rückmeldungen», sagt Schmid. Nur, wenn die Maschinen nicht immer nur die gleichen Wege nutzen würden, ginge noch viel mehr kaputt.
Verschiedene Varianten angeschaut
Und trotzdem, der Forstbetrieb sucht nach Alternativen, auch weil in seinem Gebiet besonders nasse Böden vorkommen. «Im Kanton Aargau gibts nur in Zofingen ähnliche Situationen», weiss Schmid. Weniger Fahrspuren zu machen, wäre eine Variante. «Heisst aber, dass die einzelnen noch mehr in Anspruch genommen werden.» Andere Maschinen sind auch im Gespräch. Etwa wurden solche mit Raupen eingesetzt, die aber den Waldstrassen Schaden zufügten. Eine Möglichkeit sieht Christoph Schmid in Fahrzeugen mit Moorraupen. «Diese minimieren den Bodendruck», weiss er.
Eine Variante wäre zudem das Holzen mithilfe einer Seilbahn. Um die gefällten Bäume aus dem Wald zu holen, müsste nicht mehr mit Fahrzeugen über den Waldboden vorgedrungen werden, sondern die Stämme würden via Seile transportiert. In den Berggebieten und an steilen Hängen wird das schon länger so praktiziert. «Vor ein paar Jahren brauchten wir dieses System auch schon bei uns, um das Holz aus einem steilen Bachtobel zu holen», erinnert sich Schmid. Nun wurde es getestet in ebenem Gelände.
Fast doppelt so teuer
Unterstützt wird der Forstbetrieb vom Kanton und auch von der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL. Ursprünglich waren vier Gebiete geplant, übrig geblieben sind zwei. «An den anderen beiden Standorten machte es schlicht keinen Sinn. Wenn der Preis fast dreifach so hoch ist wie beim herkömmlichen Holzschlag, dann geht es schlicht nicht.» Beim Gebiet in Unterlunkhofen ist der offerierte Preis knapp doppelt so hoch. Schmid spricht von Vorteilen, etwa dass der Waldboden geschützt werde. Oder auch, dass die geschleppten Bäume die Dornen aufreissen und die natürliche Verjüngung im Wald so besser möglich sei. Kommt hinzu, dass mit der Seilbahn die Maschinen kürzer im Einsatz sind.
Er weist aber auch deutlich auf die Nachteile hin. «Die Kosten sind natürlich ein stattlicher Punkt.» Ebenso mache es nur Sinn, wenn viel Holz auf kleiner Fläche genutzt werden könne. «Unser Ziel ist es aber, nicht ganze Flächen zu roden, sondern punktuell.» Es ist herauszuspüren, Schmid ist nicht gänzlich davon überzeugt, dass sich das Holzen mit dem Einsatz einer Seilbahn im Flachland durchsetzen wird. «Die Frage ist, wie viel wir oder noch mehr unsere Kunden bereit sind für die Bodenschonung zu investieren.»
Forschung schreitet international voran
Für Schmid ist klar, dass es wohl ein einfacheres System bräuchte, damit sich dieses auch im Flachland durchsetzen würde. «Eines, das sich schneller aufbauen lässt. Ein ganzer Tag Aufbau an nur einem Ort, das ist zu viel.» Entsprechende Bestrebungen seien im Gange und für «schwaches Holz», also für dünnere Stämme, gibt es bereits Alternativen. Schmid weiss, dass vor allem in Deutschland die Forschung vorangetrieben wird. Momentan verspricht sich Schmid mehr von den Moorraupen.
Das heisst nicht, dass er das Experiment mit dem Einsatz einer Seilbahn als gescheitert anschaut. «Ich bin froh, dass wir nun Anhaltspunkte haben. Wissen, was wie viel kostet, ob es im Verhältnis zur herkömmlichen Holzernte steht oder eben nicht.» 150 Kubikmeter wurden diese Woche in Unterlunkhofen per Seilbahn aus dem Wald gebracht, nächste Woche werden es in Berikon 400 Kubikmeter sein. Im Vergleich zu den 4000 Kubikmetern, die jährlich im Gebiet des Forstbetriebs nachwachsen und genutzt werden, wenig. Und etwa in diesem Bereich sieht Schmid auch die Möglichkeiten, die dieses System im Flachland bietet. «Zumindest jetzt. Das kann sich schnell ändern. Für den Schutz des Bodens wäre es sicher eine gute Sache.»