Krisensituation – was nun?
30.01.2024 Region Bremgarten, Region Wohlen, Region Oberfreiamt, Region UnterfreiamtNotfalltreffpunkte in der Wohngemeinde: Sie bieten vielseitige Hilfe, aber nur wenige Freiämter kennen sie
Um in Krisensituationen vorbereitet zu sein, wurden im Kanton Aargau im Oktober 2020 die Notfalltreffpunkte eingeführt. Diese dienen der Bevölkerung ...
Notfalltreffpunkte in der Wohngemeinde: Sie bieten vielseitige Hilfe, aber nur wenige Freiämter kennen sie
Um in Krisensituationen vorbereitet zu sein, wurden im Kanton Aargau im Oktober 2020 die Notfalltreffpunkte eingeführt. Diese dienen der Bevölkerung als erste Anlaufstelle bei Katastrophen, Notlagen und schweren Mangellagen. In jeder Gemeinde ist mindestens ein Treffpunkt definiert. Eine Umfrage zeigt, dass diese Treffpunkte in der Bevölkerung kaum bekannt sind.
Richard Gähwiler
Die Pandemie hat aufgezeigt, dass wir möglichen Krisensituationen ziemlich ausgeliefert sind. Solche nicht voraussehbaren Situationen können auch aus Cyberangriffen oder politischen Wirren resultieren. Auch bei einer Havarie in einem AKW können Notfallaktionen die Folge sein. Unwetter können längere regionale Ausfälle des Stromnetzes zur Folge haben, wodurch auch die Wasserversorgung beeinträchtigt sein kann. Schon einfache Ausfälle von Technik zeigen Grenzen auf. Störungen bei der Swisscom können zu einem Ausfall der Notrufnummern führen. Feuerwehr, Polizei und Sanität sind mit dem Telefon oder Handy nicht mehr erreichbar. Was dann? Wie reagieren?
Und plötzlich ist alles anders
Für diese Fälle hat die Bevölkerung die lokalen Zivilschutzorganisationen: «Schutz und Sicherheit für die Bevölkerung», heisst eine der Aufgaben dieser Leute. Zivildienstleistende werden auch für Spezialaufgaben sowie für Katastrophen- und Nothilfeeinsätze ausgebildet und eingesetzt. Regelmässig wird ihr Schaffen in Sicherheitsverbundübungen geübt und beurteilt. An einer solchen Übung wurden die Szenarien «Blackout & Pandemie» durchgespielt und ausgewertet. «Ungenügender Einbezug der Bevölkerung» war ein Punkt, der bemängelt wurde.
Was lange währt...
Es waren die Kantone Aargau und Solothurn, die bezüglich dieses Mankos eine Vorreiterrolle übernahmen. In Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz erarbeiteten deren kantonale und regionale Führungsorganisationen (KFO/RFO), die Zivilschutzorganisationen (ZSO) und weitere Blaulichtorganisationen ein Evakuations- und Notkommunikationskonzept.
Im Frühling 2017 konnten erste Resultate präsentiert werden, die dann verfeinert wurden. Es war dann ein langer Weg bis zum sogenannten «Notfalltreffpunkt» (NTP) für Einwohnerinnen und Einwohner. «Schon der Name gab zu langen Diskussionen Anlass. Erst recht dann das Logo und die Beschilderung, die den Treffpunkt kenntlich machen sollte», erinnert sich Herbert Strebel. Er war damals als Chef-RFO Muri-Boswil massgeblich an der Ausarbeitung, Umsetzung und Einführung von Notfalltreffpunkten beteiligt. In jeder Gemeinde wurde mindestens ein NTP definiert. Diese sollten sich bei markanten Gebäuden befinden und mit dem Logo des Notfalltreffpunkts markiert werden, was wiederum zu langwierigen Diskussionen Anlass gab. «Im Laufe des Jahres 2019 wurden die entsprechenden Signalisationstafeln ausgeliefert und an den vorgängig bestimmten Standorten montiert», so Strebel weiter.
Anlaufstelle «Notfalltreffpunkt»
Es war im Herbst 2020, als Kanton und Gemeinden die Bevölkerung mittels einer Informationsbroschüre betreffend der Notfalltreffpunkte orientierten. Neben dem genauen Standort des jeweiligen NTP enthalten diese Broschüren alle wichtigen Daten, wie und wo man im Ereignisfall Infos erhält und wie man sich verhalten soll.
Es fehlt nicht an Informationen zum Notfalltreffpunkt. Aber wie viele Infos haben die Bevölkerung erreicht und was ist geblieben? Wie sieht es heute aus mit dem Wissen um diese Notfalltreffpunkte? Eine nicht repräsentative Umfrage im Freiamt war ernüchternd: «Notfalltreffpunkt? – Keine Ahnung, noch nie gehört.» So lautete die Antwort einer Mehrheit der Befragten. «Das ist doch der Ort, wo man sich bei einem Brand trifft?» Dies war mehrmals zu hören – dies ist jedoch eine Verwechslung mit dem Sammelplatz bei Firmen und öffentlichen Anlagen.
