Fast wie eine Familie
12.08.2025 Muri, GewerbeBeda Huber, Erika Marti und Gaby Müller prägen die Papeterie Huber – Ende Jahr schliesst diese
Er übernahm die Papeterie von seinen Eltern. Die beiden Frauen absolvierten einst ihre Lehre hier und kehrten vor 26 Jahren zurück. Beda Huber, Erika ...
Beda Huber, Erika Marti und Gaby Müller prägen die Papeterie Huber – Ende Jahr schliesst diese
Er übernahm die Papeterie von seinen Eltern. Die beiden Frauen absolvierten einst ihre Lehre hier und kehrten vor 26 Jahren zurück. Beda Huber, Erika Marti und Gaby Müller sind seit vielen Jahren ein Team. Die Schliessung der Papeterie beschäftigt alle drei und löst positive und negative Emotionen aus.
Annemarie Keusch
Eigentlich ist sein Lächeln vielsagend. Ob für ihn immer klar war, dass er in die Fussstapfen seiner Eltern tritt? Aber das Lächeln täuscht. Auch wenn die Anfänge vielleicht nicht ganz freiwillig waren, ist Beda Huber mit Herzblut Buchbinder und Papeterist. Sonst wäre er nicht mit 73 Jahren noch immer jeden Morgen der Erste im Laden. Sonst würde die bevorstehende Schliessung in ihm keine Wehmut auslösen. Und sonst würde er nicht ankündigen, dass er trotz Schliessung der Papeterie das Buchbinden nicht ganz aufgibt. «Einfach weniger und nur noch auf Auftrag. Aber Schritt für Schritt kürzerzutreten, das fällt mir einfacher, als auf einen Schlag von hundert auf null.» Das ist möglich, weil das Haus an der Aarauerstrasse bestehen bleibt – vorerst so, wie es ist. «Es gibt Pläne, dieses umzubauen, aber spruchreif ist noch nichts», sagt Beda Huber.
Seine Eltern eröffneten 1960 die Papeterie. «Dann meldete mich mein Vater für die Buchbinderlehre an. Ab da war der Fall klar», blickt Beda Huber zurück. Als Ältester zu übernehmen, das sei damals üblich gewesen. «Nicht nur auf dem Bauernhof.» Er wäre gern Koch oder Mechaniker geworden. «Aber ich habe es nie bereut, die Papeterie samt Buchbinderei zu übernehmen. Ich bin zufrieden, wie alles gelaufen ist.» Auch, weil sich Huber beruflich vor allem auf die Buchbinderei konzentrieren konnte. Das ist sein Handwerk, seine Leidenschaft. Noch immer. Für viele Gemeinden in der Region und darüber hinaus bindet er deren Rechnung. Hinzu kommen private Aufträge: alte Bücher, Abschlussarbeiten, Fotobücher, Hochzeitszeitungen. «In den letzten Jahren wurden die Kundenwünsche aufwendiger», sagt Beda Huber. Ein Holz- oder ein Metalldeckel für die Abschlussarbeit? Ein Umschlag mit Riffelblech? Er mag solche Herausforderungen. «Studieren und ausprobieren, bis es funktioniert.» Die zufriedenen Gesichter der Kundschaft sind es, die am Schluss zählen und auch über sein Gesicht ein Lächeln huschen lassen.
Viel miteinander erlebt
Das Feld in der Papeterie überliess er den Frauen. Seine Frau Hanni war bis zu ihrer Pensionierung Teil des Teams.
Und Erika Marti und Gaby Müller sind es seit Jahrzehnten. Das Team ergänzen zwei weitere Teilzeit-Mitarbeiterinnen. «Er bezahlt die Rechnungen, wir bestellen», sagt Erika Marti und lacht. Sie hätten im Bereich der Papeterie freie Hand. Das Vertrauen ineinander ist längst da. Schliesslich kennen sich die drei seit rund 50 Jahren, als Gaby Müller und Erika Marti hier die Lehre absolvierten. Die entsprechenden Lehrverträge hat Huber immer noch.
Vor 26 Jahren kehrten sie zurück, als Hubers Mutter aus gesundheitlichen Gründen etwas kürzer trat. «Für uns war es ideal, weil wir Teilzeit hier arbeiten konnten», sagt Gaby Müller. Und weil sie hier mitgestalten konnten. Noch heute sagt Erika Marti: «Ich hätte mir nie vorstellen können, an einem anderen Ort, geschweige denn in einem anderen Beruf zu arbeiten.» Die Leidenschaft für Papeterie-Artikel verbindet sie. Über die Jahre sei fast so etwas wie eine Familie entstanden, sagt Erika Marti. Die drei haben viel erlebt und sich aneinander gewöhnt. «Wir werden diese Freundschaften sicher weiterpflegen», ist Beda Huber überzeugt.
