Grundrechte nicht verhandelbar
03.10.2025 Muri, ArbeitGBZ Freiamt: Schwere Vorwürfe führten zu Gerichtsverfahren und Aufsichtsanzeige
Psychosozialer Stress am Arbeitsplatz und unrechtmässige Kündigung. So nennt es Peter Fähndrich. Die Vorwürfe, die er gegen den Gemeindeverband ...
GBZ Freiamt: Schwere Vorwürfe führten zu Gerichtsverfahren und Aufsichtsanzeige
Psychosozialer Stress am Arbeitsplatz und unrechtmässige Kündigung. So nennt es Peter Fähndrich. Die Vorwürfe, die er gegen den Gemeindeverband Bevölkerungsschutz und Zivilschutz Freiamt und dessen Vorstand richtet, sind enorm. «Ich will ernst genommen und rechtsstaatlich richtig behandelt werden», sagt er.
Annemarie Keusch
Begeistert vom Zivilschutz ist er noch immer. «Feuer und Flamme» sei er für dieses Konzept. Das sagt Peter Fähndrich immer noch. Obwohl sich für ihn ein Schatten über die Organisation gelegt hat, zumindest jene im Freiamt, mit Sitz in Muri. «Mittlerweile triggert mich der Zivilschutz.» Dass er je wieder freiwillig eintritt, will er aber nicht kategorisch ausschliessen. «Sag niemals nie. Zu unterstützen, das hat mir immer Spass gemacht und das hat für viele zufriedene Gesichter gesorgt.
25 Jahre Zivildienst liegen hinter dem Waltenschwiler. 22 Jahre Milizdienst und die letzten drei Jahre als Mitarbeiter der Zivilschutzorganisation Freiamt. «Weit über die eigentliche Pflichtzeit hinaus. Weil es mir Spass machte», erzählt er. Betreuung war sein Bereich – Einsätze in Spitälern, in Heimen. Dass er auch beruflich diesen Weg einschlagen möchte, war für ihn klar, als die ZSO Freiamt nach der Fusion mit Rudolfstetten eine zusätzliche 60-Prozent-Stelle als zweiten stellvertretenden Kommandanten ausschrieb. Fähndrich bewarb sich und erhielt die Anstellung.
Klima sei schnell feindlich geworden
Er habe sich gefreut, sagt er. Doch schnell sei das Klima feindlicher geworden. Nicht vonseiten des Kommandanten und nicht vonseiten des Vorstands, sondern von einem Mitarbeiter. «Weil ich als Folge einer schweren Hüftarthrose Operationen machen musste und hinkte, wurde ich als behindert betitelt», nennt Fähndrich einen der Angriffe, «der schlimmste». Er sei nicht ins Kommando integriert worden. «Ich weiss, dass ich das alles hinter mir lassen muss. Aber es ist nicht einfach. Auch ich habe ein Recht auf Rechtsstaatlichkeit und darauf bestehe ich.»
Er habe den psychosozialen Stress am Arbeitsplatz, im Volksmund Mobbing genannt, seinem Vorgesetzten gemeldet. «Lange passierte nichts, dabei gilt doch die Fürsorgepflicht für Arbeitgeber.» Die Situation belastete Fähndrich so sehr, dass er nicht mehr arbeiten konnte. Gespräche folgten zwar, via Taggeldversicherung wurde auch ein Case-Management lanciert. Das Ziel: eine Lösung zu finden, die für beide Seiten passt. «Aber fünf Tage später erhielt ich die Kündigung.» Ohne Abmahnung, ohne Anhörung – wie Fähndrich betont. Dagegen wehrte er sich juristisch. Es folgte eine Aufsichtsanzeige im Oktober 2024, die Vergleichsverhandlung im letzten Juni und danach schaltete er die Gemeinden des Gemeindeverbands Bevölkerungsschutz und Zivilschutz Freiamt (GBZ) ein. «Der Vorstand deklarierte die Situation nicht als Mobbing, ohne mich einmal angehört zu haben», sagt Fähndrich. Er räumte aber auch ein, eine Einladung zu einem Gespräch nicht wahrgenommen zu haben. «Da zwischenzeitlich das Case-Management eingeschaltet wurde. Dies wollte ich abwarten, da vorher wochenlang nichts unternommen wurde und plötzlich eine Einladung folgte.»
Ohne Anhörung seiner Vorwürfe
Dabei sei er während der drei Jahre mit Leidenschaft dabei gewesen. «Wenn ich wegen der gesundheitlichen Gründe arbeiten konnte, tat ich das mit Herzblut.» Der Kontakt zur Mannschaft sei stets gut gewesen. «Sie fielen aus allen Wolken.» Genau wie er, als er die Kündigung erhielt. Das habe er nicht hinnehmen wollen. «Weil ganz vieles unsauber lief.» Keine Rechtsmittelbelehrung, keine Anhörung. «Ich wurde nicht ernst genommen. Aber zumindest das steht mir zu.»
