«Stück war die richtige Wahl»
30.06.2023 VillmergenDie Verantwortlichen des Theaters Villmergen ziehen insgesamt eine positive Bilanz
Für die einen war das Stück «Under em Milchwald» ganz grosses Theater, andere konnten mit der Produktion gar nichts anfangen. «Damit mussten wir rechnen», sagen ...
Die Verantwortlichen des Theaters Villmergen ziehen insgesamt eine positive Bilanz
Für die einen war das Stück «Under em Milchwald» ganz grosses Theater, andere konnten mit der Produktion gar nichts anfangen. «Damit mussten wir rechnen», sagen Präsidentin Hildegard Hilfiker und Produktionsleiter Niklaus Meyer.
Chregi Hansen
«Wir wissen, wer nicht gekommen ist», sagt Nik Meyer schmunzelnd. Anhand der Adressliste der Vorverkäufe sehen die Verantwortlichen recht genau, wer alles die neue Produktion «Under em Milchwald» besucht hat. Und wer nicht. «Da fehlen einige Namen von Personen, die sonst immer kommen», fügt der Produktionsleiter an. Gerade auch aus Villmergen selber.
Dass ihr neues Stück nicht bei allen auf Begeisterung stossen wird, das war den Theatermachern bewusst. «Es wird nicht einfach eine grosse Geschichte erzählt, sondern das Bild eines Dorfes gezeichnet mit ganz vielen Geschichten. Darauf musste man sich einlassen können», sagt Präsidentin Hildegard Hilfiker. Die Kritik an der Aufführung stört sie darum nicht, wenn sie sachlich vorgetragen wird. Und direkt an die Verantwortlichen gerichtet ist. «Daraus entstanden teilweise spannende Gespräche. Aber es gab Leute, die haben das Stück hintenrum schlechtgemacht. Gerade auch in Villmergen», bedauert die Präsidentin.
Zum Teil an der Sprache gestört
Demgegenüber steht das Lob von ganz vielen Zuschauern. Nicht zuletzt von Personen aus der Kulturszene. «Wir haben bei allen Bestellern von Tickets eine Umfrage gestartet. Rund 10 Prozent haben reagiert und uns ihre Meinung geschickt. Darunter war vieles, was uns sehr berührt hat», berichtet Meyer. Ein Gast schrieb: «Sehr lebendig, abwechslungsreich und wunderbar rhythmisiert. Extrem schönes und durchdachtes Bühnenbild mit genialem Einsatz von Requisiten.» Eine andere Besucherin meint: «Extrem gut getroffen das Dorfkolorit – wie in früheren Zeiten.» Er sei skeptisch gewesen und wurde mehr als positiv überrascht, schreibt ein Dritter. Es gab aber auch andere Stimmen. «Der Inhalt des Theaters war für mich etwas seicht, teilweise sogar schlüpfrig», meint eine Zuschauerin. Zu seicht oder zu wenig Spannung, das waren andere Rückmeldungen. Und einigen fehlte in der Aufführung schlicht der rote Faden.
Besondere Stimmung spürbar
Insgesamt fällt das Fazit aber positiv aus. Die 17 Produktionen waren sehr gut besucht. «Das ist nicht selbstverständlich, schliesslich war in diesen Wochen sehr viel los in der Region», sagt Meyer. Zudem wurde es gegen Schluss der Spielzeit recht heiss im Saal, was etwas auf die Stimmung drückte. Auch das Restaurant war gut besucht, wenn auch nicht an allen Abenden ausverkauft. «Was die Crew da unter schwierigen Bedingungen gezaubert hat, kann man nicht genug loben», sagt Hilfiker. Und das alles zum Nulltarif. «Überhaupt: Wir haben so viel Unterstützung erfahren. Auch von Sponsorenseite. Wir hatten Besucher aus der halben Schweiz. Wir sind einfach nur glücklich», so die Präsidentin.
