Ein Ort von besonderer Magie
03.10.2025 Kelleramt, KircheIn der Kapelle im Jonental finden nicht nur Gläubige Ruhe und Frieden
Er ist idyllisch gelegen auf einer Lichtung am Jonenbach, der bedeutendste Marien-Wallfahrtsort des Kantons Aargau. Hierhin kommen Leute mit ihren Wünschen und Sorgen, manche aber auch ...
In der Kapelle im Jonental finden nicht nur Gläubige Ruhe und Frieden
Er ist idyllisch gelegen auf einer Lichtung am Jonenbach, der bedeutendste Marien-Wallfahrtsort des Kantons Aargau. Hierhin kommen Leute mit ihren Wünschen und Sorgen, manche aber auch schlicht aus Dankbarkeit, verrät die Sakristanin Nicole Zimmermann.
Thomas Stöckli
Der Bach rauscht, die Vögel zwitschern. Ansonsten ist es ruhig, am bedeutendsten Marienwallfahrtsort des Kantons Aargau. Eine Frau und ein Teenager tauchen auf, zünden eine Kerze an und verschwinden nach einigen Minuten wieder. Später kommt ein älterer Herr, macht mit seiner kaum jüngeren Kamera einige Schnappschüsse von der schmucken Kapelle und der umgebenden Idylle. Mehr tut sich nicht, während den anderthalb Stunden an jenem Dienstagvormittag.
Früher bis zu drei Hochzeiten am Tag
Nicole Zimmermann weiss, dass es auch ganz anders sein kann. In der Hochsaison im Frühling und Frühsommer. Im Mai bereitet die Sakristanin an jedem Sonn- und Feiertag eine Andacht vor. Zusätzlich zu den regulären Gottesdiensten, die zweimal im Monat jeweils am Samstagmorgen stattfinden. Zusätzlich zu den Aktivitäten verschiedener Pfarreien aus dem Umkreis, zu Taufen und Hochzeiten, für die der Ort beliebt ist – oder eher war: Früher habe es an einem Samstag zuweilen zwei oder drei Hochzeiten gegeben, sagt Nicole Zimmermann. 2024 waren es gerade mal noch drei Hochzeiten übers ganze Jahr, dieses Jahr immerhin fünf.
Zimmermanns haben ebenfalls hier geheiratet. Er kommt aus Jonen, sie aus Zwillikon, weiter das Tal hoch, ennet der Kantonsgrenze. Die Kapelle punktete bei ihnen damals nicht nur mit ihrer Lage, räumlich in der Mitte: «Ich kenne den Ort schon seit meiner Kindheit und finde ihn einfach schön», sagt die Sakristanin. So stand für sie schon immer fest: «Wenn ich mal heirate, dann nur hier.» Eingeprägt hat sich ihr insbesondere, wie sie nach der Trauung mit ihrem Mann aus der Kapelle heraustrat, in ein Spalier, das sich über den ganzen Vorplatz und die Treppe hinunter erstreckte.
Wichtiger Kerzenverkauf
Am unteren Ende dieser Treppe schliesst sich ein Wohnhaus an. Aus dem Wohnzimmer im ersten Stock hat man das Eingangsportal der Kapelle im Blick. Hier pflegten früher die Sakristane zu wohnen. Für Zimmermanns, die ein grösseres Haus in Jonen besitzen, ist es «nur» noch Wochenendhaus. Wobei der Unterhalt zum Stellenprofil gehört. Ebenso wie die Umgebungsarbeiten. «Den Rasenmäher und den Laubbläser bedient mein Mann», sagt Nicole Zimmermann. Zu den Routinearbeiten gehört das Reinigen der öffentlichen WC-Anlage sowie das morgendliche Aufund abendliche Abschliessen der Kapelle. «Manchmal steht noch die Tür offen und das Licht ist an», beschreibt die Sakristanin.
Zu ihren Aufgaben gehört es ferner, den Kapellenraum sauber und aufgeräumt zu halten. Der kreuzförmige Bau ist von 7.30 bis 19 Uhr fast vollständig frei zugänglich. Ausgenommen sind zwei kleine Kammern, im Winkel zwischen Chor und Querschiff. Rechts ist die Sakristei mit den Messgewändern untergebracht, links ein kleiner Vorratsraum. Die Sakristanin muss auch den Nachschub an Weihrauch, an Weihwasser sowie an Getränken für die Pfarrpersonen gewährleisten. Nicht zu vergessen die Kerzen. Sie liefern einen wichtigen Zustupf an den Betrieb und Unterhalt der Kapelle. Diese ist nämlich selbsttragend, durch Spenden, Legate und Nutzungsgebühren. Und eben den Kerzenverkauf. In der Hochsaison von April bis Juni kommen gegen 3000 Kerzen zusammen.
Lederriemen für die Glocke
Zur Kapelle finden manche Gläubige aus Dankbarkeit, weil sie etwa eine Krankheit überstanden haben. Die meisten allerdings bitten hier Maria um Hilfe, für ihre Wünsche und Sorgen. Dabei komme es auch immer wieder zu berührenden Begegnungen. Leute erzählen ihr, weshalb sie hier sind, «das sind oft traurige Sachen», sagt Nicole Zimmermann. Aber nicht immer geht es um persönliche Anliegen: «Wenn sich die Kriegsaktivitäten in der Ukraine intensivieren oder Überschwemmungen und Erdrutsche Opfer fordern, brauchen wir mehr Kerzlein», hat die Sakristanin festgestellt.
Und was, wenn die Zimmermanns mal weg sind? Dann springt jemand aus dem «Jonental-Pool» ein. Das sind mehrheitlich aktive oder ehemalige Kirchenpfleger. «Eigentlich hätten wir einmal im Monat ein freies Wochenende zugute», sagt die Sakristanin. «Aber das haben wir noch nie in Anspruch genommen. Wir sind schliesslich auch zu zweit, im Gegensatz zu unseren Vorgängerinnen.» Die Glocke im Türmchen über der Vierung dient heute nur noch als Aufforderung an die draussen wartenden Gläubigen, in die Kirche zu kommen. Dazu pflegte Nicole Zimmermann jeweils 60-mal am Glockenseil zu ziehen. Nach altem Vorbild wurde das Seil nun wieder durch einen flexibleren Lederriemen ersetzt. Das verbessert nicht nur den Klang: Dank Gegengeläut muss sie nun nur noch 35 bis 40-mal ziehen.
Reizvoll – selbst im Winter
Der Reiz des besonderen Ortes erschliesst sich je länger, je mehr auch den Nichtgläubigen. Sie finden im Sommer einen kühlen, verwunschenen Ort, geniessen den Wanderweg am Bach mit seinen zahlreichen Brücken, die Entschleunigung aus dem Alltag. «Das Jonental ist zu jeder Jahreszeit schön», findet Nicole Zimmermann. Explizit erwähnt sie auch den Winter. Dann zeige sich zwar die Sonne kaum noch, dafür entfalte die Kapelle bei den seltenen Gelegenheiten, an denen Schnee liege, einen besonderen Reiz, sagt sie und beschreibt: «Wenn dann die Kapellentür offensteht und der Blick aufs Christbäumchen oder die beleuchtete Maria fällt …»
Man darf sich also durchaus auch freuen, dass die Tage wieder kälter und die Nächte länger werden. Für die Momente der besonderen Magie im Jonental.