Ende mit Schrecken
09.02.2024 WohlenDie O. Braunwalder AG musste am Dienstag den Konkurs anmelden
Die Nachricht verbreitete sich am Dienstag wie ein Lauffeuer. Der Wohler Traditionsbetrieb muss Knall auf Fall schliessen, 63 Mitarbeitende sind betroffen. «Es blieb uns keine andere Wahl», bedauert ...
Die O. Braunwalder AG musste am Dienstag den Konkurs anmelden
Die Nachricht verbreitete sich am Dienstag wie ein Lauffeuer. Der Wohler Traditionsbetrieb muss Knall auf Fall schliessen, 63 Mitarbeitende sind betroffen. «Es blieb uns keine andere Wahl», bedauert Markus Zimmermann, CEO der Muttergesellschaft Heba Food Holding AG.
Chregi Hansen
Der Entscheid zur Schliessung hatte sich für die Mitarbeitenden abgezeichnet. Zuletzt blieb der Januarlohn aus. Auch auf den 13. mussten sie länger warten als üblich. Am Montag dann wurde das Personal frühzeitig nach Hause geschickt. Sie sollten erst wieder am Dienstag um 13 Uhr kommen zu einer Information. Da war wohl den meisten klar, was auf sie wartet.
Und trotzdem war die offizielle Mitteilung durch Verwaltungsrat Markus Zimmermann und Geschäftsleiter Jörg Weber für viele ein Schock. Denn ein Teil des Personals muss in Zukunft gar nicht mehr zur Arbeit kommen. Die O. Braunwalder AG stellt den Betrieb per sofort ein. Einzig im Fabrikladen und in den verschiedenen Filialen wird aktuell noch gearbeitet. Der Fleischverarbeitungsbetrieb aber ruht. Die Aufregung im Dorf ist gross. Fast 70 Jahre hat die Firma Braunwalder die Region mit Fleisch versorgt und besass einen hervorragenden Ruf. Nun also verschwindet der Betrieb von der Landkarte.
Ende hat sich abgezeichnet
«Der Entscheid ist uns nicht leichtgefallen», betont Zimmermann einen Tag nach der Mitteilung. Er ist sich bewusst, dass die Nachricht für das Personal ein Schock war. «Aber ganz ehrlich, was hätten wir anders machen können? Hätten wir das Ende schon drei Monate früher ankündigen sollen? Dann wäre doch nachher alles eingebrochen», macht er deutlich. Und ganz überraschend sei das Aus nicht gekommen. «Die Mitarbeitenden waren durchaus im Bild, dass wir Probleme haben.» Oberstes Ziel sei es nun, dass für sie eine Anschlusslösung gefunden wird.
Markus Zimmermann ist Verwaltungsrat der O. Braunwalder AG und CEO der Heba Food Holding, welche vor knapp elf Jahren das Wohler Familienunternehmen übernommen hat. «Mit dem Verkauf sind die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft gestellt worden», hiess es damals in einer Mitteilung. Und anfänglich ging es auch aufwärts. Doch zuletzt kämpfte der Schlacht- und Produktionsstandort in Wohlen zunehmend mit Problemen. Das hat auch mit der Muttergesellschaft zu tun. Denn die Heba Gruppe mit Sitz in Lenzburg erwirtschaftet einen Grossteil des Umsatzes in der Gastronomie. Diese wurde aber durch Corona hart getroffen. «Wir haben keine Härtefallgelder bekommen», berichtet Zimmermann. Und nach Corona hätte sich das Konsumverhalten vieler verändert. Man geht heute weniger ins Restaurant essen. Das Homeoffice führt ebenfalls dazu, dass weniger auswärts gegessen wird. Auch die steigenden Energiekosten belasten das Unternehmen. «Und weil alles teurer wird, überlegen sich die Kunden zweimal, wofür sie heute Geld ausgeben», weiss Zimmermann.
Es geht um das Überleben der Gruppe als Ganzes
Kommt dazu, dass im Schlachtbetrieb ein grosser Fachkräftemangel besteht. «Diese Arbeit wollen nicht mehr viele übernehmen», sagt Zimmermann. Der Preisdruck in der Fleischbranche sei gross, das Geschäft zuletzt defizitär. Man habe lange versucht, die Braunwalder AG wieder profitabel zu machen, blieb aber erfolglos. Die Situation habe zuletzt viele Ressourcen beansprucht. Letztlich habe man einen Entscheid im Sinne der gesamten Gruppe treffen müssen. «Wir trennen uns von der Braunwalder AG, damit die Heba-Gruppe als Ganzes weiter existieren kann», macht der Verwaltungsrat deutlich. «Mir wäre ein anderes Ende auch lieber gewesen. Aber es blieb uns keine andere Wahl», fügt er an.
