«Hey Grosspapi»
12.09.2023 MuriAn der 6. Freiämter Landsgemeinde war Alt-Bundesrat Ueli Maurer zu Besuch
Zu wenig kontrollierte Einwanderung, ineffiziente Klimapolitik und künftig die Versorgungssicherheit innerhalb der Schweiz garantieren − das waren die Themen an der 6. Freiämter ...
An der 6. Freiämter Landsgemeinde war Alt-Bundesrat Ueli Maurer zu Besuch
Zu wenig kontrollierte Einwanderung, ineffiziente Klimapolitik und künftig die Versorgungssicherheit innerhalb der Schweiz garantieren − das waren die Themen an der 6. Freiämter Landsgemeinde. Besonders gespannt waren die Anwesenden dabei auf Alt-Bundesrat Ueli Maurer.
Celeste Blanc
«Hey Papi, was macht ihr mit unserem Land?» Nicht nur Alt-Bundesrat Ueli Maurer, sondern auch seine Kinder machen sich Sorgen. Mit ihrem Blick von aussen (sie leben in Kanada und Norwegen) beunruhigen sie zunehmend die vermeintlich verschwindende Meinungsfreiheit, das Abhandenkommen der Schweizer Werte sowie die demografische Entwicklung vor allem in den Städten. Diese Sorge um die Zukunft der Schweiz, sie bilden den Ausgangspunkt von Maurers Rede an der 6. Freiämter Landsgemeinde auf dem Marktplatz in Muri. Dabei spricht er, anders als seine Vorredner, nicht vom Rednerpult, sondern tritt vor die Anwesenden. «Da oben ist man zu weit weg vom Volk», meint Maurer, der sich gewohnt volksnah gibt, und lacht dabei ins Publikum.
Karten werden aus der Hand gegeben
Und auch wenn die Stimmung bei Maurer an diesem Nachmittag gut war und er den Austausch mit der lokalen Politprominenz sowie den Anwesenden sichtlich genoss, ist ihm in politischer Hinsicht alles andere als zum Lachen zumute. «Vieles ist in der Schweiz auf die schiefe Ebene gerutscht. Und wir kennen das von der Lawine: Fängt diese an zu rollen, kann sie alles zerstören.»
Das Hauptproblem, das aktuell vielen fragwürdigen Entwicklungen zugrunde liegt, verortet Maurer klar in der unkontrollierten Zuwanderung. Einerseits leide die Schulbildung darunter, andererseits liege in ihr der künftige Fachkräftemangel begründet. Nach den von Maurer präsentierten Zahlen müsse man künftig rund 80 000 Wohnungen, Platz für zusätzliche 700 Schulklassen mit rund 1000 zusätzlichen Lehrpersonen und 1400 Pflegebetten gewährleisten. Diese Prognose sei besorgniserregend, zumal dafür die notwendigen Arbeitskräfte fehlen. Und auch wenn die Schweiz im internationalen Vergleich eines der grössten Einwanderungsländer gemessen an seiner Gesamtbevölkerungszahl sei, kommen dadurch nicht mehr Fachkräfte ins Land. Eher das Gegenteil sei der Fall: Obwohl man ausländische Arbeitskräfte brauche, die sich hier integrieren wollen, liegen viele von ihnen ohne Qualifikationen dem Staat auf der Tasche. Maurer kritisiert: «Wir sind ein Land, das nicht mehr in der Lage ist, seine Bevölkerung zu steuern. Wir geben die Karten aus der Hand, wenn wir nicht mehr Einfluss nehmen, wer in unser Land kommt.»
Besorgnis um Werteverfall
Die Asyl- und Einwanderungspolitik in Bern ist der SVP ein Dorn im Auge. Das zeigt sich auch an der Landsgemeinde, wo neben Ueli Mauerer auch Kantonalpräsident Andreas Glarner und Nationalrat Benjamin Giezendanner dieses Thema aufgreifen. Die Gutmenschen-Politik reiche in Zukunft nicht mehr aus − vielmehr schaffe sie weitere Probleme. Auch Maurer greift dies auf. Nicht nur, dass «es immer enger in der Schweiz» werde, auch sei ein gewisser Schweizer Kulturrückgang zu verzeichnen. «Wir geben zunehmend unsere christlichen Werte auf», hält Maurer fest. «Das Schlimmste dabei ist, dass wir uns dafür noch entschuldigen und den andern recht geben.» Dabei verweist der Alt-Bundesrat nicht nur auf die sich ändernden Zahlen hinsichtlich der Religionsangehörigkeiten, sondern auch auf sicherheitstechnische Fragen im öffentlichen Raum, vor allem in Städten wie Zürich.
