Mehr Zeit mit Liebling Elsi
11.08.2023 Schwingen, SportJoel Strebel steht vor den Saisonhöhepunkten im August – und startet in die Ausbildung zum Landwirt
Die Schwingsaison neigt sich dem Ende zu. Jetzt folgen mit dem Nordwestschweizerischen, dem Schwägalp- und dem Unspunnen-Schwinget die Saisonhighlights. ...
Joel Strebel steht vor den Saisonhöhepunkten im August – und startet in die Ausbildung zum Landwirt
Die Schwingsaison neigt sich dem Ende zu. Jetzt folgen mit dem Nordwestschweizerischen, dem Schwägalp- und dem Unspunnen-Schwinget die Saisonhighlights. Joel Strebel hat einiges vor – und wird sich auch im Job eine neue Herausforderung suchen.
Stefan Sprenger
Sie ist 19 Jahre alt, etwa 800 kg schwer und die Lieblingskuh von Joel Strebel. «Elsi heisst sie», sagt er und streichelt der Kuh über den Kopf. Elsie ist ruhig und ausgeglichen. Wie der Mensch Joel Strebel. Doch wenn Feinde ihr Kalb angreifen, dann verteidigt Elsie das Junge kraftvoll und ruppig. Wie der Schwinger Joel Strebel.
Froh, dass die Kühe nicht in den Schlachthof gehen
Die Familie des Schwingers war seit Jahrzehnten und generationenübergreifend in der Landwirtschaft tätig. Sein Vater Kurt betreibt den Hof aber nur noch aus Leidenschaft. Sechs Mutterkühe, die beispielsweise Luci, Rosi, Elli oder eben Elsi heissen, dazu fünf Rinder. Allesamt Limousin-Kühe, ausser Elsi, die ist ein Simmentaler-Fleckvieh. «Die jungen Tiere sind ein Jahr hier, dann ziehen sie weiter.» Nicht in den Schlachthof, sondern zu einem Muni zum Decken, sie werden Mutterkühe. Früher – als die Familie die Kühe noch zum Schlachten abgegeben hat – «war das emotional schon hart», sagt der sanftmütige Schwinger, der schon als kleiner Junge hier angepackt hat. Heute ist der 120-kg-Mann froh, dass die Tiere weiterleben dürfen. Auf über 5 Hektaren in Besenbüren und Aristau hat die Familie Strebel Land. «Zu wenig, um davon zu leben», meint der 26-Jährige. Aber nicht zu wenig, um träumen zu dürfen.
Starkes Jahr mit einem Makel
Denn Joel Strebel möchte Bauer werden. Er hat in der Vergangenheit stets auf dem elterlichen Hof mitgeholfen. Er bringt den Mais nach Villmergen ins Getreidecenter, «heuet» die Wiese oder schaut bei den Kühen zum Rechten. Wenn die Tiere im Winter im Stall sind, gibt es auch einiges mehr zu tun. Ausmisten, füttern, pflegen. «Das passt, dann sind auch keine Schwingfeste», meint Strebel.
Momentan sind die Schwingfeste noch am Laufen. Im August stehen die Höhepunkte an. Am Sonntag ist das 115. Nordwestschweizerische Schwingfest in Deitingen. Am 20. August der Schwägalp-Schwinget. Und am 27. August der prestigeträchtige Unspunnen-Schwinget. «Das Highlight in diesem Jahr», sagt er. Ein Jahr, das für ihn grösstenteils erfolgreich war. Er habe sich im Frühling «so fit gefühlt wie nie zuvor». Das zeigt sich auch in den Leistungen. Zu Beginn der Saison gewinnt er das Heimfest Guggibad und den Hallenschwinget in Lenzburg – und dann sogar das baselstädtische «Kantonale». An den Kantonalschwingfesten im Aargau, Baselland, Bern und am Schwarzsee-Schwinget holte er die budgetierten Kränze.
