Profitdruck auf Patienten gewälzt
03.05.2024 MuriAn der 1.-Mai-Feier der Freiämter SP-Bezirksparteien stand das Thema «Gesundheit» im Fokus
Am 9. Juni entscheidet das Stimmvolk unter anderem über die Prämien-Entlastungs-Initiative der SP. Kein Wunder, dominierten die explodierenden ...
An der 1.-Mai-Feier der Freiämter SP-Bezirksparteien stand das Thema «Gesundheit» im Fokus
Am 9. Juni entscheidet das Stimmvolk unter anderem über die Prämien-Entlastungs-Initiative der SP. Kein Wunder, dominierten die explodierenden Krankenkassenprämien und der Mangel an Fachkräften das Treffen der SP-Bezirksparteien Bremgarten und Muri.
Walter Minder
Drei kompetente, praxiserfahrene Referenten und ein brennendes Thema: Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen. Der insbesondere negative Folgen im Pflegebereich hat. Und auch die Krankenkassenprämien beschäftigen, denn für viele Familien sind diese kaum mehr stemmbar.
Es sind grosse Herausforderungen, mit denen man sich konfrontiert sieht. Und die auch die Menschen beschäftigen: Gut 60 Gäste folgten der Einladung der SP an die 1.-Mai-Feier im reformierten Kirchgemeindesaal in Muri, darunter auch ein paar jüngere Gesichter. Dabei geben drei Fachpersonen Einblick in ihren Berufsalltag: Nebst Kujtim Ahmeti vom Altersheim St. Martin sprach auch Daniel Bär von der psychiatrischen Spitex in Lenzburg zu den Anwesenden.
Flucht aus Gesundheitsberufen
Kujtim Ahmeti leitet seit fünf Jahren den Bereich Pflege und Betreuung im Altersheim St. Martin in Muri: «Der Fachkräftemangel in den Gesundheitsberufen hat schmerzhafte Konsequenzen: überlastetes Pflegepersonal, Flucht in andere Berufe und vor allem gefährdete Versorgungsqualität.» Die Langzeitpflege ist bereits seit Langem chronisch unterbesetzt, «aber bis 2040 wird die Zahl der Menschen über 80 Jahre um 88 Prozent zunehmen».
Die 2021 vom Stimmvolk deutlich angenommene Pflegeinitiative habe nicht viel verändert, da die Politik die Entwicklung eines gerechteren Gesundheitswesens verhindert. Ahmeti, der im Oktober für den Grossen Rat kandidiert, fordert: «Es braucht eine angemessene Erhöhung der Löhne und vor allem eine Verbesserung der Arbeitsverhältnisse und damit auch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.»
Auch der Lenzburger Daniel Bär, Geschäftsführer einer psychiatrischen Spitex, äussert Kritik an der Finanzierung im Gesundheitsbereich, deren Leistungen teilweise nicht genügend sind. «Unser Gesundheitssystem kostet jährlich 86 Milliarden Franken für eine hochspezialisierte Medizin – aber auch für eine immer lückenhaftere Grundversorgung.» Trotz 86 Milliarden befinden sich viele Spitäler in akuter Geldnot, so konnte das Kantonsspital Aarau den Konkurs nur dank einer Finanzspritze von 240 Millionen abwenden. Und die Reaktion: Es wird Personal abgebaut in einer Branche, die unter akutem Fachkräftemangel leidet. «Ökonomisierung und Profitdruck werden auf den Rücken des Gesundheitspersonals beziehungsweise der Patientinnen und Patienten abgeladen.» Kostenvermeidung statt Investition sei das dominierende politische Credo, «welche Investitionen für eine für Familien finanzierbare Grundversorgung notwendig sind, wird nicht diskutiert».
Es gibt noch Luft nach oben
Mit dem Hinweis, dass das inländische Potenzial nicht ausgeschöpft wird, gab Nationalrätin Simona Brizzi Einblicke in die Bereiche Investitionen in Bildung/Ausbildung, Förderung der Weiterbildung, Investitionen in Infrastrukturen, Kooperation Unternehmungen/ Bildungseinrichtungen sowie langfristige Strategien ein.
Die SP kämpfe seit Jahren für gute Bildung, höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen – besonders in den Gesundheitsberufen. «Auch wenn wir ein hochwertiges Bildungssystem haben, mangelt es in Sachen Durchlässigkeit gewaltig.» So hängen die Bildungschancen nach wie vor von Kriterien ab wie Migrationshintergrund oder familiäres Umfeld. Zudem bildet sich rund die Hälfte der Arbeitnehmenden nicht weiter, auch wenn ein Drittel dies gerne tun würde. «Die finanzielle und zeitliche Hürde ist aber zu gross. In vielen Bereichen hat es noch viel Luft nach oben.»
NACHGEFRAGT
«Wir setzen auf Inhalte»
Unter dem Motto «Prämien runter, Löhne rauf!» blicken die SP-Parteien landesweit an ihrer 1.-Mai-Feier auf die steigen den Kosten, hauptsächlich im Gesundheitsbereich. Wo sich diesbezüglich Herausforderungen für unsere Region zeigen, erklärt Co-Präsidentin der SP Bezirk Muri Marianne Kürsteiner.
Die Kosten im Gesundheitsbereich steigen. Was bedeutet das für den Bezirk Muri?
Marianne Kürsteiner: Im Zusammenhang mit der Abstimmung über die Entlastungsinitiative der SP ist das Thema in unseren beiden Bezirken besonders brennend. Wir leiden unter grossem Mangel an Pflegepersonal und Hausärzten, insbesondere für Kinder. Der Bezirkshauptort Muri etwa beherbergt viele Institutionen, die sich der Pflege älterer und hochbetagter Menschen widmen: Pflegi Muri, Spital Muri und das Altersheim St. Martin.
Am 9. Juni stehen zwei eidgenössische Abstimmungen zum Thema «Krankenkassenprämien» auf dem Programm. Sehen Sie keine Gefahr, dass sich diese gegenseitig ins Bein beissen?
Das glaube ich nicht. Die «Kostenbremsen-Initiative» der Mitte und die «Prämien-Entlastungs-Initiative» der SP haben doch zwei verschiedene Stossrichtungen. Wir sagen: Die Kopfprämie ist unfair. Unsere Initiative zielt darauf ab, dass wieder mehr Menschen Prämienverbilligungen erhalten und so die Haushalte entlastet werden. Die Kostenbremsen-Initiative hingegen will den Einzelnen nach einem starren Schema an den steigenden Kosten im Gesundheitswesen beteiligen, sprich dem einzelnen Kranken mehr Kosten aufbürden. Das ist asozial – sogar der Bundesrat lehnt diese Initiative ab.
Die SVP hat in Bremgarten mit prominenter Kelle angerichtet. Warum geht die 1.-Mai-Feier in Muri eher in kleinem Rahmen über die Bühne?
Die 1.-Mai-Feier ist der traditionelle Tag der Arbeit, kein Parteitag. Unser Fest soll klein, aber fein sein. Wir setzen auf Inhalte und Begegnung, nicht auf Protz und Populismus. Bei uns sprechen Menschen, die von ihren Erfahrungen berichten können. Engagierte Menschen, die sich für Werte einsetzen, die uns wichtig sind. Kujtim Ahmeti setzt sich für faire Arbeitsbedingungen ein, Daniel Bär für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen und unsere frisch gewählte Nationalrätin Simona Brizzi für Chancengleichheit in der Bildung und eine starke, nachhaltige Wirtschaft. --wam