Rinderarbeit wie im Wilden Westen
30.08.2024 KelleramtAuf der Wikinger Ranch bei Werd finden Pferdebegeisterte einen Ausgleich zum Alltag
Reiten können, wohin man will. Das hat Monika Bomatter an der Wikinger Ranch beim Rottenschwiler Weiler Werd schon immer begeistert. Eine besondere Faszination geht aber auch vom Hof ...
Auf der Wikinger Ranch bei Werd finden Pferdebegeisterte einen Ausgleich zum Alltag
Reiten können, wohin man will. Das hat Monika Bomatter an der Wikinger Ranch beim Rottenschwiler Weiler Werd schon immer begeistert. Eine besondere Faszination geht aber auch vom Hof an sich aus.
Thomas Stöckli
«Die Reaktion der Leute, die hier ankommen ist immer gleich», beschreibt Monika Bomatter: «Sie atmen tief durch.» Die Wikinger Ranch ist ein Ort der Ruhe. In einer anderen Welt. Zu einer anderen Zeit. Als sie und ihr Partner Joe Gisler noch im Urnerland wohnten und jeweils nach einem «Reuss-Galopp» aus dem Luzernischen kommend in Rottenschwil eintrafen, sei es ihnen auch so gegangen. Damals führten noch Emil und Suzanne Hegetschweiler die Ranch. Die Pioniere der Schweizer Westernreitszene haben hier seit den 1970er-Jahren einen Ort der Begegnung für Menschen und Pferde aufgebaut.
Ein arbeitsintensiver Traum
Nach einer Übernachtung ritten Monika Bomatter und Joe Gisler jeweils wieder zurück. Aber jedes Mal sagten sie sich: «So etwas wollen wir auch.» Und trotzdem: Von Emil Hegetschweiler nach dem Tod dessen Frau angefragt, ob er die Ranch übernehmen wolle, lehnte Joe Gisler zuerst ab. Schliesslich hing er an den Bergen und führte mit seiner Partnerin im Urnerland einen eigenen Reitstall mit Reitschule. «Spinnst du?!», habe sie gesagt, als sie von der Absage hörte, berichtet Monika Bomatter. Schliesslich hatten sie sich über Jahre immer von so einer Chance geträumt. So kam es doch noch zur Einigung. Eine Einigung, die ein Wohnrecht für den damals 70-jährigen Emil Hegetschweiler einschloss. Über den Tod hinaus: Seine Urne ist seit Dezember 2022 neben der seiner Frau unter dem grossen Wegkreuz auf der Wikinger Ranch beigesetzt.
Gerade mal ein halbes Jahr brauchten Joe Gisler und Monika Bomatter, um ihre Zelte im Urnerland abzubrechen. Seit 2007 führen sie die Ranch. Zuerst als Pächter, seit 2013 als neue Besitzer. Mit dem Traum ist allerdings auch viel Arbeit verknüpft. Am Anfang galt es die Stalldächer zu sanieren und die Zäune zu erneuern. Alles neben dem laufenden Betrieb mit Reitunterricht und Kursen. Später bekam der Reitplatz eine solide Grundlage und der Innenausbau des Hauses folgte: «Es gab weder Isolation noch Warmwasser», veranschaulicht Monika Bomatter: «Im Winter sass man mit einer Kappe in der Küche. Die Besucher fanden das abenteuerlich, aber hier tatsächlich zu wohnen war ‹zäch›.»
Philosophie des Westernreitens
Mittlerweile sind zwar auch andere Reitweisen vertreten, das Westernreiten hat im Ranch-Programm aber immer noch einen hohen Stellenwert. «Diese Philosophie wollen wir erhalten», betont Monika Bomatter. Eine wichtige Rolle spielt die klassische altkalifornische Arbeits-Reitweise. Dazu dürfen die Westernreiter mehrmals im Jahr mit Rindern eines benachbarten Landwirts üben. Konkret geht es etwa darum, ein einzelnes Rind auszusortieren oder die ganze Herde von A nach B zu bewegen – und das möglichst schonend. Denn schliesslich sollen die Rinder nicht durch unnötige Aufregung Gewicht verlieren.
Im Westernreiten werden typischerweise Quarter Horses und Appaloosa-Pferde eingesetzt. Sie sind ausdauernd, muskulös und doch wendig. Wobei sich nicht jedes Pferd gleichermassen für die Arbeit mit Rindern eignet: «Manche haben das im Blut, andere sind sehr kritisch», beschreibt Monika Bomatter. Dann sei sie als Reiterin gefordert, das Pferd dahin zu führen, dass es Freude an dieser Aufgabe entwickelt. Wenn die Instinkte erst mal geweckt sind, arbeitet das Pferd sehr selbstständig. «Da geht die Post ab und du bist nur noch Passagier.»
Wanderreiter und Stammgäste
Nicht nur der Reuss entlang kann man von der Wikinger Ranch aus reiten. «Es geht in jede Richtung, soweit der Reiter reiten und das Ross gehen mag», veranschaulicht Monika Bomatter. Kürzlich sei eine Frau eingekehrt, die in Schwyz gestartet ist, zu Fuss, mit einem Packpferd und Luxembourg als Ziel. Solche Menschen sind auf dem Hof besonders willkommen: «Das ergibt immer spannende Gespräche», weiss die Rancherin. Häufiger kommen Wanderreiter, die jeweils rund drei, vier Stunden pro Tag unterwegs sind, manche über mehrere Wochen. Vom einfachen Schlafwagen mit US-Nummernschildern an den Wänden übers «Fährhaus», von wo früher Passagiere über die Reuss geschippert wurden, bis zum Zimmer im Haupthaus bieten sich verschiedene Logis-Optionen an.
Die Reitkurse finden in der Regel am Vormittag statt. Am Mittag kann dann der Grill oder der Pizzaofen eingeheizt werden. «Wir haben viele Leute, die seit Jahren immer wieder kommen, und die genau dieses Gesellige schätzen.» Das gilt auch für die Pferdebesitzer, die hier einen Pensionsplatz gefunden haben. Für viele wurde die Ranch zur zweiten Heimat. Sie kommen nicht nur, um zu reiten, sondern geniessen die Atmosphäre an diesem Ort der Ruhe. Durchatmen. In einer anderen Welt. Zu einer anderen Zeit.