Auch nachdem die Papeterie per Ende Jahr geschlossen sein wird und sie sich nicht mehr praktisch jeden Tag sehen werden. Die anstehende Pensionierung von Erika Marti und Gaby Müller ist der Grund für die Schliessung. Beda Huber wäre längst pensioniert. «Ich entschied mich, weiterzumachen, bis auch sie das Rentenalter erreicht haben», sagt er. Zwischenzeitlich sei es ein Thema gewesen, das Geschäft an die beiden langjährigen Mitarbeiterinnen weiterzugeben. «Der Reiz war da, aber wir hätten ein paar Jahre jünger sein müssen», sagt Gaby Müller. Umso froher seien sie gewesen, dass Huber den Betrieb weiterführte. Natürlich hat er sich in dieser Zeit auch nach einer möglichen Übernahmelösung umgeschaut. «Aber es liess sich niemand finden. Diese Präsenzzeit vor Ort, die zusätzliche Büroarbeit an den freien Tagen. Ich habe sieben Tage pro Woche für die Papeterie gearbeitet. Das macht heute niemand mehr.» Ohne Herzblut, wie die drei es haben, sowieso nicht.
Sich Zeit nehmen für die Kunden
Über die vielen Jahre hat sich einiges gewandelt. Das Internet kam als Konkurrenz dazu. Ganz allgemein sagt Erika Marti: «Die Leute sind anspruchsvoller geworden.» Grundsätzlich hätten sie aber immer auf eine tolle Kundschaft zählen dürfen. Viele gehören seit Jahrzehnten dazu und immer wieder entdecken Neue die Papeterie. «Dann sind sie jeweils völlig überrascht vom breiten Sortiment an Produkten und Dienstleistungen», sagt Erika Marti. Auf die Kunden und ihre Wünsche eingehen, das mache die Papeterie Huber aus. «Nicht wenige kommen ohne Ideen in den Laden und gehen mit konkreten Vorstellungen, wie sie etwas umsetzen», weiss Gaby Müller. Sich Zeit nehmen für Gespräche, für Beratung, das sei selten geworden. «Und das schätzen die Leute.»
Entsprechend ist das Bedauern bei denen, die die Meldung der Schliessung schon erreicht hat, gross. Bei jenen, die hier den Kugelschreiber kaufen, den sie seit Jahren haben und der besonders gut in der Hand liege. Bei denen, die immer wieder mit Büchern kommen, die fast auseinanderfallen. Und auch Erika Marti, Gaby Müller und Beda Huber fällt das nahende Ende nicht leicht. «Das tut weh», sagt Erika Marti. Und es beschäftigt, «fast jeden Tag». Es sei der Kontakt mit der Kundschaft, der fehlen werde. Das Miteinander.
Trotzdem sagt auch sie: «Es ist eine Zeiterscheinung und darum ist der Zeitpunkt jetzt der richtige.» Entsprechend stattete die Papeterie zum letzten Mal die Schulen von Muri mit allem aus, was es für den gestrigen Schulstart brauchte: Leimstift, Klebrollen, Hefter, Stifte.
Ausverkauf startet im Oktober
Büromaterial, Geschenkartikel, Bücher – vor allem für Kinder oder solche mit regionalem Bezug –, Karten, Spiele, Ballone. Tausende Artikel machen die Papeterie Huber aus. Die Vielfalt ist riesig – an Blättern, an Stiften, an Couverts. «Mehr wird es sicher nicht mehr», sagen Erika Marti und Gaby Müller. Im Gegenteil. Grosse Bestellungen werden keine mehr gemacht. «Natürlich sind wir aber bis zum letzten Tag für alle Kundenwünsche da», betont Gaby Müller. Gleichzeitig sei es der Anspruch, möglichst viel der Lagerbestände noch zu verkaufen. Ab Oktober startet der offizielle Ausverkauf.
Beda Huber und seine langjährigen Mitarbeiterinnen blicken den letzten Wochen und Monaten mit gemischten Gefühlen entgegen. «Jetzt bin ich noch gelassen», sagt Huber und lacht. Das werde wohl nicht bis zuletzt so sein. «Die letzten Tage werden wohl nicht einfach», vermutet auch Gaby Müller. Gleichzeitig freuen sich alle auch, kürzertreten zu können. Weniger im Stress zu sein, nicht mehr hasten zu müssen. Und doch überwiegt (noch) die Wehmut. Nach so vielen Jahren durchaus verständlich.