Neues Rudolfstetter «Waldviertel»?
31.05.2023 Rudolfstetten, MutschellenAuf einer Fläche von acht Fussballfeldern könnten 286 Wohnungen entstehen
In Rudolfstetten ist ein Zukunftsprojekt beträchtlicher Grösse vorgestellt worden. Die Überbauung des früheren Fussballplatzes auf der Isleren und einigem ...
Auf einer Fläche von acht Fussballfeldern könnten 286 Wohnungen entstehen
In Rudolfstetten ist ein Zukunftsprojekt beträchtlicher Grösse vorgestellt worden. Die Überbauung des früheren Fussballplatzes auf der Isleren und einigem Umgelände könnte in 286Wohnungen zusätzliche zwölf Prozent der heutigen Bevölkerung aufnehmen. Mustergültig scheint die Verknüpfung zwischen Siedlung und Islerenwald.
Hans Rechsteiner
Die vom Gemeinderat und der Planungskommission als vierteiliges «Paket mit Potenzial» ausgearbeitete «Strategie 2020–2035» über die Zukunftsentwicklung der Gemeinde Rudolfstetten-Friedlisberg hat vier zusammenhängende Felder aufgezeigt. 1. das Areal Isleren entwickeln und überbauen, 2. im Gebiet Hofacker das Sauberwasser im offenen Bach quer durch Landwirtschaftsland in den Rummelbach führen, 3. die Landreserve für öffentliche Bauten bei der Kläranlage in die Landwirtschaftszone umzonen und gleichzeitig die Zone für öffentliche Bauten und Anlagen zurück ins Dorf holen, 4. das Areal Gemeindehaus überbauen (ist bereits in Ausführung). Lässt sich die auch vom Kanton als «modellhaft vorbildlich» gelobte Strategie wie geplant umsetzen, soll das nach der Devise «mehr Einwohner – höhere Steuereinnahmen» das operative Ergebnis ab dem Jahr 2028 markant verbessern. Zeitweilig erhöht sich die Schuldenlast, schon im Jahr 2029 aber soll die Gemeinde wieder ein kleines Nettovermögen ausweisen.
Das Zukunftsprojekt Isleren hat Modellcharakter
«Stand der Planung Isleren» hiess der nüchterne Titel der Information in der Rudolfstetter Mehrzweckhalle. Gemeindeammann Josef Brem sagte in der Begrüssung in seiner ihm eigenen Art: «Sie werden sehen, dass hinter diesem Projekt Menschen stehen.» Er begrüsste den finanzierenden Unternehmer und Siedlungsentwickler Fredy Gantner. Er ist in Neuenhof aufgewachsen, ging zur UBS, machte sich mit 26 zum selbstständigen Unternehmer, ist Vater von fünf Kindern, Ehefrau Cornelia, sie wohnen in Meggen. Die «Real North AG» ist eine Familienfirma und führt viele Stiftungen. Fredy Gantners und seiner Cornelia Anliegen und Passion heisst «Architektur und Pärke». Seine Motivation zum Quartier Isleren? «Ich will dereinst mit meinen Enkeln hier durchlaufen und Freude haben.» Die einzigartige Lage, die Nähe zum und der Austausch mit dem nahen Islerenwald hätten ihn gepackt, die Aufgabe fasziniere ihn.
Lange Vorgeschichte
Gemeinderat Sacha Käppeli schilderte den Weg der Gemeinde zum ursprünglichen Gestaltungsplan. Das Areal des alten Fussballplatzes wollte man oft verkaufen, seit er stillgelegt ist. Mögliche Investoren kamen und zogen sich zurück. Um 2016 entschloss sich die Gemeinde, einen eigenen Gestaltungsplan auszuschreiben. Die Ziele hiessen: qualitativ hochwertig, hohe Dichte, Freiräume, städtebauliche Qualität. Am 31. Mai 2017 wurde das Wettbewerbs-Siegerprojekt der «Lilin Architekten» vorgestellt und in der Folge in Zusammenarbeit aller Instanzen inklusive Mitwirkungsverfahren bis zur Auflagereife entwickelt. Dann ergab sich für alle Involvierten eine neue Situation: Die 2015 gegründete «Real North AG» kaufte die Familienfirma Hüsser Immobilien AG, Berikon, und kam damit in den Besitz von 160 Wohnungen in Berikon und Rudolfstetten. Damit war die «Real North» auf der Isleren angekommen.
Das neue Quartier heisst «Areal im Birkenhain»
«Real North» gab 2020 bei ihrem Partner «Saota» einen eigenen Gestaltungs- und Projektplan in Auftrag, den ihrerseits Lötscher Architekten auf Schweiz-Tauglichkeit verfeinerten. In Absprache mit der Gemeinde und enger Aktualisierung mit der Planungskommission flossen alle positiv formulierten Anliegen aus dem «Lilin»-Gestaltungsplan der Gemeinde ins heutige Projekt ein.