Bei der Vergleichsverhandlung vor Verwaltungsgericht wurde ein Vergleich zu seinen Gunsten erzielt, was die arbeitsrechtlichen Themen betreffe. Fähndrich erhielt eine finanzielle Entschädigung. «Es geht mir überhaupt nicht darum, dass mir das nicht reicht, dass ich mehr will», sagt er. Er will Gerechtigkeit. Rechtsstaatlichkeit sei für ihn unverhandelbar. Noch vor der Vergleichsverhandlung reichte er Aufsichtsanzeige ein. «Das Mobbing war nicht Bestandteil der Verhandlung. Es wurde lediglich im Schriftverkehr erwähnt und hätte separat beklagt werden müssen. Die Aufsichtsanzeige habe ich eingereicht, um die aufsichtsrechtlichen Angelegenheiten, etwa das Vorgehen während der Mobbingmeldung und der Kündigung, also die Missstände, anzuzeigen.» Darin schildert er alle Vorkommnisse detailliert. Sein Ziel? «Dass diese Aufsichtsanzeige ernst genommen wird. Nur so können Verbesserungen erzielt werden, auch für künftige Angestellte.» Grundrechte seien nicht verhandelbar. Eine seriöse Untersuchung, das will er. Doch daran hatte Fähndrich auch seine Zweifel. Weil der Regierungsrat das GBZ als zuständige Behörde mit der Beantwortung der Aufsichtsanzeige beauftragte. «Richter in eigener Sache?» Die Antwort auf die Anzeige ist seit gut einer Woche da und fällt nicht zugunsten Fähndrichs aus, Anzeige abgewiesen. Er wird einen Antrag auf Sistierung und unabhängige Untersuchung betreffend die Aufsichtsanzeige vom 4. Oktober 2024 und eine neue Aufsichtsanzeige einreichen. «Gravierende formelle und sachliche Mängel, Widersprüche innerhalb der Begründung, erkennbare Befangenheit des entscheidenden Organs und inhaltliche Auslassungen zu wesentlichen Teilen meiner Anzeige» macht er als Gründe geltend.
«Weiterhin kooperativ», aber erwartet Entschuldigung
In den Schlussbemerkungen hält Peter Fähndrich aber fest: «Ich betone ausdrücklich, dass ich trotz der genannten Kritik nach wie vor kooperativ eingestellt bin.» Sein Ziel sei keine Eskalation, sondern eine saubere, unabhängige Klärung im Sinne der Rechtsstaatlichkeit und der Vertrauenswürdigkeit öffentlicher Institutionen. Das letzte Kapitel dieser unschönen Geschichte ist also noch nicht geschrieben. «Ich will ernst genommen werden.» Fähndrich verleiht dieser Aussage mehrmals Nachdruck. Und er erwarte eine Entschuldigung.
Beruflich hat sich Fähndrich übrigens umorientiert. «Zwischenverdienst», sagt er. Selbstständig im Bereich Coaching ist er nach wie vor.
«Halten uns an die A bmachung»
GBZ-Freiamt-Präsidentin Milly Stöckli nimmt Stellung
Es sind happige Vorwürfe, die auf die Führung der Zivilschutzorganisation Oberfreiamt und den Vorstand des Gemeindeverbandes für Bevölkerungsschutz und Zivilschutz eingehen. «Viel dazu sagen kann ich nicht, auch des Amtsgeheimnisses wegen», sagt Präsidentin Milly Stöckli. Es habe ein Gerichtsverfahren gegeben und auf dieses Urteil stütze sie ab. Wegen eines Verfahrensfehlers bei der Kündigung hat das Verwaltungsgericht eine Teilgutheissung der Lohnforderung von Peter Fähndrich vorgenommen. «Auf das angebliche Mobbing ist das Verwaltungsgericht nicht eingegangen.» Sie betont zudem, dass gemäss gegenseitiger, expliziter Bestätigung vor dem Gericht die Angelegenheit damit für beide Parteien abgeschlossen sei. «Wir halten uns an die Abmachungen. Wir wollen die Sache nun ruhen lassen.» Dass der GBZ-Vorstand Aufsichtsbehörde bei der Aufsichtsanzeige ist, kommentiert Stöckli so: «Wir hätten die Aufgabe an den Kanton zurückdelegieren können. Und dann? Hätte der Kanton sie wieder uns weitergegeben.» Der Vorstand habe die Antwort mit seinem Anwalt erarbeitet. Ob das unabhängig genug ist? «Wäre Mobbing vorgefallen, hätten wir sicher nicht die Aufsichtsbehörde sein können.» Stöckli betont, dass der Vorstand und die Verbandsgemeinden stets über das laufende Vorgehen informiert worden seien. --ake