Ganz konnte man den Erfolg des letzten Stücks «Der Kammerdiener» nicht wiederholen. «Aber damit konnten wir nicht rechnen», sagen Hilfiker und Meyer unisono. Während der «Kammerdiener» vor allem in der Region grossen Anklang fand, konnte «Under em Milchwald» auch Gäste von weiter weg anlocken. Rund ein Viertel des Publikums kam von ausserhalb des Freiamts. «Wir hatten Besucher, die hier waren, weil sie Fans von Autor Dylan Thomas sind. Und die wissen wollten, wie wir dieses Hörspiel auf die Bühne bringen», erzählt Meyer. Und sich nachher begeistert zeigten. Und bei aller Kritik, die sie auch einstecken mussten, würden er und Hilfiker wieder gleich entscheiden. «Man muss akzeptieren, dass nicht jedes Stück jedem gefällt. Aber es war die richtige Wahl», sind sie überzeugt.
Sie loben besonders auch die gute Stimmung im Team. «Es war eine Freude für uns, mit diesen Profis an der Seite ein solch spezielles Stück zu spielen», sagt Meyer. Und die Präsidentin streicht hervor, dass gleich vier Generationen zusammen auf der Bühne standen. «Wir haben jetzt einige Junge im Verein, die nachkommen», sagt sie. Damit sei die Zukunft gesichert. Falls denn die Jungen nicht nur spielen wollen, sondern auch in der Produktionsleitung mit anpacken. Denn es braucht nicht nur Schauspieler, sondern auch Power hinter den Kulissen.
Theater Muri ist wie Ferien
«Für uns war es ein Riesenchrampf», sagt Meyer. In den letzten Monaten hätten er und Hilfiker sich fast täglich um die Produktion gekümmert. Daneben sind beide auch im Theater Muri engagiert und mussten zwischen den Vorstellungen in Wohlen zur Probe auf den Klosterhof. Zeit zum Durchatmen bleibt also nicht. «Aber in Muri müssen wir nur spielen und haben keine Verantwortung für die Produktion. Das ist für uns wie Ferien», grinsen die beiden.
Eindrückliche Zahlen
Und wie geht es in Villmergen weiter? «Wir haben jetzt zwei grosse und äusserst aufwendige Produktionen hinter uns. So etwas können wir nicht jedes Mal leisten», sagt Meyer. Die Zahlen sind eindrücklich. Der Aufwand allein für Bühnenbau, Technik und Kostüme liegt bei 2170 Stunden. Ohne Beiz gerechnet. 170 Scheinwerfer wurden installiert, dazu 50 weitere technische Apparate. 30 Schauspieler verkörperten 43 Figuren in 50 verschiedenen Kostümen.
Gefreut hat die Verantwortlichen der grosse Zuspruch aus Wohlen, von den 3067 Zuschauern stammten rund 600 aus dem Ort, wo das Stück aufgeführt wurde. Das sind deutlich mehr als bei früheren Produktionen in Villmergen. Aus dem eigenen Dorf nahmen rund 700 Personen den Weg nach Wohlen unter die Füsse. Der raumbedingte Umzug in die Nachbargemeinde hat also nicht von einem Besuch abgehalten. Trotzdem hofft die Theatergruppe, nächstes Mal wieder im eigenen Dorf spielen zu können. «Wenn das Schulhaus Dorf wirklich zu einem Kulturzentrum umgebaut wird, ist das eine riesige Chance für uns», sagt Niklaus Meyer.
Vielleicht erst mal was Kleines
Bis dahin heisst es, weiter einen Raum für die nächste Produktion zu suchen. Allenfalls werde man etwas Kleineres, Einfacheres machen. Nichts Eigenes, sondern eine fertige Produktion. Vielleicht nur während zwei, drei Wochen, damit man die Mehrzweckhalle nutzen kann. «Es muss nicht immer eine Eigenproduktion sein», sagt die Präsidentin. Ein Entscheid sei aber noch nicht gefallen. Erst einmal gilt es die anstrengenden Wochen zu verdauen. Und das eigene Stück selber mal auf Video anzuschauen. «Wir haben die Produktion ja noch gar nicht gesehen, die Inszenierung liess uns keine Zeit, mal einen Blick auf die Bühne zu werfen», schmunzelt Hilfiker. Nun wolle man aber doch wissen, warum so viele so sehr schwärmen und einige wenige so unzufrieden sind. Selber bleiben fast nur positive Erinnerungen. «Wir würden alles wieder gleich machen», sagen darum beide.