So gemütlich wie möglich
24.03.2023 MuriEinblick in die Asylunterkunft in der GOPS
Ekrem, Remzi und Ahmadzai haben an diesem Tag Geburtstag. Ihre Namen stehen auf einer Tafel. Es ist ein kleines Detail, das Ioannis Xypolitidis eingeführt hat. Seit zwei Wochen ist er Zentrumsleiter der Asylunterkunft in der GOPS in ...
Einblick in die Asylunterkunft in der GOPS
Ekrem, Remzi und Ahmadzai haben an diesem Tag Geburtstag. Ihre Namen stehen auf einer Tafel. Es ist ein kleines Detail, das Ioannis Xypolitidis eingeführt hat. Seit zwei Wochen ist er Zentrumsleiter der Asylunterkunft in der GOPS in Muri. «Manchmal sind es kleine Dinge, die einen Ort wohnlicher machen», sagt er. 60 Männer leben aktuell in den Räumlichkeiten im Untergeschoss des Spitals. «Das Miteinander funktioniert ganz gut», sagt Xypolitidis. Besonders gut sichtbar werde es in der Küche. Für das Einkaufen und Kochen legen viele Flüchtlinge ihre Taggelder zusammen, stehen gemeinsam am Herd, essen zusammen. --ake
Warten möglichst oft unterbrechen
In der GOPS des Spitals Muri leben aktuell 60Flüchtlinge – die Betreuung ist ein Balanceakt
Tageslicht haben sie in ihrer Unterkunft kaum. 60 geflüchtete Männer leben miteinander auf engem Raum. Rund um die Uhr sind mindestens zwei Betreuer der ORS Service AG vor Ort. «Die Stimmung ist okay», sagt Zentrumsleiter Ioannis Xypolitidis. Wie lange die GOPS noch als Asylunterkunft gebraucht werde, sei unklar.
Annemarie Keusch
Fast wie ausgestorben wirkt die GOPS an diesem Nachmittag. Das schöne Wetter lockt viele Flüchtlinge nach draussen. Vor den Aufenthalts-Containern spielen einige Pingpong. Nur vereinzelt verbringen die Geflüchteten diesen Nachmittag unterirdisch, in den Räumen, in denen sie leben. Einer steht am Töggelikasten. Ganz alleine schiesst er ein Tor um das andere – ohne Gegner. Ein anderer liegt auf dem Sofa, sein Blick auf das Handy gerichtet. «Wir haben bewusst nicht in allen Räumen WLAN eingerichtet. Gerade in den Schlafräumen nicht, damit die Männer diese tagsüber verlassen», sagt Ioannis Xypolitidis. Seit zwei Wochen ist er Zentrumsleiter der Asylunterkunft.
Ein junger Mann wischt die Küche sauber. «So können sie ein wenig dazuverdienen», erklärt Noël Cordier. Bis vor wenigen Wochen war er Zentrumsleiter, hat diesen Posten mittlerweile in Birmenstorf inne. Er ist stellvertretender Mandatsleiter im Kanton Aargau, ist seitens der ORS mitunter dafür verantwortlich, dass Unterkünfte für die Unterbringung von Asylsuchenden innert kurzer Zeit bereitgestellt werden. Mitte Dezember wars, als zum zweiten Mal in den letzten zehn Jahren Flüchtlinge in die Geschützte Operationsstelle des Spitals (GOPS) einzogen. «Es ging nicht mehr anders», sagt Reto Marthy, der seitens des kantonalen Sozialdienstes für die Koordination mit der ORS Service AG zuständig ist.
Entwicklung nicht absehbar
Marthy spricht von normalen Flüchtlingsströmen, meint etwa jene aus Syrien, Afghanistan oder der Türkei. Und dann kamen in den letzten Monaten eben jene aus der Ukraine hinzu. Die oberirdischen Unterkünfte, ob von Bund, Kanton oder den Gemeinden, sie sind alle besetzt. «Dass die unterirdische Unterbringung nicht ideal ist, dessen sind sich alle bewusst», sagt Marthy. Alle Bewohner der GOPS sind Asylsuchende mit Status N, Flüchtlinge, die auf den Bescheid warten, ob sie in der Schweiz bleiben dürfen oder nicht. Diese Verfahren können andauern. Wie lange sie unterirdisch wohnen bleiben, weiss darum niemand. «Natürlich hoffen wir, dass alle schnell zurück in oberirdische Unterkünfte wechseln können, aber Prognosen sind schwierig», sagt Marthy. Aktuell sei die Unterbringungssituation im Kanton angespannt. Der Kanton Aargau lässt die GOPS in Aarau und die Zivilschutzanlage in Lenzburg für eine mögliche Unterbringung von Flüchtlingen herrichten. «Wir wollen bereit sein, sollte es diese brauchen.»
