«Es passt jetzt»
28.06.2024 Mutschellen, BerikonMetzgerei Groth schliesst morgen Samstag nach 161 Jahren
In fünfter Generation führt Urs Groth das Traditionsunternehmen an der Unterdorfstrasse. Morgen schliesst der Familienbetrieb. «Für mich ist es noch nicht fertig», sagt Urs ...
Metzgerei Groth schliesst morgen Samstag nach 161 Jahren
In fünfter Generation führt Urs Groth das Traditionsunternehmen an der Unterdorfstrasse. Morgen schliesst der Familienbetrieb. «Für mich ist es noch nicht fertig», sagt Urs Groth.
Erika Obrist
Wie schwer muss das fallen, ein Unternehmen zu schliessen, das mehr als 160 Jahre lang von der Familie geführt wurde? «Ich habe beim Gedanken daran ein lachendes und ein weinendes Auge», versichert der 44-jährige Urs Groth, der die gleichnamige Metzgerei an der Unterdorfstrasse in Berikon in fünfter Generation führt. «Ich bin jetzt in einem Alter, in dem ich mich nochmals neu orientieren kann.»
Ein Stück weit orientiert hat er sich bereits, auch wenn er seine Zukunft nicht restlos verplanen möchte. «Für mich ist es noch nicht fertig», so Urs Groth. Vereine und Organisationen wird er weiterhin mit Essen beliefern bei Anlässen. «Aber nur im jetzigen Umfang. Gross ausbauen möchte ich den Partyservice nicht.» Und er wird in seinem Beruf als Fleischfachmann Aushilfen übernehmen, ohne sich fest anstellen zu lassen. «An versierten Aushilfen fehlt es in unserer Branche seit Jahrzehnten.» Weiter wird er bei einem Partyservice-Unternehmen mitarbeiten, denn das Kochen ist eine Leidenschaft von Urs Groth. Auch privat.
Steigende Kosten nicht weitergeben
Morgen Samstag ist Schluss in der Metzgerei Groth. Auf ein grosses Abschiedsfest wird verzichtet. Für die treue, langjährige Kundschaft wird es jedoch schon eine kleine Überraschung geben. Und natürlich wird er ihr empfehlen, wo sie künftig ihre qualitativ hochstehende Fleisch- und Wurstwaren einkaufen kann. Denn dafür war die Metzgerei Groth weit herum bekannt. Vor allem die Wurstwaren und der Fleischkäse waren stets qualitativ und geschmacklich herausragend.
Weshalb aber die Schliessung des Unternehmens? «Das hat mehrere Gründe», zeigt Urs Groth auf. Da sind die enorm stark gestiegenen Stromund Wasserkosten. «Die lassen sich nicht auf die Kundschaft überwälzen.» Hinzu kommt die höhere Mehrwertsteuer. An die 20 Prozent hätte er die Preise erhöhen müssen beim Weiterführen des Betriebs. Und dass heute kaum noch jemand die Ausbildung zum Fleischfachmann in Angriff nimmt, ist hinlänglich bekannt. Auch ausgebildetes Verkaufspersonal ist nur schwer zu finden. Alles zusammen habe zum kurzfristigen Schliessungsentscheid geführt. «Ich muss jedoch nicht schliessen, weil der Laden schlecht laufen würde», versichert er. Seit dieser nur noch an drei Tagen in der Woche offen hat, würden sie von der Kundschaft förmlich überrannt.
22 Metzgereien in Zürich beliefert
Gegründet wurde die Metzgerei Groth von Johann Groth im Jahr 1863. Dieser hatte das Metzgerhandwerk erlernt und zusammen mit seinem älteren Bruder den elterlichen Betrieb mit Landwirtschaft und Eigengewächswirtschaft übernommen. In dieser durfte er eigenen Most und Wein an Gäste ausschenken. 1885 kaufte er ein Haus und zog mit seiner Familie an die Friedlisberg-/Unterdorfstrasse. Dieses Lokal nannte er «Speisewirtschaft Groth». Später wurde es in «Stalden» umbenannt, da es am Staldenrain lag. Gleich gegenüber der Speisewirtschaft, an der Unterdorfstrasse, wurde der Verkaufsladen der Metzgerei eingerichtet. Das kleine Gebäude mit dem «Stalden»-Schild besteht heute noch und ist Teil des Beriker Kulturwegs. Das Restaurant Stalden verkaufte die Familie Groth im Jahr 1966. Der Schlachtbetrieb mit Laden zog in eine Liegenschaft an der Unterdorfstrasse.
Die Metzger der Familie Groth waren immer auch Vieh- und Pferdehändler. Das Vieh, das auf den Märkten rundum gekauft wurde, kam per Eisenbahn nach Bremgarten West und wurde von dort zu Fuss hinauf nach Berikon getrieben. Während Jahren belieferte die Metzgerei Groth an die 22 kleine Metzgereien in Zürich. Mit Ross und Wagen wurden die zerteilten Fleischstücke in die Stadt gefahren. Den Brückenwagen aus dem Jahr 1893 hat Vater Sepp Groth heute noch. Oftmals spannt er sein Pferd davor und dreht eine Runde durchs Dorf.
Er, inzwischen 77-jährig, ist immer noch im Betrieb anzutreffen. Auch seine Schwestern Bernadette und Gabi arbeiten im Verkauf und im Hintergrund mit. Wenn die Zeiten sehr streng waren, hat auch die Tochter mitgeholfen. «Ein echter Familienbetrieb halt», so Sepp Groth. Dass das nun ein Ende haben wird, stimmt auch für ihn. «Es passt jetzt», sagt er. Seine Schwestern stimmen zu.
Mit der «Harmonie» verbunden
Alle Generationen der Familie Groth haben Schlachtbetrieb und Laden stets auf dem neuesten Stand gehalten. Sie haben auch immer Neues ausprobiert. So hat Vater Sepp Groth jeweils am Samstag über Mittag gekocht und gegrillt für die Gäste. An die vierzig Menüs hat er jeweils verkaufen können. Nach 27 Jahren hat er damit aufgehört. «Weil es an Personal mangelte.» Er hat auch begonnen zu kochen und Vereine sowie andere Organisationen mit feinen Menüs beliefert für deren Anlässe. Sohn Urs Groth hat diese Tradition weitergeführt. Er grilliert auch vor Ort, wenn es gewünscht wird.
Mit dem Musikverein Harmonie Berikon ist die Familie seit Generationen eng verbunden. Wohl schon seit es den Verein gibt, wirkt ein Groth-Sprössling mit. So auch Vater Sepp, der 42 Jahre lang die Posaune spielte. Sohn Urs, der Trompeter, war auch sieben Jahre lang Präsident des Vereins und wurde zum Ehrenmitglied ernannt.
Morgen Samstag wird die Kundschaft also letztmals im Laden beraten und bedient. Die verbliebenen Angestellten sind bereits im Pensionsalter oder sie haben eine andere Stelle gefunden. «Sie sind begehrt auf dem Markt», weiss Urs Groth. «Es passt jetzt.» Er freue sich auf den nun kommenden Lebensabschnitt, versichert Urs Groth. «Ich bin bereit, etwas Neues zu lernen.»
Die ausführliche Geschichte der Metzgerfamilie Groth findet man in den «Beriker Chleeblätter 2016» (www.buergisserhus.ch/Menü «Beriker Chleeblätter» anklicken).