Einblick in die Sozialwerke
27.02.2024 Region Bremgarten, ZufikonChristine Egerszegi referierte zum Thema «Wie sicher sind unsere Renten?»
Die frühere Aargauer Nationalund Ständerätin Christine Egerszegi stellte bei einem Informationsanlass des Zufiker Seniorenrats die Funktion der Sozialwerke des Bundes vor. ...
Christine Egerszegi referierte zum Thema «Wie sicher sind unsere Renten?»
Die frühere Aargauer Nationalund Ständerätin Christine Egerszegi stellte bei einem Informationsanlass des Zufiker Seniorenrats die Funktion der Sozialwerke des Bundes vor. Sie zeigte auch auf, wo Reformbedarf besteht.
Erika Obrist
«Bei der Themenwahl haben wir nicht gewusst, dass am 3. März über die Initiativen für eine 13. AHV-Rente und die schrittweise Erhöhung des Rentenalters abgestimmt wird», sagte Gemeinderätin Natascha Brunold vorgestern beim Informationsanlass des Seniorenrats im Zufikerhuus. Rund zwei Dutzend Menschen – jüngere und ältere – wollten aus erster Hand wissen, ob die Renten auch in Zukunft sicher sind.
Referentin Christine Egerszegi ist eine versierte Fachfrau auf dem Gebiet des Sozial- und Gesundheitswesens. Als Gemeinderätin in Mellingen sowie als Grossrätin, dann als National- und Ständerätin hat sie sich ihr ganzes Politikerinnenleben lang mit den Sozialwerken auseinandergesetzt. Und sie tut das noch heute, ist sie doch Präsidentin der BVG-Kommission des Bundes.
Armutsrisiko Scheidung und Teilzeitarbeit
Zu Beginn gab Egerszegi einen Überblick über die Sozialversicherungen des Bundes. Nicht weniger als zehn sind es. Zuerst wurde 1862 die Militärversicherung eingeführt. Ein grosser Wurf folgte 1948 mit der Einführung der AHV (Alters- und Hinterlassenenversicherung). 1985 folgte das Gesetz über die berufliche Vorsorge (BVG). Die AHV-Rente (1. Säule) soll den Lebensbedarf sichern. Reicht die Rente dafür nicht aus, kann man Ergänzungsleistungen beantragen. Die BVG-Rente (2. Säule) soll dazu beitragen, den Lebensstandard zu halten. Wer nach der Pensionierung mehr Geld zur Verfügung haben will, muss privat vorsorgen (3. Säule). «Das grösste Armutsrisiko besteht bei Scheidungsfamilien und Teilzeitarbeitenden», so Egerszegi. «Die AHV ist eine Volksversicherung», so Egerszegi weiter. Arbeitnehmende und Arbeitgebende zahlen ein. Dazu kommen 20 Prozent von der öffentlichen Hand. Im Reservetopf muss so viel Geld sein, dass ein Jahr lang sämtliche Renten bezahlt werden könnten, auch wenn nicht ein Franken eingenommen würde. Die Höhe der Rente ist begrenzt: Es gibt einen Minimalund einen Maximalsatz. Durchschnittlich erhält eine Rentnerin oder ein Rentner derzeit 1873 Franken im Monat.
Die AHV wird im Umlageverfahren finanziert. Was Arbeitnehmende, Arbeitgebende und Staat einzahlen, wird gleich wieder an die Rentnerinnen und Rentner ausbezahlt. Generationenvertrag nennt sich das. «Die AHV ist ein grosses Solidarwerk», zeigte Egerszegi auf.
«Betreuungszeit aufschreiben»
Weil die Menschen immer älter werden, beziehen sie auch immer länger Rente. Deshalb wurden die AHV-Gesetze in der Vergangenheit mehrfach revidiert. Seit Anfang dieses Jahres kann man beispielsweise Teilrenten beziehen, länger arbeiten und weiter AHV einzahlen sowie Beitragslücken schliessen. Reformbedarf besteht jedoch weiterhin. Die Erhöhung des Rentenalters samt eventueller Anpassung an die Lebenserwartung steht zur Diskussion, eine 13. Rente im Jahr ebenso. Im Raum steht die Forderung, dass Milliardäre keine AHV erhalten sollen. Abgeschafft werden soll die «Heiratsstrafe»: Ehepaare erhalten eine anderthalbfache Rente einer Einzelperson, Konkubinatspaare zwei Einzelrenten. Wer Angehörige an mindestens 180 Tagen im Jahr betreut, kann Gutschriften beantragen. «Deshalb ist es wichtig, dass die Betreuungszeit schriftlich festgehalten wird.» Denn: ohne Nachweis keine Gutschrift.
