Sammlung und Kunst mit «Chlapf»
29.09.2023 Mutschellen, BerikonBarbie-Kopf im Fleischwolf
Wohnen im alten Schulhaus – Ursula Berger zeigt ihr aussergewöhnliches Haus in Berikon
Das erste Schulhaus in Oberberikon wurde in den 1820er-Jahren gebaut. Heute lebt Ursula Berger in den alten Gemäuern. ...
Barbie-Kopf im Fleischwolf
Wohnen im alten Schulhaus – Ursula Berger zeigt ihr aussergewöhnliches Haus in Berikon
Das erste Schulhaus in Oberberikon wurde in den 1820er-Jahren gebaut. Heute lebt Ursula Berger in den alten Gemäuern. Die Künstlerin und Sammlerin hat daraus eine Art privates Museum gemacht.
Sabrina Salm
Das Hausinnere zeigt im Wesentlichen noch die frühere Grundrissanordnung mit den zwei stockwerkweise angelegten Schulräumen und dem rückwärtigen Treppenhaus. Die Familie Berger hat nach dem Erwerb des Hauses im Jahr 1969 in eigener Regie umgebaut. «Wir haben so viel wie möglich gelassen, wie es war», sagt die 80-jährige Ursula Berger.
Besonderes Haus, besonderer Mensch
«Alte Sachen haben eine wahnsinnige Ausstrahlungskraft auf mich», erzählt sie. Diese Faszination geht nicht nur von alten Häusern aus, sondern bezieht sich auch auf Möbel. «Jeder Gegenstand erzählt seine eigene Geschichte.» Und solche Geschichten findet man in ihrem Haus genügend. Wie etwa jene des Grabkreuzes oder des langen, massiven Holztischs. Sie weiss noch genau, wo und wann sie diese Lampe oder jenen Stuhl gefunden hat. Die Fundstücke werden nicht einfach lieblos im Haus platziert. Sie bekommen ihren eigenen Platz, wo sie zu den bereits vorhandenen passen. In jeder Ecke hat es Antiquitäten. In jedem Raum findet man auch Kunst. Bilder und Skulpturen von Künstlern, die sie mag. Aber auch von ihr selbst. «Meine Kunst ist abstrakt und beinhaltet immer eine Prise Humor», meint sie. Gerne reizt sie damit. Und oft werden zwei gegensätzliche Sachen zusammengefügt. So bekommt eine Statue aus Stein, bei der ein Arm fehlt, einfach einen Barbie-Arm montiert. Oder ein alter Fleischwolf wird mit einem Barbie-Kopf geschmückt. Ein Rundgang durch das ehemalige Schulhaus ist spannend und man fühlt sich, als wäre man in einem Museum.
Ursula Berger wohnt im alten Schulhaus in Oberberikon wie in einem Museum
Sie ist Künstlerin und Sammlerin. Und ihr Haus ist selbst eine Art Museumsstück, denn Ursula Berger wohnt im 1826 erbauten ersten Schulhaus im oberen Teil von Berikon. Die 80-Jährige gewährt einen Einblick in ihre skurrile Sammlerwelt.
Sabrina Salm
Religiöse Kränze säumen den Aufstieg der breiten Holztreppe. Sowie auch Bilder und Figuren aus der Kirche. Gar ein Grabkreuz aus Holz ziert die Wand. «Für mich hat diese Kunst aber nicht unbedingt etwas mit Religion beziehungsweise dem Glauben zu tun», erzählt deren Besitzerin Ursula Berger. «Für mich ist das Volkskunst.» Ebenso die antiken Töpfe, Teller und das Kochgeschirr aus längst vergangener Zeit, die einen ebenfalls noch auf den Stufen erwarten, ist für sie Heimatkunst. Und wenn man in die Stube tritt, weiss man gar nicht, wo man zuerst hinsehen soll. «Manche erschlägt es förmlich», lächelt Berger, geht zu einer der vielen antiken und speziellen Lampen und knipst sie an. «Jede einzelne funktioniert», meint sie zufrieden.
Haus mit Geschichte
Was heute die Wohnstube ist, war früher ein Schulzimmer. Denn das Haus von Ursula Berger ist selbst ein Museumsstück – es war das Schulhaus von Oberberikon, das in den 1820er-Jahren erbaut und einige Jahrzehnte später um ein zusätzliches Stockwerk erweitert wurde. Die berühmte Freiämter Lyrikerin und Schriftstellerin Erika Burkart soll hier einst unterrichtet haben, wie ehemalige Schüler der heutigen Besitzerin erzählten. Es sei ihre erste Stelle als Lehrerin gewesen. Bis in die Mitte der 1950er-Jahre wurde hier unterrichtet. Wie es im kantonalen Bauinventar heisst, diente das Schulhaus in Oberberikon im Zweiten Weltkrieg als Gefängnislokal, später wurde es von der Gemeinde an Bauarbeiter vermietet. 1969 ging es in den Besitz der Familie Berger über. Von alten Häusern seien sie fasziniert gewesen. «Wir hatten eine lebhafte Fantasie, was man alles aus dem Haus machen könnte», erzählt Berger. Das Ergebnis sei nah an die Vorstellung herangekommen. «Wir haben so viel wie möglich so gelassen, wie es war. An die 120 Kinder gingen jeweils hier ein und aus und haben ihre Spuren hinterlassen.»