Unterirdisch zu leben, für eine unbestimmte Zeitdauer, damit gehen nicht alle Gef lüchteten gleich um. «Wenn wir sie fragen, wie es ihnen geht, sagen die meisten: gut», weiss Noël Cordier. Erst wenn die Gespräche tiefer gehen, kommen Ängste, Traumata ans Tageslicht. Um jemanden zum Reden zu haben, auch dafür sind die ORS-Betreuer vor Ort, rund um die Uhr mindestens zu zweit. «Oft sind es Alltagsfragen», weiss Lutz Hahn, Kommunikationsverantwortlicher der ORS Service AG, wie der Zugverkehr funktioniere, zum Beispiel.
Mit ihnen reden oder kochen
Die Betreuer schauen, dass die Regeln eingehalten werden, sind Ansprechpersonen. Sie sorgen aber auch dafür, dass die Langeweile nicht überwiegt. Obwohl Noël Cordier Klartext spricht: «Der Grossteil des Tages besteht aus Warten. Da müssen wir uns nichts vormachen.» Trotzdem, die Betreuer helfen und animieren, wo sie können, ob beim Deutschkurs oder beim Kochen. Etwa dann, wenn die Flüchtlinge nicht alle Lebensmittel kennen, die einmal wöchentlich von «Tischlein deck dich» geliefert werden. «Dann zeigen wir ihnen auch mal, was aus Romanesco alles gekocht werden kann.»
Grosse Unterstützung erleben sie bei der Schaffung von Angeboten auch von Freiwilligen. Sei dies die Reformierte Kirchgemeinde, die Wanderungen organisiert, am Sonntag beispielsweise zum Flugplatz in Buttwil. Oder letzten Sonntag, als aus dem Umfeld des FC Muri ein Fussballturnier organisiert wurde, samt zur Verfügung gestellten Trikots und Fussballschuhen. «Dafür sind wir enorm dankbar», sagt Ioannis Xypolitidis. Regelmässig gehören auch Deutschkurse zum Programm.
Wenig Privatsphäre
Hinzu kommen Termine, beim Arzt, auf Ämtern, bei der Migrationsbehörde. Und eben, das selbstständige Einkaufen, Kochen. Der ehemalige Zentrumsleiter Noël Cordier spricht von einem Balanceakt. «Klar, wir könnten für sie alle Termine im Griff haben, sie rundum betreuen. Aber das wollen wir nicht. Sie sollen auf eigenen Beinen stehen, selbst denken und handeln müssen. Das hilft auch gegen den Lagerkoller», ist er überzeugt. Denn diesen gibts, auch wenn die Platzverhältnisse bei 150 Betten und 60 Flüchtlingen schlimmer sein könnten. Privatsphäre gibts kaum. Jeder hat einen Spind, den er mit seinen persönlichen Sachen füllen kann, sofern er denn solche hat, und ein kleines Fach in einem Kühlschrank. Wer bei den Stockbetten unten schläft, schafft sich mit Laken etwas Privatsphäre. Mehr geht nicht. Und trotzdem sei es wichtig, sich Raum zu lassen. Etwa jetzt für einen Gebetsraum während des Ramadans und neue Öffnungszeiten der Küche.
Die Betreuung der GOPS-Bewohnenden ist auf mehrere Arten wichtig. Auffälligkeiten oder Reklamationen seitens der Nachbarschaft gab es bisher nicht. Die Regeln werden eingehalten – Nachtruhe, Hygiene, Alkoholverbot in der Unterkunft. Und gleichzeitig ist das Betreuen Integration. Denn neben erfahrenen Leuten, die seit Längerem in diesem Metier arbeiten, sind oft auch von ORS intern ausgebildete Mitarbeitende mit Migrationshintergrund in der Betreuung tätig. «Sie sprechen die Sprache der Geflüchteten, kennen ihre, aber auch unsere Kultur, sind also Brückenbauer», betont Lutz Hahn. Obwohl er weder Persisch noch Arabisch spricht, ist auch Ioannis Xypolitidis ein solcher. Weil viele via Griechenland nach Westeuropa flüchteten, können sie sich mit ihm auf Griechisch unterhalten. Aber auch wenn es Sprachbarrieren gibt, «ein guter Betreuer muss Menschen mögen». So sagt es Lutz Hahn. Und so wird es in der GOPS gelebt, trotz aller Umstände. Ein Hallo auf dem Gang liegt immer drin, ein kurzer Schwatz ebenso. Und dann steht Ioannis Xypolitidis neben einem der Flüchtlinge, greift zum Griff des Töggelikastens. Alleine geht «töggele» schliesslich nicht.
Dankesapéro der Gemeinde
Der Gemeinderat schätzt es sehr, dass sich viele Murianerinnen und Murianer zum Wohl der geflüchteten Menschen aus der Ukraine und anderen Ländern einsetzen – sei es als ehrenamtlich arbeitende Freiwillige oder als Gastfamilien. Als Zeichen des Dankes lädt er all diese Personen ein zu einem Dankesapéro am Freitag, 14. April, ab 17 Uhr. Der Treffpunkt wird später kommuniziert. Aus organisatorischen Gründen ist eine Anmeldung bis 10. April via E-Mail an sozialedienste@muri.ch oder Telefon 056 675 52 30 erforderlich. --gk