Eintrittsschwelle herabsetzen?
Die 2. Säule (BVG) ist personenbezogen. Die Höhe der Rente bemisst sich nach dem einbezahlten Kapital. Durchschnittlich erhalten Frauen derzeit 1570 Franken im Monat, Männer 2913 Franken. Geschuldet ist dies der Tatsache, dass Frauen oft im Niedriglohnsegment tätig sind oder Teilzeit arbeiten. Im Topf der Pensionskassen befinden sich derzeit über 1,16 Billionen Franken. Dieses Geld muss sicher angelegt werden. «Viele Möglichkeiten dafür gibt es nicht in der Schweiz.»
Umstritten ist die Eintrittsschwelle: Obligatorisch versichert ist der Lohn über 20 050 Franken pro Jahr. «Es gibt aber auch Kassen, die bereits den 1. Lohnfranken versichern.» Lohnabzüge gibt es ab dem 25. Altersjahr. Eine Senkung des Eintrittsalters scheiterte bisher am Widerstand der Arbeitgebenden. Umstritten ist auch die stufenweise Erhöhung der Beiträge. Das führt dazu, dass ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die einen Beitragssatz von 18 Prozent haben, kaum mehr eine Stelle finden. Sie sind einfach zu «teuer». Deshalb diskutiert die Politik derzeit einen Wechsel vom vierstufigen Modell zu einem zweistufigen. Künftig sollen 25- bis 44-Jährige 9 Prozent in die Pensionskasse abführen, 45-Jährige und Ältere 14 Prozent.
Da die Menschen heute bedeutend älter werden, stehen weitere Reformen an bei der beruflichen Vorsorge. So wird über die Senkung des Umwandlungssatzes diskutiert und ob Rentnerinnen und Rentner zur Sanierung einer Kasse beitragen müssen, falls diese in finanzielle Schwierigkeiten ist. Ebenfalls geregelt werden muss, ob weiterhin Pensionskassengelder zur Finanzierung von Wohneigentum bezogen werden dürfen. Auch im Raum steht ein Teuerungsausgleich.
Verfassung garantiert den Grundbedarf
Während Egerszegis Ausführungen wurde mehrfach lebhaft diskutiert. Zum Schluss stellte die Referentin drei Grundsatzfragen. Erstens: Wie steht es mit dem Generationenvertrag? Die Antwort gab sie gleich selbst: «Es geht nicht ohne gegenseitige Solidarität.» Ein Kredit auf Gemeindeebene für ein Altersheim werde in der Regel fast problemlos gesprochen. «Im Gegenzug müssen die älteren Menschen auch einmal Ja sagen zum Kredit für einen Spielplatz.»
Die zweite Grundsatzfrage: Wie sicher sind die Renten? «Die AHV ist ganz sicher», ist Egerszegi überzeugt. Die zu erwartende Rente aus der Pensionskasse nicht so sehr. Diese hänge vom Umwandlungssatz ab. Und wer hätte je gedacht, dass es Negativzinsen geben wird, welche das Guthaben wegfressen.
Drittens: Wie geht es weiter? «Die soziale Sicherheit ist Aufgabe des Staates, in der Verfassung festgeschrieben», so Egerszegi. In der Bundesverfassung sei ein Diskriminierungsverbot festgeschrieben; dieses gelte auch für ältere Menschen. Weiter müssten die Sozialwerke alles tun, um ältere Menschen an der sozialen Sicherheit teilhaben zu lassen. Ebenfalls festgeschrieben ist, dass jede Person die für ihre Gesundheit notwendige Pflege erhält.
Egerszegi schloss mit der Weisheit, dass sich die Stärke des Staats am Wohl der Schwächsten messen lässt.