Grosse Erleichterung im Alltag
30.12.2025 Region Oberfreiamt«2025 verändert»: Die TV-Sendung «Happy Day» verhalf Familie Aeschlimann zu bedürfnisgerechtem Wohnraum
Zwei Wochen lang wurde intensiv gebaut, im Haus der Familie Aeschlimann in Waltenschwil. Das Ergebnis lässt sich nicht nur ...
«2025 verändert»: Die TV-Sendung «Happy Day» verhalf Familie Aeschlimann zu bedürfnisgerechtem Wohnraum
Zwei Wochen lang wurde intensiv gebaut, im Haus der Familie Aeschlimann in Waltenschwil. Das Ergebnis lässt sich nicht nur sehen, sondern auch spüren, angesichts der besonderen Bedürfnisse der Familie mit zwei autistischen Kindern.
Thomas Stöckli
Corinne Aeschlimann staunte nicht schlecht, als ihr im eigenen Treppenhaus plötzlich Kiki Maeder und Andrin Schweizer vom Schweizer Fernsehen entgegenkamen. Ihr Filmteam hatten die beiden an jenem Frühlingstag vorweggeschickt, unter dem Deckmantel, Probeaufnahmen zu machen für eine Dokumentation über das Familienleben mit autistischen Kindern. Weder Corinne Aeschlimann noch ihr Mann Pascal hätten geahnt, dass im Rahmen der Sendung «Happy Day» ihr Wunsch erfüllt werden sollte. Der Wunsch nach einem wohnlicheren, übersichtlicheren Gemeinschaftsbereich in ihrem Haus in Waltenschwil.
Veränderungen sind schwierig
Intensiv ist die Baby- und Kleinkindphase für alle Eltern. Noch viel mehr, wenn die Kinder spezielle Bedürfnisse haben. Wie bei Familie Aeschlimann: «Sobald etwas anders läuft als gewohnt, wird es sehr schwierig für meine Tochter», beschreibt die Waltenschwilerin. Wenn die Familie in die Ferien fährt, seien die ersten zwei, drei Tage besonders anstrengend. Auch im Alltag brauchen die Kinder viel Aufmerksamkeit. Zu viel für die Regelschule. Entsprechend werden die sechsjährige Samira und der vierjährige Eliah per Taxi in eine heilpädagogische Tagesschule in den Kanton Zug chauffiert. Dort können sie in ihrem Entwicklungsprozess eng begleitet werden. Keine Selbstverständlichkeit, wie die junge Mutter weiss: «80 bis 90 Kinder im Kanton Aargau, die auch einen solchen Schulplatz bräuchten, finden keinen», sagt sie.
Schwierig sind nur schon die saisonbedingt erforderlichen Veränderungen. Etwa der Wechsel von sommerlichen Sandalen auf Übergangszeit-Turnschuhe und Winterschuhe, dazu Kappe und Handschuhe. Liegt draussen sogar noch Schnee, ist das Drama erst recht vorprogrammiert. Wenn ihr Vater am Morgen noch zu Hause ist, hat Samira das Gefühl, es sei Wochenende und sie müsse nicht in die Schule. Was heisst das konkret? «Sie schreit und schlägt um sich», beschreibt die Mutter.
Nik Hartmann auf der Baustelle
Auch zu Hause fordern die Kinder ständig Aufmerksamkeit ein. Einfacher gesagt als getan, in einem verwinkelten Haus. Wenn die Kinder in der Stube spielten und ihre Mutter in der Küche hörte, wie etwas auf den Boden knallte, musste sie erst durch einen schmalen, dunklen Gang, um sich einen Überblick zu verschaffen, was passiert ist. Eine grosse Belastung für sie, die als gelernte Köchin mit Herzblut kocht, für die Familie und ihren eigenen Catering-Service. Zumal Ausflüge nur mit 1:1-Betreuung möglich seien: «Sie rennen sonst einfach in unterschiedliche Richtungen davon.»
Diese anspruchsvolle Situation haben ihre Mutter und ihre Schwester veranlasst, die Familie bei «Happy Day» anzumelden, erzählt Corinne Aeschlimann: «Meine Mutter musste dazu eigens ein Bewerbungsvideo drehen.» Das ist ihr offenbar gut gelungen. Jedenfalls kam im April erstmals ein Filmteam, um zu testen, wie die Kinder auf die fremden Leute und die Kameras reagieren würden. Auch diese Hürde wurde genommen. Ein weiterer Aufnahmetag folgte im Mai – mit dem eingangs beschriebenen Überraschungsauftritt –, ehe im Juni dann der eigentliche Umbau erfolgte, in dessen Verlauf auch Nik Hartmann in Waltenschwil vorstellig wurde. Schliesslich war es seine erste Sendung, seit er den Moderationsjob bei «Happy Day» von Röbi Koller übernommen hat. Entsprechend wollte er sich auch ein Bild verschaffen, wie das auf der Baustelle abläuft.
