Sabrina Salm, Redaktorin.
Kaum steht Silvester vor der Tür, wachsen die Erwartungen ins Unermessliche. Ab morgen wird alles besser: wir fitter, organisierter, entspannter – und das Leben bitte gleich mit. Neues Jahr, neues Glück ...
Sabrina Salm, Redaktorin.
Kaum steht Silvester vor der Tür, wachsen die Erwartungen ins Unermessliche. Ab morgen wird alles besser: wir fitter, organisierter, entspannter – und das Leben bitte gleich mit. Neues Jahr, neues Glück eben. Kürzlich bin ich bei der Suche nach neuen Geschichten auf eine gestossen, die mich genau an diesem Punkt abgeholt hat. Eine Kindergeschichte. Natürlich. Denn Kinderbücher sagen oft mit wenigen Worten mehr als ganze Ratgeberregale.
In «Herr Meier und das neue Jahr» von Elke Bräunling trifft Anton am Silvesternachmittag seinen Nachbarn. Anton kann es kaum erwarten: «Morgen ist alles ganz anders!» Herr Meier hingegen bleibt gelassen. «Heute ist heute und morgen ist morgen.» Während Anton von Veränderung spricht, fragt Herr Meier seelenruhig, ob denn die Bäume verschwinden oder die Brötchen plötzlich nach Bananen und die Gurken nach Schokolade schmecken. Spoiler: Tun sie nicht.
Ich musste schmunzeln. Wie oft sind wir Anton. Ungeduldig, voller Erwartungen, überzeugt davon, dass ein Datum im Kalender alles verändern kann. Und wie selten gönnen wir uns die Ruhe eines Herrn Meier, der sagt: «Ich freue mich über jeden Tag – und jeder davon kann Glück bringen.»
Die Geschichte erinnert daran, dass das neue Jahr eigentlich nur eines ist: der Tag nach heute. Nicht mehr, nicht weniger. Die grossen Vorsätze, die wir uns machen, wirken plötzlich ein bisschen überambitioniert, wenn man sie durch Herrn Meiers Augen betrachtet. Vielleicht wird morgen nichts anders. Vielleicht ist genau das gut so.
Die besonderen Momente – ein Gespräch am Gartenzaun, gemeinsames Lachen, eine Einladung zum Feiern – passieren nicht nur am Jahreswechsel. Sie sind immer da. Man muss sie nur sehen. Vielleicht sollten wir uns also weniger vornehmen, ein völlig neuer Mensch zu werden, und stattdessen öfter ein bisschen mehr Herr Meier sein und die Tage nehmen, wie sie sind. Den Augenblick schätzen. Heute. Morgen. Immer.
In diesem Sinne: ein frohes, glückliches und gesundes neues Jahr. Oder besser gesagt: viele gute Tage. Ganz egal, welches Datum sie tragen.