Ganz viele Gewinner
04.07.2025 Region Unterfreiamt, NaturGestern fand die Einweihung statt des neuen Gnadenthaler Biodiversitätspfades
Mit 92 Nein gegen 41 Ja beerdigte der Grosse Rat vor fünf Jahren die Idee eines Golfplatzes im Reusspark. Die Niederlage brachte rückblickend auch viele Gewinner. Denn jetzt sind ...
Gestern fand die Einweihung statt des neuen Gnadenthaler Biodiversitätspfades
Mit 92 Nein gegen 41 Ja beerdigte der Grosse Rat vor fünf Jahren die Idee eines Golfplatzes im Reusspark. Die Niederlage brachte rückblickend auch viele Gewinner. Denn jetzt sind hier ganz viele Flächen zur Förderung der Biodiversität entstanden.
Chregi Hansen
An der Einweihung wurde nur ein Teil des neuen Lehrpfades abgelaufen. Und doch bekamen die Eingeladenen ganz viel zu sehen. Eine wunderschön blühende Buntbrache etwa, ein kreisender Turmfalke oder auch das leise Summen rund um das Bienenhotel. Ornithologen haben in den letzten Monaten hier schon das Schwarzkehlchen entdeckt und über 100 Feldlerchen gezählt. Auf den Feldern rund um den Reusspark hat ganz viel Leben Einzug gehalten. «Tiere entdecken solch neue Lebensräume schnell», sagt denn auch Noel Zehnder von Pro Natura.
Dabei sind die Massnahmen zur Aufwertung des Kulturlandes rund um das Pflegeheim noch gar nicht alle abgeschlossen. Einiges wurde erst kürzlich angesät und muss erst noch wachsen. Etwa die vielen Obstbäume. Anderes wird im Laufe des Sommers noch gemacht. Und ein Teil des Pachtlandes wird noch immer intensiv für den Gemüsebau genutzt – der entsprechende Pachtvertrag endet nächstes Jahr, dann wird dieses Land ebenfalls Teil des Biodiversitätsprojekts. «Wir konnten vor Gericht eine gütliche Einigung erzielen», kann Reusspark-Präsident Kurt Notter berichten.
Ökologie und Nachhaltigkeit
Dabei war hier ursprünglich etwas ganz anderes geplant, wie Notter in seinem Rückblick deutlich machte. Der Reusspark plante hier den Bau eines Golfplatzes. «Auch dieser hätte ganz viel Biodiversität gebracht, darum stand sogar Pro Natura hinter dem Projekt», erklärt der Präsident. Nach dem Nein durch den Grossen Rat musste der Vorstand über die Bücher. Weil Ökologie und Nachhaltigkeit für den Reusspark wichtige Faktoren sind, holte man für die Planung und die Umsetzung die Agrofutura mit ins Boot. Gemeinsam wurde ein neues Bewirtschaftungskonzept erarbeitet. Der Verein Gnadenthal hat seine 40 Hektaren landwirtschaftlicher Flächen neu verpachtet, die neuen Pächterinnen und Pächter verpflichteten sich, diese Flächen nach dem Programm Landwirtschaft – Biodiversität – Landschaft (Labiola) zu bewirtschaften. «Es war ein langer Weg, aber er hat sich gelohnt», freut sich Notter.
Auf den ersten Blick sehen die Felder aus wie immer. Aber: Heute wird nicht mehr die ganze Fläche für den Anbau genutzt, überall verteilt entdeckt man spezielle Lebensräume oder auch Kleinstrukturen. «Mit dem neuen Lehrpfad wollen wir unseren Bewohnern, aber auch den Besuchern deutlich machen, was es hier alles gibt», so der Präsident. Das freut auch Bea Vonlanthen von Agrofutura. «Der Lehrpfad war der Wunsch des Reusspark-Vorstandes. Ich finde das super, weil wir so aufzeigen können, was alles gemacht wird und wer von den Massnahmen profitiert», sagt sie. Neu werden zwanzig Prozent der Flächen des Vereins extensiv bewirtschaftet und für die Förderung der Biodiversität eingesetzt. «Damit steht der Reusspark sehr gut da», erklärt Vonlanthen.
Landwirte vom Nutzen überzeugt
Sie war im Rahmen des Projekts oft in Niederwil. Und nicht alle Bauern hatten jeweils Freude an ihren Besuchen, wie Hanspeter Stutz, der Präsident der Landwirtschaftskommission, zugibt. «Viele waren sich gewohnt, ihre Flächen intensiv zu bewirtschaften und sahen sich in erster Linie als Lebensmittelproduzenten», erklärt er. Inzwischen habe ein Umdenken stattgefunden. Dies auch, weil man die Bauern frühzeitig mit ins Boot geholt hat und alle Niederwiler Bauern einen Teil des Pachtlandes im Reusspark erhielten. Das neue Konzept ermögliche immer noch auf einem Teil der Flächen die Produktion, biete aber eben auch Platz für Pflanzen und Tiere. Und: Das Labiola-Projekt beschränke sich nicht nur auf diesen Teil des Niederwiler Kulturlandes, sondern werde im ganzen Dorf fortgesetzt. Stutz spricht in diesem Zusammenhang von einem zukunftsweisenden Projekt, dessen Resultate man teilweise erst in ein paar Jahren sehen wird.
Einer, der seine Meinung geändert hat, ist Lukas Vock. Der Niederwiler Landwirt und Gemeinderat machte am Anfang nur widerwillig mit. «Unser Hof wird schon seit Jahrzehnten biologisch geführt. Ich dachte immer, ich mache schon genug für die Natur», sagt er. Bei einer Überprüfung stellte er fest, dass noch viel Luft nach oben besteht und er noch einiges tun muss, um im Labiola-Programm mitmachen zu können. «Inzwischen habe ich selber viel Freude an den bunten Wiesen und den vielen Tieren, die sich wieder ansiedeln», erklärt Vock. Und so wie ihm geht es heute vielen Landwirten.
Die Massnahmen sind aufeinander abgestimmt
Es reicht aber nicht, dass jeder Bauer etwas macht auf seiner Fläche. Damit eine gute Wirkung erzielt werden kann, müssen die verschiedenen Massnahmen aufeinander abgestimmt sein. Wo schafft man neue Lebensräume? Welche Wege nehmen die Tiere? Wie finden sie Futter? Wie kann die Bestäubung gesichert werden? All dies wurde analysiert und in einem Plan festgehalten. Danach wurden Hecken und Hochstammbäume gepflanzt, vielfältige Kleinstrukturen wie Ast- und Steinhaufen angelegt, Holzbeigen und Bienenhotels errichtet sowie Buntbrachen mit mehrjährigen, einheimischen Wildkräutern angesät.
Diese Flächen bieten Wildtieren und Pflanzenarten wertvolle Rückzugsorte und sichern zugleich die langfristige Fruchtbarkeit des Bodens. «Es braucht auch im Kulturland viel Abwechslung, damit sich eine Wirkung zeigt», sagt Noel Zehnder von Pro Natura. Im Reusspark wurde dies dank der guten Zusammenarbeit zwischen Naturschutz und Landwirtschaft erreicht. Und darum gibt es in diesem Projekt fast nur Gewinner. Nur die Golfer müssen ihrem Hobby anderswo nachgehen.