Mit der nötigen Geduld
27.06.2025 MuriSchon 21 von Hanspeter Müllers Kühen lieferten mehr als 100 000 Kilogramm Milch – ein Rekord
Zuletzt erreichte die Kuh Fanta diese magische Marke. 100 000 Kilogramm Milchleistung. Auf keinem anderen Hof schweizweit schafften dies mehr Kühe. ...
Schon 21 von Hanspeter Müllers Kühen lieferten mehr als 100 000 Kilogramm Milch – ein Rekord
Zuletzt erreichte die Kuh Fanta diese magische Marke. 100 000 Kilogramm Milchleistung. Auf keinem anderen Hof schweizweit schafften dies mehr Kühe. «Dafür braucht es Geduld, gute Haltungsbedingungen, Freude und auch Glück», sagt Landwirt Hanspeter Müller.
Annemarie Keusch
Sie sind neugierig. Wenn Hanspeter Müller die Weide betritt, kommen sie ihm entgegen. 65 Milchkühe zählt seine Herde aktuell. Hinzu kommen rund 25 Kälber und Rinder. Fast alle Kühe, die auf der Weide stehen, kamen auf dem Hof zur Welt, wuchsen hier auf. «Nicht alle, weil wir seit drei Jahren nicht nur braune Kühe in unserem Stall haben», sagt der Landwirt. Sein ältester Sohn, der dereinst den Hof übernehmen wird, will nicht nur auf Braunvieh setzen, auch schwarz-weisse weiden darum. «Früher war es fast eine Glaubensfrage, nur braune Kühe zu züchten. Aber mittlerweile bin ich flexibler geworden», sagt Hanspeter Müller und lacht. Und er weiss, dass die braune Rasse nicht in allen Bereichen die beste ist. «Ich bin überzeugt, dass wir dereinst auch mit anderen Rassen die 100 000-Kilogramm-Marke erreichen.»
2003 grossen Stall gebaut
Es ist eine magische Grenze in der Viehzucht. Damit eine Kuh in ihrem Leben 100 000 Kilogramm Milch produzieren kann, muss vieles stimmen. Und das tut es auf dem Hof der Müllers im Weiler Wili. 2005 erreichte die erste Kuh diese Marke. Hanspeter Müller überlegt nur kurz. «Mira hiess sie.» Vor wenigen Monaten schaffte es Fanta, als 21. Kuh auf Müllers Hof. Kein anderer Landwirt im Land kann eine grössere Zahl präsentieren. «Eigentlich bedeutet mir das nicht wirklich viel. Das Ziel ist, langlebige Kühe zu haben. Die Auszeichnungen für 100 000 Kilogramm sind ein schönes Zeichen, dass dies klappt.» Aber mit dieser Zahl hört es längst nicht auf. Lugana hiess die Kuh, die über 145 000 Kilogramm Milch produzierte. «Meine Lieblingskuh», sagt Müller und lächelt.
Dass die Haltungsbedingungen stimmen müssen, damit Kühe lange leben und ihre Milchleistung bringen können, liegt auf der Hand. Was heisst das konkret? «Möglichst viele Bewegungsfreiräume», sagt Müller. Liegeboxen, in denen die Kühe einfach aufstehen und sich hinlegen können. «Damit sie dafür weniger Energie brauchen und entsprechend weniger Erholung notwendig ist.» Was es aber vor allem braucht, um die Leistungen bis ins hohe Alter der Kühe zu ermöglichen, ist Geduld. «Wenn eine Kuh nicht sofort trächtig wird, dann gebe ich ihr mehr Zeit.» Auch weil nicht immer die Kuh schuld daran ist. «Es kann auch sein, dass ich als Landwirt mögliche Anzeichen übersehen habe, damit die Befruchtung nicht klappt», gesteht er.
Dass Hanspeter Müller diese Geduld aufbringen kann, liegt auch daran, dass er genug Platz im Stall hat. «Bei anderen Züchtern verdrängen die jüngeren Kühe die älteren», weiss er. Im Jahr 2003 baute Müller einen grossen Stall. Dabei hoffte er, zusätzliches Land kaufen oder pachten zu können. «Es kam anders, entsprechend haben wir auch aktuell nicht alle Plätze im Stall besetzt.» Doch es entspricht Müllers Lebensphilosophie, auch aus Negativem Positives zu ziehen. Den grossen Stall nutzt er, um in Sachen Langlebigkeit seine Ziele als Züchter zu erreichen.
Zufriedenheit bringt Glück – auch in den Stall
Doch um jeden Preis Kühe bis zur 100 000-Kilogramm-Marke und darüber hinaus zu bringen, das macht Hanspeter Müller nicht. «Das wäre auch überhaupt nicht wirtschaftlich», betont er. Ältere Kühe sind aufwendiger, verursachen mehr Tierarztkosten, brauchen für eine Geburt mehr Zeit. «Aber es ist immer auch ein Abwägen, schliesslich kostet die Aufzucht von Kälbern zu Kühen auch Geld.» 10 bis 15 Jungtiere zieht Müller jährlich nach. 12- bis 15-jährig müssen die Kühe werden, um 100 000 Kilogramm Milch zu produzieren. «Die älteste in unserem Stall ist aktuell 18-jährig.»
Müller hält den nationalen Rekord an Kühen, die die 100 000er-Grenze überschritten haben. «Natürlich, es ist eine schöne Anerkennung. Aber nochmals: Nicht diese Zahl ist das Ziel, sondern die Langlebigkeit unserer Kühe, dann erreicht man diesen Grenzwert ganz automatisch immer wieder.» Müller weiss, dass es dafür auch Glück braucht. «Ich bin überzeugt, dass dieses einem etwas näher ist, wenn man zufrieden durchs Leben geht.» Und das tut Hanspeter Müller, der den Hof im Weiler Wili bereits in fünfter Generation führt. «Landwirt zu sein, ist ein genialer Beruf mit unglaublich vielen Möglichkeiten.» Neben der Viehzucht und der Milchwirtschaft setzt er beispielsweise auf Stromproduktion.
Die Verbindung zu den Tieren ist eng. Das ist beim Besuch auf der Weide deutlich spür- und sichtbar. Das sagt Hanspeter Müller aber auch. «Es sind wie Familienmitglieder.» Vielleicht sei seine Geduld mit den Tieren auch darum ausgeprägter. 1991 hat Hanspeter Müller den Hof übernommen, in ein paar Jahren wird er ihn an einen seiner Söhne weitergeben. «Ein grosses Glück.» Bis dahin wird sich wohl noch die eine oder andere Kuh in die 100 000er-Liste eintragen. Fanta ist die 21. auf dem Hof der Müllers, aber sicher nicht die letzte. Übrigens verrät Hanspeter Müller, dass er den Kälbern jeweils die Namen gibt. «Keine Frauennamen», ist eines der Kriterien. Wenn möglich sind die zwei Anfangsbuchstaben von der Mutter übernommen, möglichst zwei Silben vom Vater. «Irgendwelche Fantasienamen, auch mal Länder oder Flüsse. Und das A am Schluss ist ebenfalls Pflicht.» Wie bei Lugana, seiner Lieblingskuh, über deren Leben hinaus.