Start gegen Domenic Schneider
Die Saison 2023 hat einen Makel: Zuletzt scheiterte er knapp am Weissenstein-Schwinget am Kranzgewinn. «Zufrieden» ist er natürlich trotzdem mit dieser Saison. «Aber es liegt noch mehr drin in Zukunft.» Strebel sagt gleich selbst, was er noch besser machen kann. Im letzten Jahr bezwang er mit Fabian Staudenmann und Samuel Giger gleich zwei der grössten Namen im Schweizer Schwingsport. In diesem Jahr gelingt ihm dies nicht. Er verliert beispielsweise gegen Matthias Aeschbacher und Fabian Staudenmann. «So einen ganz Grossen muss ich mal nehmen. Vielleicht kommt das ja jetzt im August noch», meint er lachend und hoffnungsvoll. Er will an den drei Schwingfesten «die Kränze holen und zeigen, was ich drauf habe». Am Nordwestschweizerischen heisst sein Startgegner Domenic Schneider.
Damit er im Sägemehl jeweils Höchstleistungen erbringen kann, benötigt Strebel auch einen Arbeitgeber, der Verständnis hat für seine sportbedingten Abwesenheiten. Der gelernte Landmaschinenmechaniker wechselte nach der Lehre zum Familienbetrieb. «Kurt Strebel – Zäune und Vorplätze» heisst die Firma. Er ist sozusagen ein Landschaftsgärtner. Gelernt hat er den Beruf aber nicht. «Mein Vater hat mir alles beigebracht. Wenn man anpacken kann, dann geht das», sagt Strebel.
Jeden Freitag an die Landwirtschaftsschule
Doch nun will er beruf lich etwas Neues. Oder zumindest die Option haben auf eine neue Herausforderung. Er beginnt in diesen Tagen die Ausbildung zum Landwirt. An einem Tag in der Woche (jeweils freitags) geht es an die Landwirtschaftsschule auf die Liebegg. In zwei Jahren hat er es geschafft und ist Bauer. Wieso tut er das? Einerseits aus familiären Gründen. Schon sein Grossvater hatte Land und Hof, sein Vater übernahm und betreibt den Bauernhof heute quasi als Hobby. Weil sich aber kaum Nachkommen finden lassen, die einen Hof übernehmen und Landwirt sein wollen, sieht Strebel darin eine Chance. «Ich weiss nicht, ob ich ein Leben lang im Gartenbau arbeiten will. Manchmal ist es ziemlich stressig. Unsere Gesellschaft wird zunehmend hektischer.» Und darauf hat er keine Lust. «Ein Bauer ist selbstständig, muss hart arbeiten, aber er hat seinen Frieden.»
Damit er aber Bauer sein kann, reichen die 5Hektaren der Familie nicht aus. «Da braucht es einiges mehr an Land. Wenn ich die Landwirtschaftsschule beendet habe, dann habe ich aber die Möglichkeit, nebst unserem Familienhof noch einen weiteren Hof zu übernehmen.»
«Bauer ist mein Traumjob»
Strebel, der Tiere mag, gerne mit Maschinen werkelt und harte, ehrliche Arbeit liebt, meint: «Ich glaube, Bauer ist mein Traumjob.» In einigen Jahren auf 30 Hektaren seine Kühe weiden zu sehen und seiner Elsi über den Kopf zu streicheln, «wäre einfach megageil». Die richtige Frau dafür hätte er. Seine langjährige Freundin Aline Dormann ist auf einem Bauernhof im Kanton Luzern gross geworden.
In der Abendsonne blickt Joel Strebel von Aristau aus über das ganze Reusstal. «Schon schön», meint er – und holt Elsi wieder zu sich hin. Schon seit 10 Jahren ist sie hier auf dem Hof der Strebels. «Ich hoffe, noch viele Jahre mehr.» Und wenn Strebel an einem Schwingfest gewinnt und es als Siegerpreis eine Kuh gibt, «dann nehme ich die natürlich gleich mit nach Hause».