Filialen will man weiterführen
Die Belegschaft habe am Dienstag ernst, aber gefasst reagiert. Jetzt gelte es, die richtigen Weichen zu stellen. Oberstes Ziel sei es, möglichst allen Angestellten eine Anschlusslösung zu bieten. Dabei präsentiert sich die Situation unterschiedlich. Den Fabrikladen und die verschiedenen Filialen (unter anderem in Waltenschwil und Boswil) möchte die Heba Food Holding weiter betreiben und die dortigen Angestellten übernehmen – das wären rund die Hälfte der 63 Mitarbeitenden. Diese Läden seien profitabel und hätten einen guten Ruf, wie die vielen Kundenfeedbacks beweisen. Und daran soll sich möglichst nichts ändern.
Mitarbeitern Angebote machen
Ob dies möglich ist, muss aber das Bezirksgericht entscheiden, wo am Dienstag die Bilanz deponiert wurde. «Wir sind im Gespräch mit den Behörden und den Partnern in den verschiedenen Ortschaften», führt Zimmermann aus. Er hofft auf ein Einlenken. Eine Änderung ergibt sich aber. Neu wird das Fleisch nicht mehr aus Wohlen stammen, sondern von der Traitafina in Lenzburg. Nach wie vor ist aber das Ziel, dass in erster Linie regionales Fleisch verarbeitet und verkauft wird.
Etwas anders sieht es für die zweite Hälfte der Angestellten aus, für diejenigen im Schlachtbetrieb. Dieser steht seit Montag still und wird die Arbeit nicht mehr aufnehmen. Aber auch hier ist Zimmermann optimistisch. Aufgrund des aktuellen Fachkräftemangels würden die meisten schnell eine neue Stelle finden, wenn auch nicht mehr am gleichen Ort. «Einen Teil von ihnen können wir selbst übernehmen und an einem anderen Standort einsetzen. Und inzwischen haben wir schon Anfragen von anderen Betrieben, ob wir ihnen Personal vermitteln können», sagt der Verwaltungsrat.
Man habe jetzt innerhalb des Unternehmens eine zentrale Anlaufstelle geschaffen, an welche sich die Mitarbeitenden wenden können und die diese bei der Anschlusslösung unterstützt. Oder auch Hilfestellung leistet, wenn keine Weiterbeschäftigung infrage kommt. Für alle wird es wohl keinen Platz geben.
Zukunft der Liegenschaft noch unklar
Noch unklar ist, was mit der Liegenschaft selbst passiert. Diese gehört der Heba Food Holding, welche das Gebäude an die O. Braunwalder AG vermietet hat. Ob man dieses behalte oder verkaufe, das sei noch offen, erklärt Markus Zimmermann. «Vorerst bleibt es in unserer Hand. Schliesslich befindet sich hier auch der Fabrikladen», sagt er weiter. Die Zukunft der Liegenschaft stehe aber jetzt nicht im Zentrum. «Höchste Priorität haben jetzt die Mitarbeitenden», versichert Zimmermann.
«Erfolgreiche und vertrauensvolle Ära»
Die ehemaligen Besitzer zum Aus der O. Braunwalder AG
Obwohl sie den Betrieb im Jahr 2013 verkauft hat, ist der Familie Braunwalder das Schicksal der Firma und der Mitarbeitenden nicht egal.
Anstatt heuer ein Firmenjubiläum zu feiern, kommt es mit der O. Braunwalder AG ganz anders. Der Betrieb wird sofort eingestellt. Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 1954 von Otto Braunwalder senior, und im Jahr 2013 wurde der Betrieb, Schlachthof und Filialen, verkauft. Otto und Cornel Braunwalder haben viele gute Erinnerungen an die O. Braunwalder AG und Braunwalder Filialen AG und sie bedauern die Entwicklung und den jetzigen Schritt.