Abwechselnd gaben dann Fredy Gantner seine Visionen und Architekt Peter Wagner die technischen Details dazu bekannt. «Wie bringen wir den Wald und die Wohnräume zusammen?», fragte etwa Gantner. Der Islerenwald soll in die neue Siedlung hineinwachsen. Dazu brauchen grosse Bäume entsprechend tiefen Untergrund und substanzielle Sickerflächen, damit sie mit genügend Wasser versorgt werden. Es wird einen besiedelten Park von 51 000 Quadratmetern werden – acht Fussballfelder gross. Pro Quadratmeter überbaute Fläche drei Quadratmeter Grün – 26 000 Quadratmeter, und Dächer, sogar begrünte Dachgärten zuoberst, und selbstverständlich Solarzellen. Alle Fusswege sollen durch die Siedlung in den Wald führen. «Zmittsdrin» ein Dorfplatz mit schönen weissen Birken – deshalb der treffende Name «Areal im Birkenhain». Gerechnet wird mit einer Bausumme von rund 250Millionen Franken
Die gestalterische Vision: Aus einem grossen Block kleine Tiefen und Wohneinheiten schaffen, unterschiedliche Gebäudehöhen bringen Kleinräume und ländliche Strukturen. Mehrteilige interessante Fassaden gestalten und unterschiedliche Materialien verwenden. Farbe und vielfältige Gärten einbringen. Flexible Wohnnutzungen mit grossen und kleinen Einteilungen fördern die Generationenvielfalt von der Familie bis zum Senior. Häuser mit einzigartiger Identität. Im Zentrum des Birkenhains wird es eine grosszügige Kindertagesstätte geben und ein gemeinschaftlich zu nutzendes Gebäude mit Treffpunkt, Restaurant/Kafi, Bibliothek, Workout-Internet-Arbeitsplätzen. Der eine oder andere Laden bringt zusätzliches Leben ins riesige und dennoch kleinräumige Quartier. Begegnungszonen, Spielplätze, Feuerstellen, ein Aussenkino sogar – «Kino uf em neue Dorfplatz»? Versprochen ist übrigens, dass die Verwaltung und damit Unterhalt im Quartier angesiedelt werden.
Natürlich gibt es Befürchtungen und Fragen
Man muss auch den Kindergarten vergrössern. Die Verkehrsführung rundum – das neue Quartier wird konsequent verkehrsfrei sein –, das Parkierreglement für Gäste, die Ausfahrten für Auto-Arbeitspendler wurden angesprochen. Auch dazu, dass die neuen Wohnungen sicher höhere Mieten zur Folge haben werden, hat die «Real North AG» einen Trumpf im Ärmel: die 160 günstigeren Wohnungen von der Hüsser Immobilien AG. Und wenns auch einen Wohnorts- und Schulwechsel für die Kinder bedeuten würde. «Wir werden individuell unkompliziert mithelfen», verspricht die Firma.
Der Forderung, es müssten neben Mietwohnungen auch Eigentumswohnungen integriert werden, tritt Fredy Gantner vehement entgegen. «Mit mir nicht. Ein Mischquartier ist nicht zu händeln. Bei ausschliesslich Mietwohnungen gibt es keine Querschläger, die eine Weiterentwicklung verhindern können. Beim Wohn- oder Stockwerkeigentum aber schon. Soll ein Lift eingebaut werden oder im Falle der Isleren wollte man ein benachbartes Waldstück aufwerten, müssten alle Eigentümer einverstanden sein. Wenn im Fall Isleren nur einer sagt, ich sehe das neue Waldreservat von meiner Wohnung aus nicht, er habe also nichts davon, dann ist es schon gestorben.» Und abschliessend sprach Gantner Klartext: «Natürlich werden auf die Gemeinde angesichts der Dimensionen ihres fantastischen Neuquartiers einige Aufgaben zukommen, unter anderem die Neubeurteilung der Schulkapazitäten. Aber diese Aufgaben müssen Sie selber annehmen.»
Klartext zwei: «Ich und mein Team haben für dieses mir sehr am Herzen liegende Projekt etwa zwei Millionen Franken aufgewendet. Wir sind begeistert vom heutigen visionären Vorschlag. Jetzt liegt der Ball bei Rudolfstetten-Friedlisberg. Und wenn Sie sagen: Nein, das passt nicht zu uns, das gefällt uns nicht, es ist zu gross für uns, dann habe ich damit kein Problem. Aber ich fände es eine verpasste Gelegenheit für Ihre Zukunft.»