Mehr als nur Verkauf von Fleisch
17.10.2023 WohlenDie Metzgerei Köpfli schliesst im kommenden Frühjahr
Seit Ernst Köpfli 1957 das Licht der Welt erblickt hat, gibt es die Metzgerei Köpfli in der Poststrasse 1 in Wohlen. Nach vielen Jahren schliesst das Unternehmen im Frühjahr 2024. Ernst ...
Die Metzgerei Köpfli schliesst im kommenden Frühjahr
Seit Ernst Köpfli 1957 das Licht der Welt erblickt hat, gibt es die Metzgerei Köpfli in der Poststrasse 1 in Wohlen. Nach vielen Jahren schliesst das Unternehmen im Frühjahr 2024. Ernst Köpfli schaut etwas wehmütig zurück, aber mit Zuversicht nach vorne.
Britta Müller
Die Metzgerei Köpfli in Wohlen, sie ist ein Begriff. Sie ist inzwischen das letzte noch traditionelle Metzgerei-Geschäft – daneben gibt es nur noch den Fabrikladen von Braunwalder. Alle anderen Metzgereien in Wohlen sind längst verschwunden. Ausser eben Köpfli.
Neben dem vielfältigen Fleischund Wurstsortiment finden die Kunden hier ganz viele Delikatessen. Beispielsweise speziell mariniertes Grillfleisch nach Rezepten der Mutter. Das bescherte dem Geschäft eine treue Stammkundschaft. «Viele Kunden gehören fast zur Familie – mit ihnen bin ich gross geworden», sagt Ernst Köpf li, «unser Erfolgsfaktor liegt aber sicherlich darin, dass wir kundenorientiert und kundengerecht produzieren.» Er ist der älteste Sohn der Familie Köpfli, der 1998 den Betrieb seines Vaters übernahm.
Kunden mit einem Lächeln empfangen
Kundenorientiert produzieren sicherlich andere auch, aber bei ihm und seinem Team gibt es mehr als nur Gerichte, die sich schnell in der Pfanne anbraten lassen. Es ist der Rundum-Wohlfühlservice: Das Lächeln beim Eintreten im Ladengeschäft, ein kleiner Schwatz und gar Tipps und Tricks für die perfekte Bratensauce oder manchmal auch nur die Frage nach dem «Wie gehts Ihnen?». Selbstverständlich und gerechterweise hat das auch seinen Preis. Das Fleisch wird im regionalen Handel und nicht in Masse gekauft und verarbeitet und das langjährig bestehende Personal ist top ausgebildet und verdient einen vernünftigen Lohn. Das macht den Unterschied zum Discounter und dies schätzt die langjährige Stammkundschaft sehr. Aber warum wird dann das Geschäft trotzdem im Frühjahr 2024 geschlossen?
«Zwischenzeitlich besteht eine Bürokratie für den Kleinhandel, der man fast nicht mehr gerecht wird», erklärt Ernst Köpfli. Der Papierkram ist aufwendig, dazu sind die gesetzlichen Bestimmungen gerade mit Lebensmitteln so streng geworden, dass ein neuer Pächter der Metzgerei erst einmal investieren und alles umbauen müsste. Als Beispiel: «Heute sind keine Bodenfliesen mehr erlaubt, da muss ein durchgängiger Boden gegossen werden», erklärt Köpfli «Mit all den anderen Vorgaben liegen wir schnell im sechsstelligen Bereich für die gesamten Umbaumassnahmen.»
Schinken kochen in der Waschküche
Interessenten und Bewerber gab es, aber das finanzielle Risiko für den Nachfolger ist einfach zu hoch. Dann lacht der Metzger und erzählt aus seiner Erinnerung: «Früher, im Jahr 1957, haben wir noch in der Waschküche Schinken gekocht – das wäre heute undenkbar.»
Ernst Köpfli wurde im Jahr 1957 als erster Sohn geboren. Insgesamt hatte das Ehepaar drei Kinder. Für seinen Vater Karl Köpfli stand früh fest, dass das Älteste seiner Kinder das Metzgerei-Handwerk erlernen und im Unternehmen mitarbeiten würde. «Eigentlich wollte ich immer Schreiner werden», verrät Ernst Köpfli, «aber in der damaligen Zeit gab es keinen Widerspruch und ich habe mich der Erwartung des Vaters gefügt.» Nur in der Freizeit konnte er seiner Leidenschaft mit Holz, aber auch für die Musik – er spielt in einer Band – und seinem Interesse fürs Mittelalter folgen.
Mit Liebe zum Detail
Viele wissen es bereits: Hinter der Hausfassade in der Poststrasse 1 befindet sich ein mittelalterliches Schloss. Der Blick von aussen lässt erahnen, was sich im Inneren befinden mag. Schlossähnliche Türmchen oder Anbauten zeigen nur einen kleinen Teil. Innen im Haus vergisst man, dass man sich über einem Metzgerei-Geschäft befindet. Mit viel Liebe zum Detail baute Ernst Köpfli das Haus zu seinem Schloss um. «Wir hatten auch schon das Fernsehen da», lacht Ernst Köpfli und weiss, dass nicht jeder so wohnt.
Im Jahr 2024 wird Ernst Köpfli 67 Jahre alt. Für ihn endgültig Zeit, sich in den wohlverdienten Ruhestand zu verabschieden. Da wartet schon der kleine Enkel oder der weitere Ausbau seines Hauses – oder besser: seines Schlosses. Und wenn dann noch Zeit übrig bleibt, auch mal wieder der Weiterbau an seiner Modelleisenbahn.
Und was passiert jetzt mit der Metzgerei Köpfli? «Nachdem wir niemand Passenden gefunden haben, werden wir die Metzgerei im Frühjahr schliessen», sagt Ernst Köpfli. Er selbst hat zwei Töchter, die im Vergleich zu ihm beruflich machen durften, was sie wollten. Sie wählten nicht das Metzgerei-Handwerk. Die Schliessung der Metzgerei ist traurig und ein Verlust im Einkaufsangebot für Wohlen. Aber im Moment wohl der einzige Weg für Ernst Köpfli.
Das Hoffen auf ein kleines Wunder
Das fünf köpfige Team um Ernst Köpf li trägt die Entscheidung mit und bereitet behutsam die treue Kundschaft darauf vor. Helen Werder, Christine Koller und Claudia Gantner sind seit vielen Jahren im Betrieb tätig. Peter Ergerter hatte einst selbst eine Metzgerei in Widen und leistet ebenso seit einigen Jahren wertvolle Arbeit hinter dem Tresen. Ruth Liegl, bereits selbst Pensionärin, springt immer noch regelmässig mit grosser Freude ein. Und wer weiss, vielleicht passiert ja doch noch ein kleines Wunder und es klopft doch noch ein passender Interessent an, der die Metzgerei übernehmen möchte? Das würde nicht nur Ernst Köpfli und seinem Team gefallen, sondern könnte auch für Wohlen eine weitere Bereicherung für das regionale Einkaufsangebot sein.