Kaffee mit Banane
15.09.2023 WohlenMax Hüsser erlebte in 48 Jahren bei der Camille Bauer so einiges – jetzt geht er in Pension
1975 machte Max Hüsser die Lehre bei der Camille Bauer. Er blieb dem Unternehmen immer treu. Ein halbes Jahrhundert gab es in der Znünipause einen Kaffee mit ...
Max Hüsser erlebte in 48 Jahren bei der Camille Bauer so einiges – jetzt geht er in Pension
1975 machte Max Hüsser die Lehre bei der Camille Bauer. Er blieb dem Unternehmen immer treu. Ein halbes Jahrhundert gab es in der Znünipause einen Kaffee mit Banane. Jetzt geht er in Pension. Es ist für ihn ein grosser Schritt, vor dem der bekannte Wohler Respekt hat.
Stefan Sprenger
Morgens nicht mehr aufstehen zu müssen, das macht ihm ein wenig Angst. «Meine Frau hat mir schon angedroht, ich muss dann mehr im Haushalt helfen», lacht Max Hüsser. «Eine grosse Veränderung steht an», meint der Mann mit Jahrgang 1958. Aber langweilig wird es ihm wohl nicht. «Nichts tun ist nicht so mein Ding», sagt er. Weil er in wenigen Wochen nicht mehr bei der Camille Bauer tätig sein wird und am Arbeitsplatz nicht mehr per Telefon erreichbar ist, hat er sich erstmals in seinem Leben ein Smartphone zugelegt. «So ein iPhone-Ding. Ich habs noch nicht ganz kapiert. Aber ich will verbunden bleiben mit den Menschen, auch wenn ich nicht mehr arbeite.»
Ein Päckli in jedes Land der Welt
1975 macht er die Lehre bei der Camille Bauer als Kaufmann. Damals sind über 500 Leute an fünf Standorten in Wohlen tätig. Damals arbeitet er mit Schreibmaschine. «Eine andere Zeit», sagt er. Später lässt er sich zum Speditionsfachmann ausbilden. Er arbeitete immer im Versand. Die Produkte der Camille Bauer sind – einfach gesagt – Messgeräte für die Stromüberwachung und Netzqualität. Die Abnehmer sind Energieerzeuger wie beispielsweise Atomkraftwerke. Und diese Messgeräte gehen raus in die ganze Welt. «Ich habe wohl schon in jedes Land dieser Erde ein Päckli geschickt», erzählt Hüsser. Er arbeitet sehr exakt, kontrolliert die Waren mehrfach. «Fehler darf man sich nicht erlauben.» Hüsser kommunizierte auch mit den Kunden. Gerne auch in Englisch, weniger gerne in Französisch. «Die Franzosen reden immer so schnell.»
Ob See- oder Luftfracht, ob Gefahrengut oder Eilsendung: Max Hüsser weiss Bescheid. Was früher noch in Holzkisten tagelang unterwegs war, geht heute grösstenteils per Kurier raus. Heute verschickt in Wohlen, morgen beim Kunden in Europa. Ein verantwortungsvoller Job.
Sascha Engel, einer von zwei Geschäftsführern, sagt: «Max Hüsser hat das Unternehmen mitgeprägt. Er ist Historie in Person. Er hat den rasanten Wandel in der Branche miterlebt und mitgemacht.» Hüsser habe im letzten fast halben Jahrhundert bewiesen, was Treue, Loyalität und Wandlungsfähigkeit bedeutet. «Bei der Digitalisierung ist unser Betrieb ganz vorne dabei in der Schweiz. Das geht nur mit Menschen, die das mittragen und die Veränderungen mitgehen», so Engel weiter.
Ein Tausendsassa, der Rekorde knackt
Die Camille Bauer wurde 1900 gegründet. Zu den Hochzeiten vor rund 50 Jahren hatte man 550 Mitarbeiter. Heute sind es rund 80. Und es hat viele treue Mitarbeiter. Ein Jubiläum über 30 Jahre ist keine Seltenheit im Unternehmen. Aber 48 Jahre, das ist dann doch etwas ganz Besonderes. Max Hüsser besitzt Wissen, das sonst niemand hat. Der Wohler kennt beispielsweise jedes Freihandelsabkommen der Schweiz auswendig. «Wir werden ihn vermissen», sagt Engel.
Max Hüsser hört diese Worte natürlich gerne. Doch man spürt auch, dass ihm die Pensionierung etwas Angst macht. «Das wird anders, das wird komisch», meint er.
