Lange vor unserer Zeit
05.09.2023 Hilfikon, Region UnterfreiamtOrks, Wikinger und Drachentöter treffen sich am WUMS in Hilfikon
Anhänger des Mittelalters trafen sich bereits zum 6. Wikingerund Mittelalterspektakel (WUMS) in Hilfikon. In einer Zeltstadt konnten das altertümliche Handwerk, traditionelle Kochkünste ...
Orks, Wikinger und Drachentöter treffen sich am WUMS in Hilfikon
Anhänger des Mittelalters trafen sich bereits zum 6. Wikingerund Mittelalterspektakel (WUMS) in Hilfikon. In einer Zeltstadt konnten das altertümliche Handwerk, traditionelle Kochkünste und jede Menge Ritter, Wikinger, Gaukler, Show und Musik bestaunt und genossen werden.
Britta Müller
Bereits am Parkplatz passiert Erstaunliches: Jung und Alt, gerade noch im schnittigen Fahrzeug in T-Shirts und Shorts vorgefahren, taucht in seine ganz persönliche Welt ein. Aus dem Kofferraum werden Gewänder, lange Kleider und Geschmeide herausgezogen, übergestreift und schon stehen stattliche Ritter, holde Maiden und Händler vor einem.
Geschmückt mit Hüten, Lederbändern und altertümlichem Schmuck geht es zu Fuss – in selbst genähten Lederschuhen oder gar barfuss – hoch auf die Hügel über Hilfikon. Zusammen mit den Teilnehmenden tauchen die Besucher in die Alemannensiedlung Hilfiniswilisare, das heutige Hilfikon, ein, in die Zeit des 9. Jahrhunderts.
So viel zu entdecken
Schon am offiziellen Eingangszelt begrüssen einen erste schaurig wirkende Gestalten und die ein oder andere lächelnde Zaubergestalt. Totenköpfe, Tierfelle und Feuerfackeln weisen den Weg. In der Ferne sind Trommeln und Flötentöne zu hören. Fremde Düfte von Kräutern und Gekochtem machen neugierig, was in den Zelten über dem offenen Feuer so vor sich hin dampft. Es gibt so viel zu entdecken, dass der Neuling gar nicht weiss, wo er als Erstes hinsehen und hingehen soll. Zu den Handwerkern, die zeigen, wie man Bänder und Tücher webt, oder lieber zu den Eisenformern, die Beile und Kampfwerkzeuge schmieden? Oder an die zauberhaften Stände, an denen man selbst gemachte Kerzen, keltischen Schmuck und naturgefärbte Gewänder kaufen kann? «Gibt es das rote Kleid auch in S?», ruft eine Magd zum Händler, der sofort loseilt und das passende reicht. Kaninchen- oder Schafsfelle, Trommeln und Holzstühle – alles kann ausprobiert und gekauft werden. Und alles wirkt wie eine riesengrosse, mit viel Leben gefüllte Märchenlandschaft.
Aber auch die Zelte der jeweiligen Kriegergruppen sind zu bestaunen. Meist geschützt und abgetrennt durch ein Seil, bieten sie einen spannenden Einblick ins Innere. Dort ist die Schlafstelle nicht nur einfach ein Bett, sondern eine einladende, sicherlich sehr bequeme Insel aus Decken, Fellen und edlen Stoffen. Teilweise hängen Waffen wie Speere, Äxte oder Pfeil und Bogen an den Zeltwänden und warten auf ihren Einsatz. In manchen Zelten sitzt die ganze Familie um das offene Feuer und macht zusammen Mittagspause. So vieles ist zu beobachten und zu entdecken, dass es gar nicht viel Erklärung benötigt. Wer aber doch Fragen hat, ist herzlich willkommen. Manch gruselige Gestalt entpuppt sich als sympathisch und als überzeugender Geschichtenerzähler.
Freude am bunten Treiben
Vieles darf der Besucher ausprobieren, und wer Zeit und Lust hat, lässt sich zeigen, wie man das Schwert schwingt oder mit Pfeil und Bogen umgeht, kann sich ein Runenzeichen tätowieren lassen oder gönnt sich eine mittelalterliche Massage. Auch die Handwerker verraten, wie sie vorgehen, welches Material verwendet wird und wie lange es braucht, nur mit Wasser und Feuer zu arbeiten – die Industriezeit ist hier noch weit weg. So sitzt Adrian Ingold schwitzend in der strahlenden Sonne und schnitzt mühevoll an seinem 3. Bogen. «Ich bin quasi Lernender und stelle fest, es ist gar nicht so einfach», lacht er verschmitzt und schaut stolz auf sein Werk. Er kommt aus der Nähe von Bern und freut sich über das bunte Treiben am WUMS.
Was fasziniert die Menschen, in eine mittelalterliche Welt zu tauchen? Manche glauben, vielleicht einst einmal im Mittelalter gelebt zu haben, manch einem tut es einfach gut, der Realität auf diese Art und Weise zu entfliehen , und mancher hat einfach nur Spass dabei. So auch die Stammgäste Arnulf und Elena aus Klingnau im Aargau. Er ist ein furchtloser Wikinger und sie eine schöne Hofmagd, und beide sind schon zum fünften Mal am WUMS. «Ich habe im Lager der weissen Wölfe geschlafen, das man auch mittelalterliches Heerlager Schweiz nennt», erklärte Elena. «Ich dagegen fand Asyl bei einer hübschen Dame in einer Kutsche», grinst Arnulf der Wikinger und nimmt einen grossen Schluck Met-Bier aus seinem Horn. Wie in einem Märchenbuch wandeln sie über das Gelände, was sie im wirklichen Leben machen, welchem Beruf sie nachgehen, bleibt ihr Geheimnis und findet erst wieder nach dem WUMS statt.
Schlachtlärm auf den Hilfiker Hügeln
In der Ferne hört man Kanonenschüsse und taktvoll schlagen Trommeln dazu. Die Schlacht um König Lothar beginnt. Bevor man das Spektakel verfolgen kann, muss man zum Hügel des Schlachtfelds hochlaufen und kommt automatisch am Friedhof der gefallenen Krieger vorbei. Selbstverständlich ist niemand ums Leben gekommen, aber symbolisch wurde auch hier bis ins Detail an alles gedacht. Respektvoll und mit einem kleinen Schauer auf dem Rücken beobachten die Zuschauer, wie ein Adler startet und damit den Kampf eröffnet. Pferde, Rauchwolken, Ritter, Schwerter und jede Menge Farben und Gerüche lassen die Zuschauer ganz tief in die Schlacht eintauchen und manch einer will am Ende vielleicht gar nicht mehr auftauchen – so schön geheimnisvoll und unheimlich ist das Mittelalter hoch über den Hügeln von Hilfikon.
Auch für Kinder geeignet
Und auch vielen Kindern gefällt es. Die gruseligen, meist düsteren Orks und Gestalten jagen den wenigsten Angst ein. In kindgerechter mittelalterlicher Kleidung und bewaffnet mit einem Holzschwert und Schutzschild schreiten selbst die Kleinsten mutig durch die Menschenmengen. Und wem es dann doch zu unheimlich wird, geht ins Märlizelt und taucht dort zusammen mit dem Märchenerzähler und seinen Krähen in den Zauber seiner eigenen Fantasiewelt ein. Und manch einer freut sich bereits heute, nächstes Jahr wieder dabei zu sein.