Geistig der Auferstehung nahe
15.11.2022 Hilfikon, Region UnterfreiamtDer renovierten Schlosskapelle Hilfikon werden die Turmkugel mit der Zeitkapsel und das Turmkreuz aufgesetzt
Die Renovationen sind abgeschlossen. Die Schlosskapelle Hilfikon erstrahlt in neuem Glanz und wird nun der Kirchgemeinde Villmergen ...
Der renovierten Schlosskapelle Hilfikon werden die Turmkugel mit der Zeitkapsel und das Turmkreuz aufgesetzt
Die Renovationen sind abgeschlossen. Die Schlosskapelle Hilfikon erstrahlt in neuem Glanz und wird nun der Kirchgemeinde Villmergen übergeben.
Monica Rast
Ortsbilder verändern sich im Laufe der Jahrhunderte. Kirchen und Kapellen sind meist geblieben und sind kulturelle Konstante in der Geschichte. «Und die architektonische Beständigkeit eines Ortes», ist sich Jonas Kallenbach von der kantonalen Denkmalpflege sicher. Er wurde als Berater für die Renovationen der Schlosskapelle Hilfikon hinzugezogen.
Direkter Draht nach Jerusalem
Zur Geschichte: 1749 erwarb Freiherr Franz Viktor Augustin von Roll, Ritter vom Heiligen Grab aus Solothurn, die Schlossherrschaft. Als Angehöriger des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem liess von Roll die bestehende spätgotische Schlosskapelle abtragen und liess von 1750 bis 1753 die heutige Schlosskapelle Hilfikon errichten. Sie stellt ein Gesamtkunstwerk dar und ist ein Bestandteil des Aargauer Kulturerbes. Aus diesem Grund steht die Schlosskapelle seit 1951 unter Denkmalschutz und wurde bereits 1960 unter den Schutz der Eidgenossenschaft gestellt.
Für die Innenausstattung verpflichtete der Patrizier keinen Geringeren als den bekannten Einsiedler Bildhauer Johann Baptist Babel und den Freskanten Franz Anton Rebsamen. Entstanden ist auf dem Schlosshügel ein Werk, das Kunstkenner und Laien gleichermassen fasziniert. Der einfache und schlichte Kapellenbau fällt einzig durch den Kirchturm auf, der über die umstehenden Bäume ragt und von der Strasse aus gut sichtbar ist. Im Gegensatz zu der Schlichtheit von aussen präsentiert sich das Innenleben der Kapelle in einem ganz anderen Licht. Die namhaften und begabten Künstler Babel und Rebsamen schufen ein Meisterwerk. Ersterer schuf den reich verzierten Rokoko-Altar mit alabasterfarbener Kreuzigungsgruppe sowie die Plastik innerhalb der Grabnachbildung, Letzterer gestaltete die Gemälde an Decken und Wänden. Über das Grab spannt sich das Chorgewölbe wie der geöffnete Himmel, denn Rebsamen malte über die ganze Kuppel hinweg eine vielfigurige Himmelsszene. Mittels der Schlosskapelle in Hilfikon sollen auch einfache Leute, welche sich eine Pilgerfahrt ins Heilige Land nicht leisten können, geistig an den Ort der Auferstehung pilgern können. Auch die Mitglieder des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem (siehe Kasten) treffen sich immer noch jährlich in der Schlosskapelle.
Letzte Renovation 2006
Als historisches Erbe wurde die Schlosskapelle immer wieder verkauft, geschätzt und genutzt. Der 1947 gegründete Kapellenverein Hilfikon war bis heute für die Werterhaltung und den Unterhalt der Schlosskapelle zuständig. Um den Bau weiterzugeben, bedurfte es regelmässiger Pflege und Kontrollen von Gebäude und Dachstuhl. Grössere Massnahmen wurden im Schnitt alle 25 bis 40 Jahre notwendig. 2006 wurde letztmals eine umfassende Renovation der Kapelle durchgeführt. Nun wurde aufgrund einer erneuten Begutachtung eine weitere Renovation und Instandsetzung notwendig. Es zeigten sich am Turm der Kapelle Schadensbilder bei der wetterausgesetzten Lage.
Unter der Bauleitung von Jörg Sax wurden die Schäden durch Spezialisten traditioneller Handwerke aus der Gegend fachgerecht behoben. Damit alles originalgetreu saniert wurde, holte Jörg Sax Jonas Kallenbach von der Denkmalpf lege als Bauberater ins Boot. «Ich bin sozusagen als Anwalt des Gebäudes im Amt», meint Kallenbach zu seiner Funktion. Bauleiter Sax hat bereits Erfahrung mit solchen ehrwürdigen Bauten, hat er doch schon die Kirche Villmergen unterhalten. Nun sind die Sanierungsarbeiten abgeschlossen. Doch bevor das Gerüst abmontiert wird, wurden die Turmkugel mit der Zeitkapsel und das Turmkreuz montiert. Ein kleiner emotionaler Moment, bei dem alle beteiligten Handwerker, Kallenbach, Sax sowie Gemeindeammann und Präsident des Kapellenvereins Ueli Lütolf anwesend waren.
Wertschätzung der Handwerker
Bevor die Zeitkapsel wieder ihren angestammten Platz einnahm, wurde sie geöffnet und mit weiteren Hinterlassenschaften über die neuste Renovation erweitert. Die bereits hinterlegten Dokumente sind Aufzeichnungen von Firmen und Handwerkern aus den Jahren 1959 und 1980, ein Brief in altdeutscher Schrift aus dem Jahr 1928 und verschiedene Lebensmittelkarten von 1921. «Es sind Momentaufnahmen und eine schöne Wertschätzung an die Handwerker», meint Jörg Sax, der den Inhalt einzeln fotografierte. Wieder zurückgelegt und fest verschlossen wird die Zeitkapsel für die nächste Generation in der Kugel hinterlegt.
Kapellenverein wird aufgelöst
«Sanierungsmassnahmen sichern den Bestand der Schlosskapelle nachhaltig», meint Kallenbach zum Schluss und freut sich aus Sicht der Denkmalpflege über die umsichtige und langfristige Planung des Kapellenvereins Hilfikon, der sich der Verantwortung bewusst war und mit der aktuellen Turmsanierung dafür sorgte, dass die Substanz der Schlosskapelle mit gutem Gewissen an die Kirchgemeinde Villmergen und damit an die nächste Generation übergeben werden kann. «Wir haben all die Jahre Investitionen getätigt», erklärt Ueli Lütolf, «nun können wir sie guten Gewissens der Kirchgemeinde übergeben.»
Geschichte des Ritterordens
Seine Wurzeln hat der Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem, der wie alle päpstlichen Ritterorden direkt dem Heiligen Stuhl unterstellt ist, im Chorherrenorden vom Heiligen Grab.
Dieser ging aus dem 1099 gegründeten Domkapitel des Patriarchen von Jerusalem hervor. Wer in den Orden aufgenommen werden wollte, musste eine Pilgerfahrt ins Heilige Land unternehmen und sich in der Jerusalemer Grabeskirche zum Ritter schlagen lassen. Zu den beeideten Pflichten gehörten fortan soziale Verpflichtungen vor Ort, also die Unterstützung der Christen, respektive die Förderung des Christentums. Darüber hinaus gebot die Ordensmitgliedschaft die Vertiefung in das Mysterium zwischen letztem Abendmahl und Auferstehung, aber auch eine streng christliche Lebensführung. --mo