Stöbern in Brockenhäusern ein Hobby
Sie ist eine Sammlerin durch und durch. Ihr Haus gleicht einem Museum. «Das Stöbern in Brockenhäusern ist ein Hobby von mir. Alles, was mir gefällt, wird nach Hause geschleppt», meint die Mutter eines Sohnes lachend. Dabei fallen ihr besonders alte, spezielle Möbelstücke oder Dekorationsartikel in die Hände. «Diese alten Sachen haben eine wahnsinnige Ausstrahlungskraft auf mich. Je lädierter sie aussehen, desto mehr gefallen sie mir.» Schon als Kind habe das angefangen, erinnert sie sich zurück. «Ich weiss noch genau, als meine Grossmutter starb, wurde ihr Haus geräumt. Ich wollte unbedingt einige Sachen mitnehmen, das wurde mir aber von den Eltern nicht erlaubt.» Auch wenn sie so vieles in ihrem Haus hat, ist es nicht überstellt, nein, alles hat seinen Platz und ist schön geordnet. Sie bevorzugt Möbel mit Schubladen. Darin lassen sich wahre Schätze finden. Wie die Strohornamente aus den goldenen alten Zeiten. Wie kann es auch anders sein bei einer Sammlerin, die seit vielen Jahrzehnten im Freiamt wohnt. «Alle meine Gegenstände haben ihre persönliche Geschichte. Das fasziniert mich.» So auch der massive, über vier Meter lange Tisch in ihrem Wohnzimmer. Er stand früher im Pfarrhaus in Bünzen auf dem Estrich. «Vor dem Umbau des Pfarrhauses haben eine Kollegin und ich bei der Räumung geholfen. Der Tisch war voller Staub und Taubendreck, doch den wollte ich unbedingt haben.»
Grenzen ausloten
Ursula Berger wuchs im Glarnerland und in der Stadt Zürich auf. Sie ist nicht nur Sammlerin, sondern auch selbst künstlerisch aktiv. «Ich hatte in eine Künstlerfamilie eingeheiratet.» Ihre ehemaligen Schwiegereltern Ferdinand und Lotti Berger waren beide Kunstschaffende aus Berikon. Ihre eigene Kunst hat sie bereits zweimal am ArtWalk in Bremgarten präsentiert. Und auch im Schaufenster der alten Bäckerei an der Oberdorfstrasse ist ihre Kunst zu sehen. Für die Weihnachtszeit hat sie auch schon spezielle Exponate parat. «Dann wird wahrscheinlich mein männlicher Engel aus Papiermaschee einen Platz im Schaufenster finden», sagt sie lächelnd. Und der Engel ist wirklich ganz offensichtlich männlich. Das verrät ein Blick unter den Rock ...
Sie provoziert mit ihrer Kunst und Sammlung gerne. So auch mit ihren Puppen- und Barbie-Werken. Bei ganz alltäglichen oder alten Gegenständen, wie einem Fleischwolf oder einem Kerzenständer, schaut auf einmal ein Barbie-Kopf heraus oder er ist mit Armen und Beinen der Plastikpuppen geschmückt. «Ich hasse Barbies. Eines Tages erhielt ich eine ganze Schachtel davon geschenkt. Ich wusste nicht, wofür ich diese gebrauchen sollte. Also habe ich Dekorationsgegenstände daraus gemacht», erklärt sie ganz natürlich. Die Frage «Wie weit darf ich gehen?» stellt sie sich dabei und lotet diese Grenze gerne aus. Kuriose Dinge findet sie spannend. Zwei gänzlich unterschiedliche Sachen zusammenzufügen, reize sie stets aufs Neue. «Es muss immer ein gewisser ‹Chlapf› rein.» Also eine Prise Humor.
Sammlung wird nie fertig sein
Sie arbeitet viel mit Papiermaschee, Schwemmholz, rostigen Sachen und hat eine Vorliebe für Verpackungsmaterial. «Es macht immer noch Spass.» Sie sei getrieben, weil sie immer etwas sehe, woraus sie Kunst machen oder eben in ihre Sammlung integrieren könne. Und fertig sei die Sammlung sowieso nie. «Mein Platz ist mittlerweile beschränkt. Von mir aus dürfte das Haus schon noch grösser sein», schmunzelt sie.
Was sie noch in ihrer Ausstellung, pardon, in ihrem Zuhause gerne hätte? «Wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann ein knallgelbes Sofa oder eine mit Fell bezogene Corbusier-Liege. Oder den Davide von Florenz für meinen Garten.»
Bald im TV
Ursula Berger hat ihre Haustür für die Sendung «Ding Dong» mit Viola Tami geöffnet. Sie wird am 6. Oktober um 21 Uhr auf SRF1 ausgestrahlt.