Aber Hüsser ist ein Tausendsassa und weiss sich zu beschäftigen. Wenn er aufzählt, was er alles macht und machte, dann fragt man sich, wo er nebst der Arbeit noch die Zeit dafür hatte. Er ist Quizliebhaber, machte früher bei Rätselmeisterschaften mit. Beim Tippspiel (bei der Camille Bauer) während der Fussball-WM blüht er richtig auf, sammelt dann gar Panini-Bilder und verpasst kein Spiel am TV. Er sammelt Modellautos. Er mag Kreuzworträtsel und Sudoku. Er ist Mitglied bei der SVP Wohlen-Anglikon und im Einwohnerrat. Mit seiner Frau Monika hat er zwei Kinder, Bettina und Bastian. Er ist enorm sportinteressiert. Er ist Mitglied bei der Männerriege, dem Minigolfclub und seit 1978 beim TV Wohlen mit dabei. Er ist Kampfrichter bei allen möglichen Leichtathletik-Disziplinen. Seit 1982 ist er im Vorstand des TV Wohlen, als Kassier, Protokollführer und Aktuar. Bei den Anlässen in den Niedermatten packt er immer mit an. Hüsser ist Fähnrich des TV Wohlen (seit 20 Jahren) und des Aargauer Turnverbands (ATV). Und er ist selbst Leichtathlet – und immer noch aktiv. In der Kategorie M60 hält er im Hochsprung den Schweizer Rekord. Er hat über 70 Schweizer-Meister-Titel in der Seniorenkategorie. Bald darf er bei den M65 starten – und will wieder Rekorde knacken. Am kommenden Wochenende steht die schweizerische Vereinsmeisterschaft mit dem TV Wohlen an. Da macht er natürlich mit. Unglaublich. Rolf Stadler, Chef des TV Wohlen, kennt Max Hüsser schon lange – und sagt: «Er ist ein lieber Kerl und grosser Chrampfer.»
Es wurde ihm nie langweilig
Ein «Chrampfer» ist er auch bei der Camille Bauer. Um 9 Uhr ging es immer fix in die Znünipause, dort gab es Kaffee und Banane. «Nicht immer, aber meistens mit Banane», sagt er lachend. Zur Mittagszeit radelt er mit dem Velo nach Hause und isst mit seiner Frau. Er ist ein Gewohnheitstier. Ist das auch der Grund, wieso er nie von der Camille Bauer wegwollte? «Mir wurde es in all den Jahren nie langweilig. Es ist ein interessanter Job, eine gute Bude mit tollen Mitarbeitern. Wieso hätte ich weggehen sollen?», fragt Hüsser, der seine Nachfolgerin nun ein Jahr lang eingearbeitet hat.
Junggeblieben. Immer für einen Spass zu haben. Einfach. Freundlich. Kompetent. Zuverlässig. Max Hüsser ist ein Unikum mit positivem Geist. Eine treue Seele, ob bei Verein, Frau oder Unternehmen. Im letzten Jahrhundert sind bei der Camille Bauer viele Leute gekommen und gegangen. Er ist immer geblieben. Einzigartig.
Zuerst nach Italien
Ende September hat er seinen letzten Arbeitstag (inklusive Abschiedsparty) und geht dann mit seiner Frau eine Woche auf Carfahrt durch Italien. Und danach? «Ach. Ich werde mich schon beschäftigen können», meint er. Doch ein wenig Wehmut ist zu spüren, wenn er an seinen Abschied denkt. Ein wenig Respekt vor der Zeit, die nach dem Arbeiten kommt. Beim Abschied wird die Zuneigung zu den Sachen, die den Menschen lieb sind, immer ein wenig wärmer. Das weiss auch Hüsser. Das positive Gewohnheitstier muss wieder eine Veränderung hinnehmen. Morgens nicht mehr aufstehen zu müssen, das macht ihm ein wenig Angst. Aber Max Hüsser wird auch diese Hürde meistern – und seinen Kaffee mit Banane jetzt eben zu Hause geniessen.
Weiteres Jubiläum
Rita Wetli geht nach 47 Jahren bei der Camille Bauer in Pension
Max Hüsser ist nicht der einzige langjährige Mitarbeiter, der nach fast einem halben Jahrhundert bei der Camille Bauer in den Ruhestand geht. Rita Wetli hat eine ähnlich beeindruckende Laufbahn.
Rita Wetli (Jahrgang 1959) kam im Alter von 16 Jahren als Monteurin zu der Camille Bauer. Ihr genaues Eintrittsdatum ist der 21. September 1976. Ab 2004 übernahm sie eine neue berufliche Herausforderung, als sie die Position als Mitarbeiterin in der Wicklerei übernahm. Davor und während dieser Zeit half Rita Wetli in verschiedenen Abteilungen aus und arbeitete dabei auch eine Zeit lang von zu Hause aus. Mit Präzision und einem aussergewöhnlichen Fingerspitzengefühl produzierte die Freiämterin während ihrer Zeit in der Wicklerei qualitativ hochwertige Wickelgüter. Ihre Hingabe und Freude an der Arbeit waren für sie immer Antrieb und Motivation. Sie arbeitete stets mit vollem Engagement und konnte sich über die Anerkennung und Wertschätzung ihrer Arbeitskollegen freuen, die sie nicht nur als hervorragende Fachkraft, sondern auch als eine besondere Persönlichkeit schätzten.
Nach fast zwei Jahrzehnten als Mitarbeiterin in der Wicklerei und nach 47 Jahren bei der Camille Bauer in Wohlen geht sie per Ende September in den wohlverdienten Ruhestand. --red