Grosses Interesse am Biber
24.01.2023 Rottenschwil, KelleramtDie Stiftung Reusstal führte am Samstagnachmittag eine Biberexkursion durch, die auf grossen Anklang stiess. Niklaus Peyer und Josef Fischer erzählten viel Spannendes über diese Art und wie sie sich im Reusstal ausbreitet. Dabei kamen auch verschiedene Konf likte zur Sprache, in ...
Die Stiftung Reusstal führte am Samstagnachmittag eine Biberexkursion durch, die auf grossen Anklang stiess. Niklaus Peyer und Josef Fischer erzählten viel Spannendes über diese Art und wie sie sich im Reusstal ausbreitet. Dabei kamen auch verschiedene Konf likte zur Sprache, in denen der Biber mit Menschen steht. --rwi
Über Biberdämme
Biberexkursion der Stiftung Reusstal fand regen Anklang
Der Biber ist ein sehr grosses, aber auch äusserst heimliches Nagetier. Er gestaltet die Landschaft und hinterlässt gut sichtbare Spuren. Und er bewegt deshalb die Gemüter. Entsprechend gross war das Interesse an der Biberexkursion der Stiftung Reusstal am letzten Samstagnachmittag. Dabei ging es auch über Dämme.
Roger Wetli
«Dieser kleine Damm hier im Rottenschwiler Werdhölzli hat einiges ausgelöst», erklärte Niklaus Peyer, Biologe der Stiftung Reusstal. Ihm hörten zahlreiche Personen zu. Sie waren in so grosser Zahl erschienen, dass Josef Fischer, Geschäftsführer der Stiftung Reusstal, eine zweite Gruppe übernahm. Zurück zum Damm: «Bevor der Biber hier staute, war es für viele Arten ein unattraktiver Entwässerungskanal. Von der jetzt hinter dem Damm entstandenen Teichlandschaft profitieren viele: zum Beispiel Fische, Frösche, Ringelnattern, der Eisvogel», erklärte Niklaus Peyer. «Allerdings starben durch das Einstauen Fichten und Buchen ab, weil sie zu viel Nässe im Boden nicht ertragen.»
Bau mit Lehm abgedichtet
Der Exkursionsleiter führte die Teilnehmenden nicht nur an den Damm, sondern direkt darüber in den Lebensraum der Biber. «Einer der höchsten Biberdämme der Schweiz mass drei Meter. Hier sind es vielleicht 50 bis 60 Zentimeter. Trotzdem staut er das Wasser auf einer grösseren Fläche ein», so Peyer. Er betonte, dass Biber in erster Linie Dämme bauen, um zusätzliche Lebensräume für sich zu erschliessen. «Der Eingang zum Biberbau liegt immer unter dem Wasser, weil so keine Feinde eindringen können. Die Wohnhöhlen baut er danach über der Wasserlinie bis nahe an die Erdoberfläche. Führt da ein Weg oder eine Strasse durch, kann der Bau einstürzen.» Im Werdhölzli ist diese Gefahr ausgeschlossen, trotzdem kommt es zu Einstürzen. «Dann bauen die Biber mit Holz ein Dach darüber und dichten es mit Lehm ab», so der Biologe. Und genau solche Bauten zeigte er den Anwesenden. «Es kann sein, dass jetzt unter uns eine Biberfamilie den Tag verbringt, die dann in der Dämmerung und nachts hervorkommt.»
Peyer zählte für das Fällen von Bäumen durch Biber verschiedene Gründe auf: «Das Holz benötigen sie als Baumaterial für Damm und Bau, sie ernähren sich aber auch von feinen Rinden und Knospen. Dies vor allem in den Wintermonaten, während sie sonst Krautpflanzen bevorzugen.» Ein spannendes Phänomen zeigte Niklaus Peyer im Werdhölzli: «Diesen Baum hier haben die Biber nicht gefällt, sondern nur rundherum eine Schicht Rinde abgenagt. Damit stirbt der Baum ab. Die Tiere tun dies wohl, damit wieder mehr Licht auf den Boden fällt und somit mehr krautige Pflanzen wachsen. Er betreibt also eine Art gezielte Landwirtschaft.» Nicht zielen könnten Biber dagegen, in welche Richtung angenagte Bäume fallen. «Wird es deshalb für Menschen gefährlich, fällen wir entsprechende Bäume vorzeitig mit der Motorsäge.»
«Früchte der Arbeit» einverleiben
Biber würden aber nicht nur selber eine Art Landwirtschaft betreiben, sondern sich immer wieder auch an den «Früchten der Arbeit» der menschlichen Landwirte vergreifen. «Beim Kanal der Abwasserreinigungsanlage Kelleramt nahm er das Maisangebot eines nahen Feldes gerne an. Also schützte man die Maiskultur mit niedrigen Elektrozäunen.» Nicht immer sei es aber so einfach, eine für alle tragbare Lösung zu finden. «Als Biber vor ein paar Jahren die Alte Jonen am Hangried unterhalb Oberlunkhofen um wenige Dezimeter einstaute und damit die Drainagen der umliegenden Landwirtschaftsfelder nicht mehr richtig funktionierten, setzte er sehr grosse Flächen unter Wasser», erinnert sich Niklaus Peyer. «Die Landwirte hatten Ernteausfälle zu befürchten und waren nicht begeistert vom Damm. Die Umweltverbände dagegen wollten das Tier und seine Bauten schützen, wie es im Gesetz vorgeschrieben ist. Als Stiftung Reusstal nahmen wir eine vermittelnde Rolle ein.»
Nicht anfassen
Dass es heute in der Schweiz nach neusten Zählungen 3500 bis 4500 Biber hat, sei nicht selbstverständlich. «Er wurde einst vollständig ausgerottet. Ab 1977 siedelte man wieder an verschiedenen Orten Tiere an», so Peyer. «Der Bestand blieb aber lange klein und betrug 1993 rund 300 Tiere, während es 2008 um 1600 herum waren.» Gründe für die Ausrottung seien das sehr dichte Fell, das in der Medizin genutzte Bibergeil und das Fleisch gewesen. «Ein jesuitischer Mönch erklärte, dass Biber aufgrund ihres geschuppten Schwanzes zu den Fischen zu zählen seien und deshalb in der Fastenzeit genossen werden dürften.» Manche hätten den Veganer aber auch fälschlicherweise als Fischjäger gesehen und ihm deshalb nachgestellt.
An der Exkursion der Stiftung Reusstal sahen die Teilnehmenden vor allem Biberspuren. Aber nicht nur. Ein ausgestopftes Exemplar gab etwa eine Vorstellung seiner Grösse. «Es handelt sich hier um ein noch nicht ausgewachsenes Unfallopfer», so Peyer. «Wer Biber sehen will, kann sein Glück in der Dämmerung an den Gewässern herausfordern. Selten verhalten sie sich aber auch untypisch und sind tagsüber unterwegs.» Der Biologe warnte davor, lebendige Biber anzufassen. «Normalerweise flüchten sie. Wenn nicht, können sie stark zubeissen. Zudem sind die Tiere voller Parasiten, die auf uns übertragen werden können.» Die Teilnehmenden waren begeistert und nahmen gerne das ungefährliche ausgestopfte Exemplar unter die Lupe.