Sorge um historisches Erbe
28.10.2025 Wohlen, VereineDer Verein «Schöner Wohlen» reicht stellvertretend für fünf Anwohner Einsprache gegen das Projekt der Raiffeisenbank ein
Das Projekt «Reach 17» der Raiffeisenbank hat schon viel Aufmerksamkeit hervorgerufen. Nun steht es erneut im ...
Der Verein «Schöner Wohlen» reicht stellvertretend für fünf Anwohner Einsprache gegen das Projekt der Raiffeisenbank ein
Das Projekt «Reach 17» der Raiffeisenbank hat schon viel Aufmerksamkeit hervorgerufen. Nun steht es erneut im Mittelpunkt. «Schöner Wohlen» steht dem Projekt bereits kritisch gegenüber. Nun hat der Verein in Vertretung von Anwohnern eine Einwendung eingereicht. Es wird vor allem ein objektives und fundiertes Fachgutachten verlangt.
Daniel Marti
Das Lüthi-Tschiemer-Haus an der Friedhofstrasse soll dem Projekt «Reach 17» weichen. Aus «Reach 17» soll ein Wohn-, Geschäfts- und Kulturhaus werden. Dagegen hat der Verein «Schöner Wohlen» bereits verschiedentlich opponiert – mit einem Vorstoss im Einwohnerrat und mit kritischen Fragen an den Gemeinderat. Nun folgt der nächste Schritt. In Vertretung von fünf Anwohnern reichte der Verein eine Einwendung gegen das Baugesuch der Raiffeisenbank Wohlen ein. Auch mit dem Ziel, das 200-jährige Lüthi-Tschiemer-Haus zu retten.
Im Einsatz für den Erhalt des Lüthi-Tschiemer-Hauses an der Friedhofstrasse wird der Verein auch durch den Präsidenten des Schweizer Heimatschutzes, Martin Killias, unterstützt. Die Anwohner und der Verein verlangen einen verantwortungsvollen Umgang mit der sehr alten Liegenschaft. Man soll sich mit dem Bestand objektiv und kritisch auseinandersetzen. Und man soll «nachvollziehbare Gründe ins Feld führen, warum der Erhalt der Historie keinen Wert hat», schreibt Philipp Simka, Präsident von «Schöner Wohlen», in einer Medienmitteilung. Man verlangt auch eine «fachlich fundierte Aufarbeitung der vernichteten grauen Energie».
«Diese Haltung ist rückständig»
Simka weiter: «Wir erachten es als äusserst bedauerlich, dass auch im Jahr 2025 keinerlei objektive oder professionelle Abklärungen gemacht werden, wenn ein über 200-jähriges Baudenkmal vernichtet werden soll. Im Baugesuch der Raiffeisenbank Wohlen ist jeder Quadratzentimeter geplant, begutachtet und dargelegt, aber die vorhandene Bausubstanz wird mit keiner Silbe gewürdigt – ausser bei der Schadstoffanalyse.» Die fachgerechte Entsorgung der Wohler Baugeschichte sei die «einzige Würdigung, die der Altbau im Baugesuch erfährt», meint er schon ein wenig zynisch.
Der Verein kritisiert zudem, dass sich Einwohner- und Gemeinderat nicht genügend mit dem Erhalt des Lüthi-Tschiemer-Hauses auseinandergesetzt haben, obwohl Anfang Jahr mit einem Vorstoss genau das eingefordert wurde. «Wir erkennen keinen objektiven Grund, warum man den Altbau nicht ertüchtigen und in das Neubauprojekt einbeziehen kann», so Simka. Genau das entspricht ebenfalls der offiziellen Meinung des Aargauer Heimatschutzes. Lucie Köpfli, Architektin und Geschäftsführerin des Aargauer Heimatschutzes, sprich Klartext: «Ich bin der festen Überzeugung, dass der Erhalt dieser ikonischen Volumetrie die Identität des Ortes stärken würde und für das Projekt ein Gewinn und kein Hindernis wäre. Ausserdem empfinde ich es viel eher als zukunftsweisend, den Bestand zu achten und miteinzubeziehen, anstatt dem Boden gleich zu machen. Für mich ist die Haltung, dass ein 200-jähriges Gebäude ausgedient hat, rückständig.»
Unterschutzstellung erneut ein Thema
Der Verein «Schöner Wohlen» hat die Geschäftsleitung der Raiffeisenbank kontaktiert. Der Verein habe aber nur Floskeln als Antworten bekommen, Aspekte, die aus Raiffeisen-Sicht «einen Erhalt unmöglich machen». Die Raiffeisenbank habe sich zu wenig mit dem Erhalt und der Weiterentwicklung der bauhistorischen Substanz auseinandergesetzt, glaubt Philipp Simka. Er verweist auch auf den Eintrag des Lüthi-Tschiemer-Hauses im Kurzinventar der kantonalen Denkmalpflege. Dieses Inventar dient als Bestandesaufnahme der in Betracht fallenden Schutzobjekte. Im Rahmen der BNO-Teilrevision aus dem Jahr 2013 wurde das Haus zwar begutachtet, jedoch nicht unter Schutz gestellt. «Die Erwägungen hierzu sind nirgends schriftlich festgehalten. Beurteilungskriterien fehlen gänzlich», hält der Verein fest. «Eine Wiedererwägung zwingt sich gerade deshalb auf, da eine vollständige BNO-Revision in Wohlen in Vorbereitung ist.» «Schöner Wohlen» macht geltend, dass man seit 18 Monaten die Geschäftsleitung der Raiffeisenbank wiederholt in einem Punkt befragt: Sie möge doch nachvollziehbar erklären, «wieso man die Historie nicht erhalten und weiterentwickeln könne». Die Bank habe diese Chance nicht genutzt. Deshalb müsse «Schöner Wohlen» die Antworten auf dem Rechtsweg einfordern.
Drei Gutachten gefordert
Die Einwendung umfasst insgesamt sechs Seiten – inklusive Vollmacht der fünf Anwohner, Inventarblatt und Stellungnahme des kantonalen Baudepartements aus dem Jahr 2010. Das Baugesuch zu «Reach 17» sei abzuweisen und mit einer einwandfreien Beurteilung der lokalhistorischen Bedeutung des Lüthi-Tschiemer-Hauses zu ergänzen, so die Forderung. Die besorgten Anwohner leben alle innerhalb von 100 Metern von der fraglichen Parzelle entfernt. Diese sorgen sich um das historische Erbe und die ökologische Zukunft.
Im Baugesuch müsste zudem der geplante Abriss begründet sein. Die Einwender verlangen insgesamt drei Gutachten: ein historisches Fachgutachten, eine energetische Betrachtung und eine Beurteilung der Bausubstanz. «Die Forderung nach diesen objektiven Beurteilungen ist absolut begründet, um den Abbruch eines fast 200-jährigen Kulturgutes überhaupt rechtfertigen zu können», heisst es im Fazit in der Einsprache. Sollten die drei Gutachten sich eindeutig gegen einen Erhalt des Altbestandes aussprechen, so werde die Einwendung vorbehaltlos zurückgezogen. «Es bleibt zu hoffen, dass sich die Bauherrin sachlich und nicht juristisch mit den Begehren auseinandersetzt.»


