Ein Mosaik an Lebensräumen
20.10.2023 Region Bremgarten, Region Wohlen, Region Oberfreiamt, Region UnterfreiamtDas Auenschutzgebiet in der Sinser Reussegg leistet einen wertvollen Beitrag für die Biodiversität
20 Hektaren umfasst eines der grössten Auenschutzgebiete im Kanton Aargau. Die erste Bauetappe wurde 2020 abgeschlossen. Seither hat sich das Gebiet stark ...
Das Auenschutzgebiet in der Sinser Reussegg leistet einen wertvollen Beitrag für die Biodiversität
20 Hektaren umfasst eines der grössten Auenschutzgebiete im Kanton Aargau. Die erste Bauetappe wurde 2020 abgeschlossen. Seither hat sich das Gebiet stark verändert. Mit dem Baustart der zweiten Etappe werden ab Montag, 23. Oktober, weitere Massnahmen realisiert.
Celeste Blanc
Biber, Hermeline, Füchse, diverse Amphibien-, Libellen- und Käferarten – die Aue im Gebiet des Reussegger Schachen bietet seit ihrer Entstehung für sehr viele Tiere einen Lebensraum. Auch bei uns selten gewordene Tiere kommen in der Aue wieder vor. «So wurden Brutversuche von Eisvögeln und Bienenfressern gesichtet. Zudem konnte man den Dünensandlauf käfer nachweisen. Das ist ein Sensationsfund», erklärt Christian Rechsteiner. Der Projektleiter in der Abteilung Landschaft und Gewässer beim Kanton begleitet seit vielen Jahren die Realisierung des Auenschutzgebiets. Er weiss: «Die Grösse und das Potenzial aufgrund der natürlichen Begebenheiten machen die Reussegg zu einem besonderen Lebensraum.»
Vorteile für Natur und Mensch
Die Schaffung von Auenschutzgebieten ist für den Kanton ein wichtiges Projekt, um die Biodiversität zu fördern. In der Reussegg wird der Lebensraum vor allem durch die Dynamik der Reuss geprägt. So schaffen Hochwasserereignisse neue Kiesund Sandf lächen, andere werden wiederum abgetragen. Weiter entstehen temporäre Gewässer, Seitenarme verändern ihre Lage und Ufer erodieren, wobei neue Abrisskanten entstehen. «Dank dieser Dynamik wird ein Mosaik geschaffen, durch das eine sehr grosse Anzahl an Arten profitiert», so Rechsteiner. Vor allem die Grösse, die eine für den Menschen unzugängliche Ruhezone ermöglicht, ist für störungsempfindliche Arten ein grosser Vorteil.
Schützen, was man kennt
Ganz abgeschottet ist das Auengebiet aber nicht. Es soll gleichzeitig auch für den Menschen Vorteile bringen. Rückmeldungen zeigen, dass der kantonale Wanderweg, der entlang des Gebiets verläuft, grosse Beliebtheit als Naherholungsgebiet geniesst. Dass der Mensch sich dieses Schatzes bewusst ist, ist ein wichtiger Teil für die Biodiversitätsförderung. «Denn man schützt bekanntlich nur das, was man kennt», so Rechsteiner.
Weiter müssen in grossen Teilen der Aue Unterhaltsarbeiten durchgeführt werden. Einerseits werden Teile extensiv beweidet, andere Bereiche hingegen gemäht. Diese Arbeiten werden grossmehrheitlich von ortsansässigen Landwirten durchgeführt. «Diese Fläche wird weiterhin als landwirtschaftliche Nutzf läche geführt und ermöglicht den Betrieben eine zusätzliche Einkommensquelle», so Rechsteiner. Der Unterhalt müsse sich aber den Schutzzielen unterordnen respektive zur Erreichung der Ziele beitragen.
Weitere Gestaltungen geplant
Für Christian Rechsteiner ist die erste Bauetappe als Erfolg zu werten. Mit der zweiten Etappe soll der Durchstich zur Reuss erfolgen, womit die Seitengewässer vollumfänglich an den Hauptf luss angeschlossen werden und so künftig mehr Wasser führen. «Dann wird die gewünschte Dynamik nochmals deutlich zunehmen.» Einzig die erstellten Amphibienlaichgewässer werden aktuell noch zu häufig überflutet. Aus diesem Grund werden in diesem Bereich Anpassungen an bestehenden Gewässern vorgenommen. Zusätzlich werden für naturnahe Besucher eine Aussichtsplattform sowie Zugänge zu einzelnen Weihern geschaffen. Auch werden Informationstafeln gestellt, welche die Besuchenden über die Naturwerte im Reussegger Schachen orientieren. Weiter sind geführte Wanderungen geplant. Die zweite Bauetappe beginnt nächste Woche am Montag, 23. Oktober. Die Arbeiten finden voraussichtlich im Sommer 2024 ihren Abschluss. Ein letzter baulicher Eingriff erfolgt noch 2031. Dann wird die Trinkwasserfassung Reussegg I zurückgebaut. «Ab dann können die 20 Hektaren ihr volles Potenzial entfalten», erklärt Rechsteiner.
Kantonaler Auenschutzpark
Aare, Reuss und Limmat kommen im Wasserschloss bei Brugg zusammen und fliessen vereint in den Rhein. Nicht umsonst nennt man den Aargau auch das «Land der Ströme». Ursprünglich zeichnete sich die Landschaft durch frei mäandrierende Flüsse aus, die grosse Auengebiete schufen. Der Wechsel der Wassermassen prägte dabei je nach Witterung und Jahreszeit die Landschaft, schuf neue Lebensräume. Durch das Eingreifen des Menschen wurde diese Dynamik unterbrochen. Innert der letzten 200 Jahre verschwanden schweizweit 71 Prozent, im Kanton Aargau 88 Prozent der Auenflächen. Ein Umdenken hin zum Schutz der Auenflächen in der Bevölkerung fand ab den 1970er-Jahren statt. 20 Jahre später wurde 1993 mit 67,7 Prozent die Auenschutz-Initiative deutlich angenommen. Seither realisiert der Kanton mit dem Auenschutzpark diesen Auftrag. Innert 20 Jahren kostete das Projekt rund 60 Millionen Franken. --cbl