Fuchs und Wasser als Bedrohung
28.03.2024 KelleramtBodenbrüter wie der Kiebitz haben einen schweren Stand – die Bestände im Reusstal sind zumindest stabil
Die Feldlerche ist als Brutvogel verschwunden. Dem Kiebitz droht dasselbe Schicksal. Um das abzuwenden, wird aktuell viel getan in der Aargauer ...
Bodenbrüter wie der Kiebitz haben einen schweren Stand – die Bestände im Reusstal sind zumindest stabil
Die Feldlerche ist als Brutvogel verschwunden. Dem Kiebitz droht dasselbe Schicksal. Um das abzuwenden, wird aktuell viel getan in der Aargauer Reussebene. Wobei nicht jede vielversprechende Methode nachhaltigen Erfolg bringt und auch unkonventionelle Ideen geprüft werden.
Thomas Stöckli
16 Kiebitz-Brutpaare werden in diesen Tagen im Reusstal zwischen Mühlau und Flachsee erwartet. 16 von schweizweit rund 200. Vor sechs Jahren hat der Kanton ein Förderprojekt lanciert. «Natürlich hofften wir, dass es aufwärts geht», sagt Roland Temperli, Fachspezialist Naturschutzunterhalt vom kantonalen Werkhof in Rottenschwil. Diese Hoffnung hat sich bisher noch nicht erfüllt, aber: «Zumindest konnten wir den Abwärtstrend stoppen.»
Mit der langen Federhaube am Hinterkopf, dem weissen Bauch und der in allen Regenbogenfarben schillernden dunklen Oberseite ist der Watvogel von Weitem erkennbar. Wenn das noch nicht reicht, seien auch noch sein spektakulärer Balzflug und der markante Ruf erwähnt, ein «kiwit it it kiwit», dem der Vogel seinen Namen verdankt. Zuletzt war dieser Ruf nur noch selten zu hören. Dem Vogel drohte dasselbe Schicksal, das auch schon andere Bodenbrüter wie die Feldlerche ereilt hat, nämlich das nahezu vollständige Verschwinden aus einem Lebensraum, den diese Vögel einst geprägt haben.
Findige Füchse
Was man schützen will, das muss man kennen. Wo balzen die Tiere? Wo brüten sie? Was setzt ihnen zu? Kern des Kiebitz-Projekts ist deshalb ein intensives Monitoring. Dazu beschäftigt die Abteilung Landschaft und Gewässer in Rottenschwil seit Projektstart jeweils einen Praktikanten oder eine Praktikantin im 80- bis 100-Prozent-Pensum. Diese packen auch draussen mit an, stehen aber zu rund 75 Prozent im Dienste des Kiebitz-Förderprojekts.
Im Monitoring hat sich schon bald der Fuchs als eine von zwei grossen Bedrohungen für den Bruterfolg herausgestellt. «Als Prädator plündert er gerne Gelege», so Temperli. Der Kanton reagierte mit Schutzkörben, die in Zusammenarbeit mit einem benachbarten Unternehmen aus Armierungseisen konstruiert wurden. Sie sind so engmaschig, dass die Bodenbrüter durchkommen sollen, aber der Fuchs nicht. «In den ersten zwei Jahren hat das nicht schlecht funktioniert», blickt der Naturschutz-Spezialist zurück. Doch dann haben die Füchse offenbar Strategien entwickelt, sich durch die Maschen durchzuschlängeln, wo dies eigentlich gar nicht möglich sein dürfte. Als Folge wurden die Abstände zwischen den Maschen um fast zwei Zentimeter verengt, was wiederum den Kiebitzen zu eng wurde, weshalb sie die so geschützten Gelege aufgaben. In so einem Fall können Kiebitze zwar ein Ersatzgelege machen, sofern die Zeit noch reicht, allerdings hat sich gezeigt, dass ein später Start die Aussichten für den Bruterfolg schmälert. «Wir sind noch nicht schlüssig, ob wir nochmals einen Versuch mit Schutzkörben machen», so Temperli. Als Alternative wird wo möglich das Einzäunen ganzer Parzellen praktiziert. In Naturschutzgebieten kommt diese Schutzmethode aus verschiedenen Gründen jedoch nicht zur Anwendung.
Reisfelder als Lebensraum
Als brutplatztreue Art bekundet der Kiebitz Mühe mit der landwirtschaftlichen Fruchtfolge. Für ihn, der fast auf den Quadratmeter genau an den letztjährigen Brutplatz zurückkehrt, heisst das nämlich, dass er zu seinen Ungunsten veränderte Bedingungen vorfindet. Entsprechend geht es im Förderprojekt darum, den Vogel geeignete Plätze mit über Jahre hinweg gleichen Verhältnissen antreffen zu lassen. «Wir können nur Lebensraum anbieten – der Kiebitz entscheidet selbst, ob er ihn nutzen will», macht Roland Temperli auf die grosse Herausforderung im Umgang mit Wildtieren aufmerksam.
Während drei Förderbrachen im Raum Flachsee und Merenschwand in bisher drei Jahren noch keine Bruterfolge brachten, könnte sich dieser unerwartet in der Kulturlandschaft einstellen. So bieten die Reisfelder in Oberlunkhofen und in Mühlau mit ihren fünf bis zehn Zentimetern Wassertiefe dem Watvogel sehr gute Bedingungen. «Im schlickigen Boden finden sie immer Nahrung», erklärt Temperli. 2023 konnten Kiebitze im Reisfeld in Oberlunkhofen erfolgreich Jungvögel aufziehen. Möglich macht es die gute Zusammenarbeit mit dem Eigentümer und Bewirtschafter, Michael Rüttimann. «Dank ihm konnten wir für 2024 weitere Optimierungen im Reisfeld zugunsten der Kiebitze aufgleisen», erklärt Temperli. «Dies stimmt uns zuversichtlich, zumal die ersten Kiebitze auch bereits wieder im Reisfeld eintrafen.» So wurden hier Mitte März bereits drei der raren Vögel gesichtet.
Und wenn die aktuellen Massnahmen nicht den erhofften Nutzen bringen sollten? «Wir haben nach wie vor Ideen und geben nicht so schnell auf», versichert Roland Temperli. Schliesslich handelt es sich um die letzten Kiebitze im Kanton Aargau.