Menschlichkeit als Wirte-Konzept
22.07.2025 KelleramtKünftig nur noch Wohnhaus
Das beliebte Restaurant Huserhof in Unterlunkhofen bleibt nach den Sommerferien geschlossen. Während Gastgeberin Christina Werder den Ruhestand geniesst, sucht Markus Werder eine neue Herausforderung. --tst
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Künftig nur noch Wohnhaus
Das beliebte Restaurant Huserhof in Unterlunkhofen bleibt nach den Sommerferien geschlossen. Während Gastgeberin Christina Werder den Ruhestand geniesst, sucht Markus Werder eine neue Herausforderung. --tst
Mit dem «Huserhof» in Unterlunkhofen verliert die Region eine prägende Gaststätte der alten Schule
Nach den Sommerferien bleibt der «Huserhof» in Unterlunkhofen geschlossen. Zu diesem Schritt haben sich Markus und Christina Werder entschlossen. Nach 25 Jahren erfüllender Wirtetätigkeit und reichlichen Abwägungen.
Thomas Stöckli
Vor zwei Jahren hat Christina Werder bei guter Gesundheit das Pensionsalter erreicht. Nun will sie mehr Zeit für sich, ihr Mann möchte für die kommenden zehn Jahre nochmals eine neue Herausforderung annehmen. «Es ist ein stimmiger Abschluss», sind sie sich einig. So hat es das Wirtepaar auch im Schreiben an die Stammgäste und Wegbegleiter festgehalten, bei denen es sich für die langjährige Treue bedankt.
Immer ein volles Haus
«Das Geschäft ist gelaufen.» Das sagen nicht Werders heute, sondern das mussten sie sich an ihrer ersten Gastro-Versammlung von altetablierten Wirten anhören, als sie vor einem Vierteljahrhundert starteten. «Ich habe mir gedacht: Danke vielmal für die motivierenden Worte», blickt Markus Werder zurück und lacht. Die Schwarzmalerei sollte sich nicht bestätigen: «Wir hatten gute Zeiten. Es waren strenge Zeiten, aber wir konnten uns entfalten», so der gelernte Koch. An der Nachfrage mangelt es auch heute nicht. «Wir hatten immer ein volles Haus. Das Thema war eher: Wie schaffen wir das alles.» Dabei konnte sich das Wirtepaar einerseits auf sein Personal verlassen. Andererseits leistete es sich in den letzten Jahren auch längere Betriebsferien.
In einer Zeit von Konzept-Betrieben haben Werders weiterhin auf die klassische Restauranttradition gesetzt. «Unser Konzept war das Menschliche», bringt es Markus Werder auf den Punkt. Er ist nicht nur Gastgeber mit Herzblut, sondern versteht es darüber hinaus, seine Gäste zu unterhalten. «Wir haben uns gerne die Zeit genommen, mit den Leuten zu reden – wenn das die Arbeit zuliess», so der Wirt. Dadurch entsteht Nähe. «Da wurden wir auch schon mal privat eingeladen», berichtet er. Und sie erzählt von ganzen Gruppen, die gebannt an seinen Lippen hingen, wenn er von seinen Reisen, Touren und Pilgererlebnissen zu erzählen begann und dabei auch immer wieder ins Philosophieren geriet. Selbst mit Kartentricks, Handlesen und Gesangseinlagen vermochte er immer wieder zu verblüffen. «Und singen kann er wirklich», betont Christina Werder mit Verweis auf zwölf Jahre Mitwirkung im Wirtechor Bremgarten.
Beliebte Metzgete
Auch über die Region kann man sich mit dem interessierten Zeitgenossen gut unterhalten. Etwa über die Entwicklung des Städtchens Bremgarten. «Ich kenne es noch aus den 1980er-Jahren», sagt er. Damals seien zwar viele Häuser etwas heruntergekommen gewesen, dafür habe die Altstadt noch gelebt, mit einer Vielfalt an Gastrokultur, Metzgereien und Bäckereien. «Heute ist Bremgarten nur noch ein Schatten seiner selbst», stellt er fest. Und fügt an: «Da blutet einem das Herz.» Unter den Stammgästen des «Huserhofs» seien denn auch viele Bremgarter gewesen. «Bei uns fanden sie noch die ‹guten alten Zeiten›», so der Wirt. «Wir sind uns bewusst, dass wir eine Oase waren, eine Insel in der Konzept-Gesellschaft.»
Besonders gut ist jeweils die Metzgete-Saison angekommen. «Vom Schnörrli bis zum Schwänzli» kam hier alles auf den Teller. Gerade die «Säuschwänzli» hätten sich zum Instagram-Renner entwickelt: «Manche haben das online gesehen und kamen nun, um ihren eigenen ‹Foodporn› posten zu können», erzählt der gelernte Koch. «Über unsere Erlebnisse könnte ich ein Buch schreiben», sagt Christina Werder. Und sie berichtet von Metzgete-Gästen aus aller Welt, von einer zwölfköpfigen Gruppe aus den Philippinen und sogar Leuten aus Australien.
Ratespiel um die Zukunft
Das markante Gasthaus über Unterlunkhofen wird nun ausschliesslich zum Wohnhaus. «Wir haben es hier gut und schön und werden auch weiterhin hier leben», sagt das Wirtepaar. «Wir blicken abgeklärt auf gute Zeiten zurück.» Auch wenn es ihnen für die Gäste leidtue, sei der Zeitpunkt richtig, die Wirtetätigkeit zu beenden. Wer noch einen Gutschein zu Hause in der Schublade hat, muss nicht in Sorge verfallen: «Nach telefonischer Absprache können die selbstverständlich gegen Bargeld eingetauscht werden», versichert Markus Werder und stellt darüber hinaus ein aufheiterndes Gespräch bei einem Getränk nach Wahl in Aussicht.
Jetzt kann sie einen Gang zurückschalten, hat das Haus wieder für sich und endlich mehr Zeit für ihre Kolleginnen und um mit dem GA die Schweiz zu entdecken. Er will es nochmals wissen: «Jetzt habe ich noch die Chance, etwas Neues anzufangen. Irgendwann geht das nicht mehr», ist er sich bewusst. Viel mehr ist ihm noch nicht zu entlocken. «Ich bin gespannt, was die Leute mir zutrauen», sagt er und fordert die Leute auf, ihre Ideen zu äussern.
SBB-Kontrolleur wurde dem Weltenbummler mit Vorliebe für Zugreisen schon angedichtet, andere tippten auf Esoterik und Lebensberatung – «das habe ich als Wirt zuweilen auch gemacht», sagt er und lacht –, aber auch Klassiker wie Weinhändler und Lebensmittel-Grossist wurden schon als mögliche berufliche Zukunft genannt. «All das ist es nicht», verrät er. «Und ich gehe auch nicht servieren oder ins Altersheim kochen», fügt er an. Seine Hobbys, das Imkern, Fischen und Vogelnesterbauen, wird er ebenfalls nicht zum Beruf ausbauen. Nur so viel: «Wer sich in Bremgarten bewegt, wird mich sehen», verspricht er.

