Skulpturen von zwei Künstlern
03.08.2023 Region Oberfreiamt, BoswilSommerserie «Freiämter Produkte»: Pius Notter und die Liebe zu kleinen Bäumchen und buddhistischen Bildergärten
Er ist ein Pionier in der Schweiz und hat sich ohne grosse Vorkenntnisse einen Namen in einer jahrhundertealten Tradition gemacht. ...
Sommerserie «Freiämter Produkte»: Pius Notter und die Liebe zu kleinen Bäumchen und buddhistischen Bildergärten
Er ist ein Pionier in der Schweiz und hat sich ohne grosse Vorkenntnisse einen Namen in einer jahrhundertealten Tradition gemacht. Pius Notter und sein Gespür für Bonsai und dreidimensionale Gärten sind über die Landesgrenze hinaus bekannt.
Monica Rast
Bei einem Besuch im Garten von Pius Notter fallen sofort die zahlreichen kleinen Bäume in flachen Schalen auf. Jeder ein kleines Kunstwerk und dementsprechend werden sie auch präsentiert. Der Garten für sich ist schon eine Augenweide. Ein harmonisches Spiel aus Stein, Wasser und Pflanzen. Ein Fleck Erde, auf dem man seine Seele baumeln lassen kann und der nur so von Harmonie und Ruhe strahlt.
Den Naturgewalten getrotzt
Pius Notter ist eigentlich gelernter Bäcker, passionierter Bergsteiger und Mineraliensammler. Wegen einer Mehlallergie wechselte er auf Anraten seines Arztes den Beruf und wurde Swisslife-Berater. Ein Beruf mit guten Aufstiegschancen und Verdienstmöglichkeiten. Seine Touren in die Berge sind der Ausgleich.
Als Bergsteiger faszinieren Notter seit jeher die klein bleibenden und verkrüppelt aussehenden Bäume, die im rauen Klima der Berge Wind und Wetter trotzen. Diese Bäume haben sich den Begebenheiten angepasst. «Die Natur hat es so geregelt, dass die Bäume anstelle der 30Meter nur 30 Zentimeter hoch werden», erklärt Pius Notter. Geringe Grösse, wenig Platz für Wurzeln, und doch haben sie zum Teil jahrzehntelang den Naturgewalten getrotzt. Und dies auf der ganzen Erde – egal ob im Gebirge, an Küsten oder an einem sehr trockenen Ort.
Genau einen solchen Baum nahm er damals von einer Bergtour in der Bernina mit nach Hause. Und es sollte nicht der einzige bleiben. Er machte es sich zum Hobby, den Miniaturbäumen, die aus irgendeinem Grund nicht mehr dort bleiben konnten, wo sie wuchsen, in alten Holzkisten, Schalen oder Pfannen ein neues Zuhause zu geben. In einem Gartenbuch von Reader’s Digest, das er von seiner Mutter bekam, fand er eine Seite, die genau sein Mitbringsel aus den Bergen beschrieb. «Ich war fasziniert und mir wurde klar, dass ich unbewusst Bonsais sammelte.» Mit der Zeit fand Notter heraus, wie er mit Schneiden und mithilfe von Draht den Baum in eine bestimmte Form lenken kann. «Quasi learning by doing», erinnert sich Notter schmunzelnd.
Charakterstarke Bäume formen
Das war vor über 40 Jahren. «Damals wusste noch niemand etwas über Bonsais in unseren Breitengraden», erklärt Notter, der inzwischen vom Pionier zum Experten geworden ist. Das Naturphänomen des Zwergenwachstums in der Felswand wird bei den Bonsais künstlich hergestellt, indem man sie in flache Schalen mit sehr wenig Erde pflanzt. «Bonsai ist nichts anderes, als einen alten charakterstarken Baum zu gestalten», betont der Bonsaianer, «nicht zu verwechseln mit Züchten, was im Allgemeinen angenommen wird.»
Ein Bonsai ist eine lebende Skulptur, die von zwei Künstlern geformt wird – der Natur und dem Menschen. «Das Gestalten von Bonsai hat immer wieder zu Diskussionen geführt», erzählt Notter. Dabei wurden er und seine Bonsais auch schon von verschiedenen Seiten zerrissen, das verstehe er nicht ganz. «Das, was ich mache, ist ein Abbild eines schönen Baumes, nur kleiner.» Er versteht nicht, dass Bonsaigegner von «unnatürlich» sprechen, obwohl es gang und gäbe ist, Hecken in jede erdenkliche Form zu schneiden.
Die «eine» Bergkiefer
Es folgten Berichte über seine Arbeit, die die Aufmerksamkeit von Bonsailiebhabern aus ganz Europa mit sich zogen. Die grösste Aufmerksamkeit wurde ihm aber zuteil, als er als erster Europäer überhaupt den Wettbewerb «World Bonsai Contest» gewann. Seine Arbeit über die Gestaltung einer wilden Bergkiefer aus dem Göschenen-Tal überzeugte die Jury. «Das war eine Sensation», erinnert sich Notter an den Sieg vor 23 Jahren.
Er empfängt seither immer wieder Gäste aus Japan und ist auch dort ein gern gesehener Gast. Seine Besuche in dem Land führten ihn auch immer wieder in die «Japangärten», wie man sie ausserhalb Asiens bezeichnet. Dort werden sie als buddhistische Bildergärten bezeichnet.
Gärten der Buddhisten
Seit über 1000 Jahren pflegen die Buddhisten diese Art Garten und Bonsais kann man sogar bis 2000 Jahre zurückverfolgen. Mönche nehmen diese Naturphänomene ins Kloster und gewähren ihnen eine spezielle Aufmerksamkeit. In den buddhistischen Bildergärten bilden die Mönche mit speziellen Steinen und weiteren Pflanzen einen Ort der Ruhe und der Meditation. «In dieser Kultur ist das ein wichtiger Bestandteil und gilt als Seelennahrung», weiss Notter. «Sind Körper und Geist im Gleichgewicht, fühlt man sich gesund», und Notter fragte sich, warum man so etwas nicht auch in der Schweiz macht.
«Jeder Garten sieht hier gleich aus.» Dies war seine Motivation zur Selbstständigkeit. 1985 machte Pius Notter seine Passion zum Beruf und 2005 gründete er seine eigene Firma mit dem Gedanken, die Schönheit und Philosophie des «japanischen Gartens» zu verbreiten und zu fördern. «Den Garten so zu gestalten, dass er mit der Umgebung verschmilzt, das ist die Kunst der Japaner.» Sein Konzept schlug ein wie eine Bombe. Unter seinen Kunden befinden sich namhafte Persönlichkeiten und Notter geniesst auch heute noch einen internationalen Ruf.
Zurzeit gestaltet Pius Notter den Garten für Niklas Nikolajsen in Zug, ein grosses Projekt, um das sich die namhaftesten Gartenbauer beworben haben. «Was aber nicht heissen soll, dass man für einen solchen Garten Millionär sein muss.» Pius Notter empfängt auch immer wieder Gäste in der Oase in Boswil. Viele seiner Bonsais sind jahrzehntealt. Besondere Exemplare werden bereits seit zwei Generationen gehegt und gepflegt und alle sind definitiv Unikate von Mutter Natur. «Es ist schön, wenn man sein Hobby zum Beruf machen kann. Da kann man nicht pensioniert werden», meint er schmunzelnd und widmet sich wieder seinen Bonsais.