Maurer erinnert daran, dass das politische System der Schweiz aus den Werten, welche sie international ausmachen, hervorgegangen sei. Eine grosse Eigenschaft dabei sei die Meinungsfreiheit, die seines Erachtens zunehmend eingeschränkt werde. «Wir von der SVP hatten immer den Mut, Probleme zu benennen. Aber während Corona war man Verschwörungstheoretiker, hinsichtlich der Asyldebatte ist man Rassist. Das gefährdet die Demokratie.» Er bemängelt, dass sich die Politik nicht vermehrt um die grossen Probleme kümmere, sondern andere Fragen behandle: «Lieber diskutieren wir, ob es ein drittes WC braucht oder nicht.»
Schweiz nicht retten, aber sichern
Unter die schwindenden Schweizer Werte subsumiert Maurer auch die Frage der politischen Neutralität der Schweiz. Lange Zeit habe sie für ihre Haltung in Konflikten international hohes Ansehen erhalten. «Nur die neutrale Schweiz kann zwischen den Grossen vermitteln. Das geht nicht mehr, wenn wir in die Mittelmässigkeit absinken und das aufgeben, was uns einzigartig macht.» Maurer sieht die politischen und gesellschaftlichen Werte als ein wertvolles Erbe, das über viele Generationen aufgebaut worden sei. Man müsse diesen nun endlich Sorge tragen. «Die Errungenschaften, die unsere Vorfahren erstritten haben, gilt es zu wahren.» Man stehe jedoch kurz davor, dieses Erbe zu «vertubeln», warnt Maurer. All diese Probleme gilt es nun in den kommenden Wahlen anzupacken. Um die bedrohliche Schief lage, in der sich die Schweiz befindet, aufheben zu können, benötige es eine bürgerliche Korrektur im Parlament. Denn vieles habe der grün-linke Übermut im Parlament, das hauptsächlich aus Hochschulabsolventen bestehe, zu verantworten. «Retten ist zwar ein grosses Wort. Aber zumindest müssen wir die Schweiz sichern und stabilisieren, damit sie auch künftig das grossartige Land ist, in dem wir leben.» Und damit auch Ueli Maurers Kinder und Enkelkinder künftig sagen können: «Hey Grosspapi, es hat sich was gebessert.»
Weitgefächerte Forderungen
Nebst Alt-Bundesrat Ueli Maurer und Nationalrat Benjamin Giezendanner redeten mit Nationalrat Andreas Glarner und Kandidat Christoph Hagenbuch auch zwei Freiämter an der Landsgemeinde. Gewohnt inbrünstig sprach der Aargauer Kantonalpräsident Andreas Glarner über das Thema Asylwesen. Auch er verortete eine Vielzahl von aktuellen Problemen in der Asylpolitik. Dabei jongliert er mit grossen Zahlen, welche die Bedrohung der künftigen Entwicklung zu unterstreichen wussten. Nebst der Überbelastung der Schulen stünden auch das Gesundheitswesen, die Wirtschaft sowie die Sozialdienste der Schweiz vor grossen Herausforderungen. «Es läuft aus dem Ruder. Wir müssen den ‹Hahn› schliessen», fordert Glarner. Die budgetierten 4,2 Milliarden Franken für den Asylbereich zeigen es: Die Tendenz ist steigend. Und somit kann es irgendwann nicht mehr bezahlt werden. Deshalb fordert er: «Es braucht Grenzkontrollen und Transitzonen.»
Einem ganz anderem Thema verschreibt sich Grossrat und Nationalratskandidat Christoph Hagenbuch. Der Oberlunkhofer spricht über Perspektiven in der Versorgungssicherheit, die es künftig vermehrt zu gewährleisten gilt. «Hinsichtlich dieser Frage wurde die letzten 30 Jahre konzeptlos gehandelt», so Hagenbuch. Er fordert, dass landwirtschaftliche Produktion in der Schweiz stärker gefördert und andere Produktionen, beispielsweise die von Medikamenten, zurück in die Schweiz geholt werden. «Wir haben eine hochtechnologisierte chemische Industrie. Dennoch lassen wir preisgünstig Medikamente in Indien, China oder Afrika produzieren.»
Jobsicherheit verspreche die Förderung der hiesigen Lebensmittelproduktion, die wieder attraktiv gestaltet und ihr Stellenwert gegenüber der verpf lichtenden Biodiversität für Landwirte gestärkt werden müsse. «Verlagern wir beispielsweise Weizenproduktion ins Ausland, haben der Bäcker, der Müller und der Transporteur bald keinen Job mehr.» Hier sieht Hagenbuch den Knackpunkt: «Wir schaden damit der Wirtschaft. Und damit meine ich nicht die grossen multinationalen Konzerne, sondern die alltäglichen Jobs der Bürgerinnen und Bürger.»