Für Mike Imhof aus Zufikon beispielsweise ist das eine klare Sache – er ist Feuerwehrmann und im Krisenfall wahrscheinlich einer der Ersten auf dem Notfalltreffpunkt. Bei weiteren Befragungen resultierte vielfach Achselzucken. «Wer weiss denn so was?», so die Antwort eines Besuchers im Plaza Shopping in Bremgarten. «So was brauche ich nicht, ich habe meinen eigenen Schutzkeller mit allerlei Utensilien», sagts und schiebt seinen Einkaufswagen Richtung Ausgang. Es scheint, dass Informationsbedarf besteht.
Und die Gemeinden?
Was unternehmen die Freiämter Gemeinden, um das mangelnde Wissen in der Bevölkerung zu verbessern? Die Stadt Bremgarten informiert auf ihrer Homepage über die exakten Standorte ihrer drei NTP. Dies sind: Turnhalle Bärenmatte, Sportstrasse; St. Josef-Stiftung, Badstrasse 4; Ortsteil Hermetschwil-Staffeln, Schulhaus, Schulhausstrasse 6.
Ergänzt werden diese Angaben mit einem Video über Inbetriebnahme und Einsatz der NTP. Auf Anfrage verweist Feuerwehrkommandant Ralph Martin auf ebendiese Homepage und er wird in Betracht ziehen, den offiziellen Flyer nochmals an die Bevölkerung zu verteilen. In Wohlen informierte man im Oktober 2020 mit einer Medienmitteilung und nachträglich mit dem Info-Flyer, der allen Haushalten zugestellt wurde. Dieser ist auch heute noch als «Download» einsehbar oder kann bei der Gemeinde bezogen werden. Detailliert sind darin Wohlens fünf NTP beschrieben und grafisch dargestellt: Anglikon, Breitistrasse 8; Kantonsschule, Allmendstrasse 26; Gewerbe, Gewerbering 25; Dreifach-Turnhalle, Hofmattenweg; Forsthaus, Bremgarterstrasse.
«Wir informieren diesbezüglich auch bei öffentlichen Feuerwehranlässen oder am Tag der offenen Tür», war vom Bereichsleiter Sicherheit und Feuerwehrkommandant Marcel Christen zu erfahren. «Auch werden wir vorgängig zum Sirenentest eine Medienmitteilung verfassen», ergänzt er.
Auf Muris Homepage findet man nach den Notfallnummern die Darstellung des NTP: Gemeindehaus Muri, Seetalstrasse 6. – Mit einem Link gelangt man zum Animations-Kurzfilm «Notfalltreffpunkt – Ihre Anlaufstelle im Ereignisfall» vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz. «Die Gemeinde wird sich überlegen, mit welchen Massnahmen die NTP bei der Bevölkerung wieder in Erinnerung gerufen werden können», antwortet Renato Orsi, Chef Regionalpolizei und Leiter Öffentliche Sicherheit, auf Anfrage. Eine Möglichkeit sieht er über die Social-Media-Kanäle sowie in der Information von Neuzuzügern.
Alarmierung erfolgt mittels Sirenen
Büttikon, Kallern, Oberlunkhofen und einige weitere Gemeinden nutzen die «Amtlichen Anzeigen», um das Wissen periodisch aufzufrischen. Es gibt auch Gemeinden, auf deren Homepage der Suchbegriff «Notfalltreffpunkt» keinen Treffer ergibt. In diesen Fällen findet man den NTP der Wohngemeinde unter www.notfalltreffpunkt.ch.
Die Alarmierung der Bevölkerung bei Krisenlagen erfolgt mittels Sirenen, wie man sie von den jährlichen Funktionstests kennt. Gleichzeitig mit dem Sirenenalarm sind über die SRG-Radio-Senderketten weitere Infos zu empfangen. Die Alarmierung und die Inbetriebnahme eines NTP kann zusätzlich als Push-Meldung über die Alertswiss-App auf Smartphones sowie online verbreitet werden (www.alert.swiss).
Die rund 300 Notfalltreffpunkte im Kanton Aargau sind in einer ersten Phase durch die regionale Feuerwehr besetzt. Diese kann Notrufe über Polycom absetzen, auch wenn das private Telefon nicht mehr funktioniert. Polycom ist ein speziell gesichertes Funknetz. In einer zweiten Phase stellt der Zivilschutz den Betrieb sicher, erweitert das Leistungsangebot (Abgabe von Wasser, Lebensmitteln und anderer überlebenswichtiger Güter) und organisiert erforderliche Transporte oder Evakuierungen.