Mit der Einstellung des Betriebs endet nicht nur eine 70-jährige Geschäftstätigkeit, sondern auch ein Lebenswerk der Familie Braunwalder. Ein Familienunternehmen, in dem ein hoher Qualitätsanspruch gelebt wurde und der Leitspruch «Gleichmässigkeit in der Qualität ist der Schlüssel zum Erfolg» überall präsent und verinnerlicht war. Dies brachte der Familie Braunwalder etliche goldene Produkteauszeichnungen ein. Auch das Qualitätssiegel «Freiämter Spezialität» wurde in der ganzen Schweiz positiv zur Kenntnis genommen. «Leider wurde diese Marke von der neuen Eigentümerschaft später nicht weitergeführt», so Cornel Braunwalder.
Zu Spitzenzeiten 120 Angestellte
Der Verkauf im Jahr 2013 hatte seine Gründe. Es gab keine Nachfolge innerhalb der Familie und die Braunwalders wollten die Weichen früh genug stellen. «Wir verkauften damals zwei gesunde Unternehmen, die eine Einheit waren. Zu jenem Zeitpunkt empfanden wir es als eine gute Zukunftslösung für die Betriebe und die Mitarbeitenden», blickt Cornel Braunwalder zurück. «Wir erhofften uns Stabilität in einem stark umkämpften und sich konzentrierenden Markt. Viel Fachwissen war in den Unternehmen vorhanden und man konnte einander stets vertrauen. Dieses Vertrauen galt auch für die Mitarbeitenden, das ist eine von vielen sehr schönen Erinnerungen.»
Zu Spitzenzeiten zählten die Betriebe gut 120 Angestellte. Über die gesamte Belegschaft betrug die durchschnittliche Dienstjahreszeit über zehn Jahre. «Das war ein sehr guter Wert. Er führte zu einer hohen Kompetenz und trug ergänzend zu den Qualitätsprodukten zu einer tollen Kundenzufriedenheit, speziell in den Verkaufsfilialen, bei. Auch das ist eine schöne Erinnerung», erklärt Cornel Braunwalder, «aber jetzt ist alles leider Geschichte.»
In den letzten zehn Jahren nahmen die ehemaligen Besitzer auch die aktuellen Signale wahr. «Darum sind wir nicht ganz überrascht über die jetzige Entwicklung und Konsequenz», erklären beide. «Man erahnt etwas, aber kann oder besser will eigentlich nicht glauben, dass es eintreten könnte. Das wünscht man sich nicht, zudem ziert immer noch unser Name die Firma.» Auch wenn seit dem Verkauf elf Jahre verstrichen sind, sind Otto und Cornel Braunwalder mit ihren Gedanken beim Lebenswerk ihrer Eltern und bei den Angestellten, die jetzt vor einer ungewissen Zukunft stehen.
Auch Rückschläge erlebt
«Auch wir mussten punktuell schwierige Zeiten meistern, wie jedes andere Unternehmen auch. Das Unternehmertum ist immer begleitet von möglichen Fehlern, Fehloder Rückschlägen. Es gilt auch wachsam zu sein, Chancen und Fehlentwicklungen rechtzeitig zu erkennen und reagieren zu können.» Aber letztlich blicken die ehemaligen Besitzer auf eine erfolgreiche und vertrauensvolle Ära zurück. --dm
Gemeinderat überrascht
Die Gemeinde wurde von der am Dienstag verkündeten Schliessung komplett überrascht. Man habe davon wie die meisten anderen aus den Medien erfahren, heisst es dort auf Anfrage. Man war und ist in keiner Form im Verfahren involviert. Aber man bedauert die Schliessung sehr. «Dieses Traditionsunternehmen war stets mit der Gemeinde verwurzelt und stand in der Branche für herausragende Qualität», lässt der Gemeinderat auf Anfrage ausrichten.
Gleichzeitig hofft und geht der Gemeinderat davon aus, dass für sämtliche von der Betriebsschliessung betroffenen Mitarbeitenden der Firma eine sozialverträgliche und angemessene Regelung innerhalb der bestehenden Konzernstrukturen herbeigeführt wird. Welche Auswirkungen diese Schliessung jetzt auf das RAV haben wird, wo wohl nun ein kleiner Ansturm zu erwarten ist, kann der Gemeinderat nicht beurteilen. «Bei den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren handelt es sich um kantonale Einrichtungen. Die Gemeinde ist in Abläufen, die das RAV betreffen, nicht unmittelbar und aktiv eingebunden», heisst es.