Ausweichwohnung in Muri
Davon bekam Familie Aeschlimann allerdings nichts mit. Für die zwei Wochen Umbauzeit zügelte sie in eine vorübergehend leerstehende Wohnung nach Muri, die sie über persönliche Kontakte selbst gefunden hatte. «Es war eine anstrengende Zeit», blickt Corinne Aeschlimann zurück, «und ich habe mich oft gefragt: Was tu ich mir da an?» Das TV-Team gab sich alle Mühe, der Familie die Zeit im Exil zu versüssen. Unter anderem mit einer eigens für die Waltenschwiler Geschwister aufgestellten Hüpfburg in der Badi Muri.
«Kiki Maeder und Andrin Schweizer sind tatsächlich so nett, wie sie im Fernsehen rüberkommen», versichert Corinne Aeschlimann. Und: «Sich selbst im Fernsehen zu sehen, ist durch nichts zu toppen!» Im Nachhinein habe sich der Aufwand mehr als gelohnt, zieht sie ein halbes Jahr nach dem Umbau Bilanz: «Das ist eine Mega-Erleichterung für den Alltag», beschreibt sie den neuen, offenen Gemeinschaftsbereich, das Zentrum des familiären Zusammenlebens. Und was ihr den Alltag erleichtert und Stress wegnimmt, das steigert auch die Zufriedenheit der Kinder.
«Räume schaffen, in denen man sich einfach gerne aufhält, in denen man sich wohlfühlt», das ist die Motivation von Andrin Schweizer. «Dafür hat er das Flair», attestiert ihm Corinne Aeschlimann. Wie er den Geschmack des Paars getroffen hat? «Er ist wohl durch unser Haus gelaufen und hat gespürt, was uns gefällt.» Erst auf zweimaliges Nachhaken kommt auch ein kritisches Wort: «Vielleicht hätten wir nicht so ein helles Sofa gewählt.» Doch alles in allem sind Aeschlimanns mehr als zufrieden: «Sie haben unsere Wünsche megagut umgesetzt, ja sogar übertroffen», sagt Corinne Aeschlimann und schwärmt von den Tapeten, der tiefen Vitrine mit dem immensen Stauraum in der Küche und der gerahmten Bilderserie im Comicstil, mithilfe künstlicher Intelligenz aus Familienfotos generiert. «Auch drei Wochen nach dem Umbau habe ich mir jedes Mal, wenn ich am Morgen die Treppe runterkam, gedacht: «Wow ist das hell», beschreibt sie.
Fast nur positive Rückmeldungen
Und wie haben die Kinder auf die Veränderung reagiert? «Unsere Tochter ist reingekommen, und wollte gleich wieder raus», beschreibt Corinne Aeschlimann. Als sie in ihr Zimmer kam, und da alles noch so wie vorher war, habe sie sich schnell beruhigt und nach ein, zwei Stunden angefangen, den neuen Wohnraum zu entdecken. Der kleine Bruder zeigte weniger Mühe. «Mittlerweile finden es beide toll, aufs Sofa zu klettern und vom raumtrennenden Möbel dahinter runterzuspringen», beschreibt die Mutter. Samira hilft zudem gerne in der Küche. Dazu kniet sie im Essbereich auf der Bank, vis-à-vis der Mutter, und schneidet Gemüse. «Sie ist sehr lernbegierig», sagt die Mutter über Samira. Sohn Eliah dagegen würde am liebsten 24 Stunden am Tag mit ihr spielen.
In ihrem Umfeld seien der neue Wohnbereich und die TV-Präsenz auf sehr viel Neugierde gestossen. «Ich wurde auch im Dorf darauf angesprochen», sagt Corinne Aeschlimann. Wenn die Situation passe, habe sie auch kein Problem, darüber zu sprechen, versichert sie. Zumal die Reaktionen zu 90 Prozent positiv ausgefallen seien: «Von der Küche schwärmen alle.»
Verständnis und Austausch
«Viele Leute wissen nicht, was Autismus ist», sagt Corinne Aeschlimann. So leicht lässt sich das denn auch nicht erklären, tritt die angeborene neurologische Entwicklungsstörung doch in verschiedenen Ausprägungen auf. «Wenn ein Kind im Laden herumschreit, muss das nicht an der Erziehung liegen», ist ihr wichtig festzuhalten. Entsprechend wünscht sie sich mehr Verständnis und Hilfsangebote anstelle von missbilligenden Blicken und vorschneller Verurteilung: «Es gibt auch Beeinträchtigungen, die man nicht auf den ersten Blick sieht.» Aus diesem Grund trage sie zuweilen auch ein T-Shirt mit dem Aufdruck «Autismus-Mom». Dass dies nötig sei, findet sie allerdings ein schlechtes Zeichen für unsere Gesellschaft.
Parkkarten mit Behindertenausweis, finanzielle Vergünstigungen und Förderangebote unterstützen Familien mit autistischen Kindern im anspruchsvollen Alltag. Das Angebot ist allerdings weder umfassend noch niederschwellig. Entsprechend wichtig ist für Eltern von betroffenen Kindern der Austausch. Die Stiftung St. Josef in Bremgarten bietet dazu einmal im Monat einen Autismus-Elterntreff an.



