Martin Rüfenacht, Jurist und Krimiautor, Aristau.
Wann waren Sie das letzte Mal in einem Coffee Shop? Ich meine nicht die niederländische Variante, sondern ein ganz normales Café in der Schweiz, das ...
Martin Rüfenacht, Jurist und Krimiautor, Aristau.
Wann waren Sie das letzte Mal in einem Coffee Shop? Ich meine nicht die niederländische Variante, sondern ein ganz normales Café in der Schweiz, das es ja in dieser Form leider nicht mehr allzu häufig gibt.
Die meisten dieser Restaurants bestehen heute aus möglichst viel Freifläche und ein paar sehr unpraktischen Mikro-Tischchen mit durchgestylten Sitzgelegenheiten, die eine so kurze Sitzfläche haben, dass man sich kaum gerade daraufsetzen kann. Das ist auch nicht die Idee. Es geht darum, sein Getränk möglichst rasch an der Theke zu beziehen und dann schnell zu verschwinden, um für die nächsten Kunden Platz zu machen.
Ich bewundere ja die Angestellten hinter der Theke. Gab es früher noch die Wahl zwischen Café crème und einem «Express», muss es heute Matcha, Flat White, Macchiato oder sonst etwas Exotisches sein. Alles unter einem Milchkaffee wird als ewig gestrig abgetan und man erntet einen mitleidigen Blick des Verkaufspersonals und den schulterzuckenden Hinweis darauf, dass leider alle Sitzgelegenheiten bereits vergeben seien. Das lässt niemanden kalt. Auch dafür gibt es eine Lösung. Seit dem Morgengrauen tröpfelt kaltes Wasser durch eine Filtervorrichtung, damit gegen Nachmittag der perfekte «Cold brew» bereit steht.
Letzthin bestellte jemand vor mir eine «koffeinfreie Haferschale». Natürlich habe ich nichts gegen Allergiker, aber im Ernst, warum sollte man in einem Kaffeehaus ein Getränk bestellen, das tunlichst nicht nach Kaffee schmecken und wenn möglich auch keinen Kaffee enthalten soll. Nennen Sie mich konservativ, aber was gibt es gemütlicheres, als in einem schönen Salon zu sitzen und genüsslich einen guten Kaffee zu geniessen. Wo sind all die Kaffeetanten geblieben, die ich früher irritierend fand, wenn sie leicht genervt den Kopf gedreht haben, als ein junger Student das Café betrat? Erinnern Sie sich noch an die auf einen Holzstab aufgerollten Tageszeitungen? An den etwas zu grellen und zu flauschigen Teppich? An die sich seltsam öffnenden Plastik-Gipfelibehälter auf den dunklen, glatten Holztischen mit dem massiven Metallfuss? Versuchen Sie heute einmal in einer freien Viertelstunde einen Ort zu finden, an dem Sie ungestört und zwanglos Ihr Heissgetränk schlürfen können –ohne Smartphone, ohne Ablenkung. In diesem Sinne: Es leben die Kaffeetanten!